"Ich hab' euch tierisch vermisst"

Drei Jahre, zwei Monate und zwölf Tage war der Steinmetzgeselle Sebastian Krämer auf Wanderschaft. Am Samstag war die Heimkehr. Die ganze Familie und das halbe Dorf nahmen ihn am Ortseingang in Empfang.

 Nicht als Landrat, sondern als Neunkirchener Nachbar hieß Heinz Onnertz (rechts) den Wandergesellen Sebastian Krämer (Zweiter von rechts) im Heimatdorf willkommen. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Nicht als Landrat, sondern als Neunkirchener Nachbar hieß Heinz Onnertz (rechts) den Wandergesellen Sebastian Krämer (Zweiter von rechts) im Heimatdorf willkommen. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Daun-Neunkirchen. (bb) Die drei Schläge der Kirchturmuhr gehen im allgemeinen Trubel unter. Was aber den zwei- bis dreihundert Menschen am Anfang der Neunkirchener Straße nicht entgeht, ist der kleine Trupp von jungen Männern, der sich aus Richtung Sportplatz/Steinborn dem Dauner Stadtteil nähert: Unter Hallo- und Willkommens-Rufen, mit Umarmungen und Küssen wird der 24-jährige Sebastian Krämer von seiner Familie, Freunden und Dorfbewohnern in Empfang genommen. Der dunkle Schlips steht für Ehrbarkeit

In seiner Begleitung sind vier Steinmetze und ein Ofenbauer - Wandergesellen wie er. Jetzt bilden sie aus ihren knorrigen Stöcken eine Art Leiter, und Sebastian Krämer klettert über das Ortseingangsschild. Ein Ritual, das ebenso wie der helle Cordanzug, der schwarze Hut, die Handwerksnadel am dunklen Schlips ("Ehrbarkeit") und das in ein Tuch ("Charlottenburger") gewickelte Gepäck zu der seit dem Mittelalter gepflegten Tradition des zünftigen Reisens von Bauhandwerkern gehört. Ungefähr 700 junge Männer aus Deutschland, Österreich, Dänemark und der Schweiz sind zurzeit so organisiert unterwegs.Sebastian Krämer schaut in die Runde: "Soll ich etwa eine Rede halten?" Er freue sich wie ein Schneekönig, dass er wieder da sei, sagt er unter dem Beifall der Leute. Und: "Ich hab' euch tierisch vermisst." Doch lieber als eine Ansprache zu halten, geht er auf jeden Einzelnen zu - auf seine ehemalige Kindergärtnerin, die Nachbarsfamilie, den Schulfreund, die Verwandten aus Gerolstein, den Landrat Heinz Onnertz, der eigentlich ganz privat hier ist, aber ihn dennoch im Namen des ganzen Landkreises Vulkaneifel begrüßt, die Jugendlichen aus Neunkirchen, die in allen Farben "Sebastian" auf ein Betttuch geschrieben haben. Allmählich formiert sich ein zwangloser Zug, der das Dorf durchquert und im Goldammerweg endet; hier wohnt die Familie Krämer. Unterwegs schaut Sebastian Krämer, zweites der acht Kinder von Theresia und Horst Krämer, in die Höfe ("Hier fehlen Bäume") und auf den Spielplatz ("Die Schaukel ist neu"). Seinen Eltern steht in den strahlenden Gesichtern, dass sie froh über seine gesunde Heimkehr und die tolle Begrüßung sind.Am 4. April 2004 war Sebastian Krämer auf Wanderschaft gegangen. Er hatte den Gesellenbrief als Steinmetz in der Tasche. Manchmal ging er zu Fuß, meistens fuhr er per Anhalter; nahm wohl auch mal den Bus oder den Zug. Denn "öffentliche Verkehrsmittel sind zwar verpönt, aber nicht verboten", erklärt er dem Trierischen Volksfreund. Niemals habe er sich seinem Heimatdorf näher als 50 Kilometer nähern dürfen. In zwölf Ländern sei er gewesen, von Norwegen bis Spanien, von den Niederlanden bis Griechenland. "Es war überall schön", sagt er. Er habe viel gelernt, viel gesehen, manchmal Heimweh gehabt. "Aber ich habe nie daran gedacht, die Sache abzubrechen." Er habe meistens gute Menschen getroffen. Und die "Liebe seines Lebens" kennen gelernt: Christiane Baumann aus Vechta. "Auf dem Stoppelmarkt im August 2004", erzählt sie dem TV von ihrer ersten Begegnung mit Sebastian Krämer. Genau ein Jahr später habe er ihr bei der selben Veranstaltung - auf einem Riesenrad - einen Heiratsantrag gemacht. "Es hat einfach alles gepasst", sagt sie und verrät: "Im Herbst heiraten wir. Leben wollen wir da, wo es uns beiden gefällt und wo wir beide Arbeit finden."

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