"Ich liebe euch doch beide"

DAUN. Wann, wie oft und unter welchen Bedingungen darf ein "Scheidungskind" den Elternteil sehen, bei dem es nicht lebt? Das sind Fragen mit viel Konfliktpotenzial. Der Arbeitskreis "Trennung und Scheidung" bietet morgen einen Info-Abend an. Das Thema betrifft jedes Jahr 250 weitere Kinder im Kreis Daun. Insgesamt leben dort Tausende Scheidungskinder.

"...und dabei liebe ich euch beide…", heißt das Motto der Veranstaltung, die am Donnerstag, 2. Juni, um 19 Uhr im Sitzungssaal der Kreisverwaltung Daun beginnt. Dabei geht es vor allem um Umgangsrechte und -pflichten von geschiedenen Eltern. Der Beratungsbedarf ist groß: In einigen Bereichen halten sich hartnäckige Irrtümer. Norbert Kreten, Direktor des Amtsgerichts Daun, sagt: "Das 14-tägige Besuchsrecht, dass viele Eltern praktizieren, ist im Gesetz nicht verankert. Ebenso ist es ein Irrglaube, dass ein Zwölf- oder 14-Jähriger selbst entscheiden kann, bei welchem Elternteil er leben möchte. Das geht erst ab 18." Im Gesetz stehe, dass Kinder ein Recht auf Umgang haben und die Eltern dafür sorgen müssen. Oft ein schwieriges Unterfangen, weil es immer nur individuell geregelt werden kann. "In 75 Prozent der Fälle gibt es Disput im Umgang mit den Kindern", erklärt Rechtsanwältin Andrea Oster. Das Gezerres um Kleinkinder ist dabei wesentlich größer als bei älteren Schulkindern und Jugendlichen. Die Experten des Arbeitskreises, der seit 1996 besteht, geben ein paar Praxisbeispiele: Mütter schimpfen, dass die Kinder beim Vater Cola trinken, zu lange Fernsehen dürfen oder nach dem Besuch immer Läuse haben. Väter meckern, dass die Ex-Frau neue Pampers zum wechseln mitgeben müsse, weil die teuren Dinger schon mit dem Unterhalt abgegolten seien und dass Mütter extra zu kleine Kleidung kaufen, damit immer wieder was neues angeschafft werden muss. "Eigenmächtig Fakten schaffen gilt nicht"

Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Im Kreis Daun leben vier von fünf Scheidungskinder im Haushalt der Mutter. Das Kreisjugendamt gewährt momentan in 203 Fällen Hilfen zur Erziehung (sozialpädagogische Familien- oder Erziehungshilfe, ambulante Therapie, Heimerziehung, Vollzeitpflege). In 127 Fällen ist Trennung oder Scheidung die Hauptursache. Der Arbeitskreis "Trennung und Scheidung" sorgt vor allem für einheitliche Vorgehensweise aller am Scheidungsprozess Beteiligten. Kreten: "Streitsüchtige Eltern finden im Kreis Daun keinen, den sie vor den Karren spannen können." Umgang mit beiden Elternteilen sei für die Kinder nötig und das gelte es umzusetzen. Nimmt beispielsweise eine Mutter, ohne Wissen des Partners, die Kinder und verschwindet, wird Kreten ihr keine einstweilige Verfügung fürs Aufenthaltbestimmungsrecht ausstellen. "Eigenmächtig Fakten zu schaffen, lassen wir nicht gelten", erklärt der Familienrichter. Auch das Jugendamt lässt sich nicht mehr darauf ein, nur mit einem Elternteil zu verhandeln. "Wir holen jetzt immer beide an den Tisch", sagt Klaudia Schreiner, Diplom-Sozialpädagogin beim Jugendamt. Aus ihrer Erfahrung schieben die Elternteile oft Probleme mit den Kindern vor. Schreiner: "Die eigentliche Gründe sind oft Probleme bei der Aufarbeitung der Trennung wie Nichtakzeptanz oder Eifersucht. Sie verlagern die Probleme von der Paar- auf die Elternebene." Kreten rechnet vor, dass die Aufarbeitung einer Trennung meist drei Jahre dauere. Schreiner sagt, dass in der Familientherapie die Hälfte der Beziehungsdauer dafür angesetzt wird. Karin Knötgen vom Kinderschutzdienst fordert: "Wichtig ist es, die Kinder raus zu halten und nicht die Paarprobleme auf deren Rücken auszutragen." Fest steht aber, dass - seitdem das gemeinsame Sorgerecht gilt - sich immer weniger Väter aus der Verantwortung stehlen. Oft flammt der Streit um Umgangsregeln erst ein paar Jahre nach der Trennung auf. "Meist wenn ein anderer Partner ins Spiel kommt", sagt Schreiner. Familienrichter Kreten plädiert für eine "Elternschule", damit die Bedürfnisse der Kinder je nach Altersstufe klar seien und sie wüssten, was bei einer Trennung passiere. Beispielsweise würden Eltern nur in Ausnahmefälle Erzieherinnen oder Lehrer über die Trennung sofort informieren und deshalb könne im Kindergarten oder der Schule erst auf die neue Familiensituation reagiert werden, wenn die Kinder auffällig würden.

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