In höchster Not haben alte und neue Freunde geholfen

WALSDORF. Hilfe von mehreren Seiten erfuhren die Opfer eines Brandanschlages in Walsdorf im August 2003. Die Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz zahlte erstmals den Höchstbetrag von 5000 Euro. Neben Freunden und Nachbarn halfen auch der "Weiße Ring" und die Organisation Fin (Frauen in Not). Am 29. Januar beginnt der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter.

Bettina A. (Name von der Redaktion geändert) und ihre drei Kindern sind Opfer ihres gewalttätigen und alkoholabhängigen Ehemanns beziehungsweise Vaters geworden. Der 45-jährige arbeitslose Heizungsinstallateur hat am 9. August 2003 vermutlich das Einfamilienhaus in Walsdorf angezündet und verursachte anschließend auf der Flucht vor der Polizei in Hillesheim einen Unfall - mit 3,6 Promille Alkohol im Blut. (der TV berichtete). Am Tag zuvor hatte er mit einem Fünf-Liter-Kanister Benzin vergeblich versucht, den neuen Wohnsitz der vier Opfer, die ihn eine Woche zuvor verlassen hatten, anzuzünden. "Ich wusste, es dauert nicht lange, bis was passiert"

Er demolierte die Haustür und drohte, seine Frau umzubringen. Mit Morddrohungen, Gewalt und Demütigungen hat der in Untersuchungshaft sitzende Mann jahrelang seine Familie tyrannisiert. Die 41-jährige Bettina A. erinnert sich: "Ich wusste damals, es dauert nicht mehr lange, bis was passiert. Mit der Vernichtung des Hauses wollte er mich bestrafen und uns endgültig fertig machen." Der als "sehr gewaltbereit" beschriebene Mann hatte seine Tat vorher in der Kneipe in Walsdorf angekündigt. Zeugen der Drohungen warnten Bettina A., die daraufhin bei Nachbarn Zuflucht suchte, weil ihr Mann durch Zufall ihren neuen Aufenthaltsort in Lissendorf in Erfahrung gebracht hatte. Die vier Opfer hatten nur das Nötigste in die möblierte Wohnung mitgenommen. Alles andere verbrannte im Walsdorfer Haus. "Da die Versicherung auf meinen Mann läuft und er der Brandstifter ist, zahlt sie keinen Pfennig", beschreibt die 41-Jährige das Dilemma, in dem sie nach dem Brand steckte. Sie stand mit ihren Kindern vor dem "x-ten Scherbenhaufen" ihres Lebens. Leo Hens, Leiter der Außenstelle Daun des "Weißen Rings", einer Opferschutz-Organisation, schaltete sich sofort ein. "Ich wusste gar nicht, dass es so was gibt", sagt die dreifache Mutter. Als Soforthilfe erhielt sie 1750 Euro. Im November erfuhr Hens von der seit Juni 2002 existierenden Stiftung Rheinland-Pfalz für Opferschutz. Er führte mehrere Gespräche und stellte für Bettina A. den Antrag. Erstmals und bisher einmalig zahlte die Stiftung den Höchstbetrag von 5000 Euro. Fabian Scherf, Pressesprecher des rheinland-pfälzischen Justizministeriums, erklärt: "Es ist wichtig, dass der Staat Opfer in Notlagen auch in Zeiten knapper Kassen nicht im Stich lässt". Bettina A. sagt erleichtert: "So konnte ich meinem Nachbarn, der mir spontan 3000 Euro geliehen hatte, sein Geld zurückgeben". Für Unterstützung, auch schon vor dem Umzug von Walsdorf nach Lissendorf, sorgte neben Freunden vor allem die Organisation "Fin" (Frauen in Not) aus Gerolstein. "Fin hat mir unglaublich den Rücken gestärkt", berichtet Bettina A. Eine Betreuerin habe sie zu den Gesprächen mit der Polizei und dem Gutachter der Gebäudeversicherung ebenso begleitet wie zum Arbeits- und Sozialamt. Die Fin-Mitarbeiterin erzählt: "Wir haben ihr geholfen bis sie wieder Boden unter den Füßen hatte. Sie hat sich in der Zeit sehr positiv verändert und gelernt, vieles selbst in die Hand zu nehmen." Kinder wollen den Vater nicht mehr sehen

Bettina A. hat mittlerweile eine dreijährige Umschulung zur Bürokauffrau begonnen und am Tag des TV -Gesprächs erreichte sie eine weitere frohe Botschaft: die Zusage zur Mutter-Kind-Kur. "Hoffentlich kann ich schon in den Osterferien fahren", sagt sie. Die Kinder hätten bisher weder den Wunsch geäußert, den Vater im Gefängnis zu besuchen, noch ihm zu schreiben. Auch nicht zu Weihnachten. Augenblicklich wird Bettina A. ganz scheu und meint leise: "Ich hoffe, dass er noch lange nicht raus kommt. Ich habe Angst, denn er hat ja nix mehr zu verlieren." Sie und ihr 15-jähriger Sohn sind als Zeugen zur Hauptverhandlung am 29. Januar vorgeladen. Bettina A. fürchtet sich vor dem Augenblick im Gerichtssaal, wenn sie ihrem Mann gegenüber steht. Die Fin-Mitarbeiterin versucht zu beruhigen: "Wenn sie möchte, werden wir sie begleiten". Laut Staatsanwaltschaft droht dem Mann eine Haftstrafe von mindestens einem und höchstens 15 Jahren. Das beruhigt Bettina A. nicht: "Wenn der das Urteil mit jahrelanger Haft hört, wird er versuchen rauszukommen. Nach dem Brand traue ich dem alles zu".

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