Küsse bleiben die Ausnahme

Auch wenn die Serie des Trierischen Volksfreunds diesen Namen trägt - als "Vorzimmer-Löwinnen" sehen sich die Sekretärinnen des Dauner Landrats, Ingrid Bohr und Ursula Neukirch, nicht.

 Das Geschick des Vulkaneifelkreises ist ihr täglich Brot: Ingrid Bohr und Ursula Neukirch arbeiten im Vorzimmer von Landrat Heinz Onnertz. TV-Foto: Katharina Hammermann

Das Geschick des Vulkaneifelkreises ist ihr täglich Brot: Ingrid Bohr und Ursula Neukirch arbeiten im Vorzimmer von Landrat Heinz Onnertz. TV-Foto: Katharina Hammermann

Daun. Die Halle versprüht den etwas spröden Charme der späten 60er-Jahre. Holzvertäfelte Wände, schwarze Steinfliesen, und eine weiße Reliefdecke. Schon als das alles noch recht neu war und statt der Energiesparlampen zig Glühbirnen für Glanz sorgten, war Ursula Neukirch hier. Ehrfürchtig passierte sie damals die in die Holzvertäfelung eingelassene Türe, hinter der sich das Zentrum der Macht verbarg. Diese Türe war für sie tabu, etwas ganz Besonderes. Denn dahinter regierte der Landrat. Heute sitzt sie, wie der Landrat selbst, gemeinsam mit ihrer Kollegin Ingrid Bohr auf der anderen Seite der Türe. Und auch für diejenigen, die draußen vorbeigehen, gilt das Tabu nicht mehr. "Die Leute kommen einfach herein", sagt Neukirch. "Das liegt am Chef." Denn der habe immer ein offenes Ohr, für die Bürger oder für Kollegen aus dem Haus."Wir sind nicht bissig und haben keine Krallen"

Vielleicht liegt es aber auch an den beiden Frauen selbst, die im Vorzimmer des Dauner Landrates Heinz Onnertz sitzen. Als "Vorzimmer-Löwinnen" würden sie sich nicht bezeichnen. "Wir sind weder bissig noch haben wir Krallen", sagt Neukirch. Wenn es passt, reden die beiden mit ihren zahlreichen Anrufern Platt. Auf ihrem Schreibtisch steht immer ein Schälchen mit Süßigkeiten zum Verschenken. Neukirch und Bohr haben Spaß an ihrer Arbeit. Nicht nur, weil es sehr abwechslungsreich ist, in der Kommandozentrale des Landkreises dafür zu sorgen, dass alles läuft: dass die fünf bis zehn Termine, die ein Landrat täglich hat, perfekt aufeinander abgestimmt sind und er genau weiß, was ihn dort erwartet, dass Anfragen von Ministerien beantwortet, Sitzungen organisiert oder Glückwunschkarten geschrieben werden.Der Chef lässt seine Damen an der langen Leine

Eine wichtige Rolle scheint bei der Arbeitsfreude auch der Chef zu spielen. "Er lässt uns an der langen Leine arbeiten", sagt Bohr und sei trotz Stress und viel Arbeit immer gut drauf. Es sei auch gar kein Thema, wenn eine von ihnen mal einen Fehler mache. Kurzum: "Er ist ein toller Chef", sagt die eine lächelnd, und die andere nickt.Wie gut, dass an dem massiven Naturholzschreibtisch im Nachbarraum zu diesem Zeitpunkt der Stellvertreter sitzt. Sonst hätte der Landrat vielleicht noch rote Ohren bekommen ob des vielen Lobs. Vielleicht umso mehr, wenn er erfahren hätte, dass ein Beusch für seine Mitarbeiterinnen schon mal mit einem Kuss enden kann, wenn sie jemandem einen Termin bei ihm vermitteln. Ein impulsiver älterer Herr sei so glücklich gewesen, dass er Ingrid Bohr - ob sie das wollte oder nicht - gleich herzen musste. Wenn Küsse auch die Ausnahme sind - die beiden Frauen sprechen täglich viele Menschen, die sich mit ihren Sorgen oder ihrem Ärger an den Landrat wenden wollen. Viele Bürger kommen auch mit sehr persönlichen Problemen. Die Ehe ist kaputt, das Sorgerecht weg oder für das Haus findet sich kein Käufer. Für Bohr und Neukirch heißt das dann oft: erst einmal zuhören. Ein hoher Politiker oder sonstige Hiobsbotschaften

Und schon beim nächsten Klingeln könnte ein hoher Politiker dran sein oder die Feuerwehr, um Hiobsbotschaften wie jene vom Chlorgasunfall in Gunderath zu überbringen. "Man weiß nie, was in der nächsten Stunde passiert", sagt Neukirch. Da sei so ein Tag flott rum.32 Jahre ist Neukirch schon im Haus. Sie und ihre Kollegin Ingrid Bohr kennen sich seit langem - aus der Bauabteilung, wo sie zusammen gearbeitet haben, bevor Bohr Kinder bekam und sich für 17 Jahre von der Kreisverwaltung verabschiedete. Dass sie eines Tages zusammen in diesem Raum sitzen würden, hätte keine von ihnen geahnt - im Vorzimmer des Landrats, hinter der holzvertäfelten Türe, die ihnen damals immer so viel Respekt eingeflößt hatte.

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