Lehren vor Strafen

DAUN. Tendenz steigend: Fast jede dritte Straftat im Kreis fällt in den Bereich der Jugendkriminalität. Bei der Polizeiinspektion (PI) Daun ist mit einem zweiten Jugendsachbearbeiter darauf reagiert worden. Karl-Heinz Krämer ist neben Christoph Meyer der neue "Jugendpolizist".

"Wir stellen uns der steigenden Belastung auch personell. Außerdem setzen wir damit die Ideologie des Innenministeriums um", erklärt PI-Chef Heinz-Peter Thiel. Er baut in erster Linie auf Prävention (Vorbeugung) und erst danach auf Repression (Strafverfolgung). Christoph Meyer, seit acht Jahren Jugendpolizist, sagt: "Im Jugendgesetz steht ganz klar: Lehren vor Strafen." Sein neuer Kollege Karl-Heinz Krämer hat sich auf den Posten als Jugendpolizist beworben. Die Motivation des 49-Jährigen: "Ich will was für die Jugend tun. Die Aufgaben reizen mich. Außerdem habe ich bisher im Schichtdienst immer wieder damit zu tun gehabt." Als zweifacher Vater spreche er zudem "die Sprache der Jugend". Weitertreten, wenn das Opfer am Boden liegt

Das ist wichtig, denn 2004 waren bei 28 Prozent aller Straftaten (ohne Verkehrsdelikte) 439 tatverdächtige Jugendliche beteiligt. Die 2005-er Zahlen werden demnächst vom Ministerium veröffentlicht. Meyer sagt mit Blick auf den Kreis Daun: "Die Gewalt-Eskalationen nach Veranstaltungen in Verbindung mit Alkoholkonsum werden immer schwerwiegender. Häufig werden bei den Schlägereien Hilfsmittel wie Gläser und Flaschen eingesetzt, oder es wird weiter zugetreten, obwohl das Opfer schon wehrlos am Boden liegt." Vorbeugend wirkt Meyer schon seit Jahren an vielen Schulen. Für die sechsten und siebten Klassen werden Streitschlichterprojekte, für achte Klassen PIT-Programme (Prävention im Team) und für neunte Schuljahre Deeskalationstrainings angeboten. Das Jugendpolizisten-Duo kann ab sofort noch mehr Schulen besuchen, denn die Nachfrage steige. Ein weiteres Problem seien die Entlass-Feten. Krämer erklärt: "Die Organisatoren sind verpflichtet, die Jugendschutzvorschriften einzuhalten. Das gelingt oft nicht, weil rasch aus einer geschlossenen eine öffentliche Veranstaltung wird." Oft laufe die Fete aus dem Ruder. Meyer gibt Praxisbeispiele: "Ein Zettel mit einer Einladung in der Hand reicht nicht aus, um zu demonstrieren, dass es noch eine geschlossene Gesellschaft ist." Über die Schulleitungen würde jeder Entlassschüler von der Polizei angeschrieben. Krämer verspricht: "Vor den Ferien werden wir außerdem alle relevanten Läden in Nähe der Schulen besuchen, um ausdrücklich auf die Jugendschutzvorschriften hinzuweisen." Die landläufige Vermutung, dass mit Zuzug der russlanddeutschen Migranten das Alkohol- und Drogenproblem gestiegen sei, wollen die Jugendpolizisten nicht kommentieren. PI-Chef Thiel erklärt: "Es ist nicht schlimmer, nur anders geworden. Das ist der Preis der Globalisierung." Die Lage in der Drogenszene, die nicht nur Russlanddeutsche betreffe, habe man "ernsthaft im Blick". Die Polizisten seien in diesem Bereich "so bissig wie noch nie und hätten die Szene einigermaßen im Griff".Es geht durch alle Schichten

Für die Jugendpolizisten sind die Informationsveranstaltungen besonders wichtig. Krämer erklärt: "Dann können sich Eltern auf den gleichen Wissensstand mit ihren Kindern bringen." Das Duo Krämer/Meyer wird von den Kollegen Helmut Schüssler bei der Polizeiwache Gerolstein und Erwin Schwarz bei der PI Prüm (zuständig für die Verbandsgemeinde Obere Kyll) unterstützt. Außerdem arbeiten alle Jugendpolizisten eng mit dem Jugendamt, dem Kreis der Hauptamtlichen, dem Arbeitskreis "Sucht" und vielen anderen Organisationen zusammen. Einen Schwerpunkt der Jugendkriminalität könne im Kreis nicht an einer bestimmten Verbandsgemeinde fest gemacht werden. Krämer erklärt: "Es geht durch alle Schichten und macht auch nicht vor Bildung halt."

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