"Manche zeigten Mitleid, andere mit dem Finger"

Beim Literaturabend der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) Kelberg ist die Geschichte der "Kolverather Traud", die Ute Bales (Freiburg) in ihrem Buch "Kamillenblumen" beschreibt, erzählt worden.

Kelberg. (bb) "Das hätte bestimmt auch die Traud gefreut", meinte Ute Bales mit Blick auf ihr mehr als 80 Personen großes Auditorium im Alten Pfarrhaus. Es war ihre Begrüßung, und es sollte der rote Faden eines aus Literatur, Musik und Kunst klug komponierten Abends werden.

Denn wer Bales Roman liest, wer sie über die obdachlose Hausiererin Gertrud Feiler aus Kolverath (genannt "Kolverather Traud") sprechen und aus "Kamillenblumen" vorlesen hört, spürt die liebevolle Verbundenheit. "Die Traud hat so ein armes Leben gehabt", hatte Bales bei der Vorstellung ihres Buchs im Sommer 2008 gesagt. "Dass sich nun die Leute wieder für sie interessieren, finde ich wunderbar."

Ein Geheimnis sei, dass sich beim Lesen Mitgefühl entwickle. "Und das ist es, was unsere Zeit dringend braucht", erklärte die aus Borler bei Kelberg stammende, in Gerolstein aufgewachsene und heute in Freiburg lebende, als Dozentin an einer Wirtschaftsakademie tätige Autorin. Beim Kelberger Literaturabend las sie aus der Rahmenhandlung, die in der Heil- und Pflegeanstalt Andernach spielt; dort hatte die Traud ihre letzten Jahre verbracht, eingeschlossen und damit in krassem Gegensatz zu ihrem jahrzehntelangen Leben in und von der Natur. Die ausgewählten Passagen erzählten davon, wie es gekommen war, dass Traud und ihre Mutter auf der Straße landeten und als Wanderarbeiterinnen und Kamillenblumen-Händlerinnen ihr Leben fristeten; wie Traud im Gespräch mit anderen Kindern erfuhr, dass man sie als Lumpenvolk und Bettelmenschen missachtete. "Manche zeigten Mitleid, andere mit dem Finger", heißt es in dem Kapitel, mit dem Ute Bales ihre Lesung schloss - ein Kapitel über die 50er Jahre, als Traud wegen des Niedergangs der Landwirtschaft und dem Einsatz von Maschinen kaum mehr Arbeit fand.

Im Gespräch mit den Zuhörern sagte Bales über ihre Motivation, das annähernd 300 Seiten starke Buch zu schreiben: "Es hat mich gereizt und fasziniert, den Lebensweg einer Frau zu verfolgen, die jahrzehntelang unter meist menschenunwürdigen Bedingungen auf der Straße gelebt und sich von dem Verkauf der Kamille etwas Kleingeld verdient hat." Einige Zuhörer erinnerten sich noch persönlich an die Traud. "Sie war verbittert", sagte eine Frau aus Oberelz. "Wir haben sie oft bei uns im Haus gehabt", erzählte eine aus Neichen stammende Anwesende.

KEB-Leiter Alois Kapell bezeichnete die Akteure der Veranstaltung als "Kulturtrio"; zeigte doch Christiane Hamann von der Galerie Pi in Weißenseifen einige Exponate aus der viel beachteten Ausstellung "Die vergessenen Heiden der Eifel" (der TV berichtete) und führte Gerhard Rützel aus Borler Akkordeonstücke von Komponisten aus dem Lebenszeitraum der Romanfigur auf.

Das Buch "Kamillenblumen" von Ute Bales (Rhein-Mosel-Verlag) ist für zwölf Euro im Buchhandel erhältlich.

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