Mitarbeiten ist eben Pflicht

DOLLENDORF-VELLERHOF. "Zwangsarbeit, erbärmliche Mahlzeiten, rüder Ton" – ein Bewohner beschwert sich über die Methoden, die im Clemens-Josef-Haus auf dem Vellerhof, kurz hinter der Kreisgrenze auf nordrhein-westfälischer Seite, herrschen sollen. Die Heimleitung wertet die Vorwürfe als haltlos.

"In der Einrichtung herrscht durch die Hausordnung festgelegte Zwangsarbeit. Jeder muss fünf bis acht Stunden für einen Stundenlohn von 50 Cent bis zwei Euro arbeiten", behauptet der Bewohner, der anonym bleiben möchte, gegenüber dem TV. Dabei müsse "ziemlich hart gearbeitet werden, und die Bewohner würden bedenkenlos Gefahren ausgesetzt". "Wir mussten ohne Schutzhelm unter einem Gerüst arbeiten, während über uns schwere Dachziegel transportiert wurden", beschreibt er ein Szenario. "Bei uns gibt es keine Zwangsarbeit", weist Gerold König, Geschäftsführer beim Rheinischen Verein für Katholische Arbeiterkolonien, den Vorwurf zurück. Werner Hoff, Leiter der Einrichtung, ergänzt: "Wir achten darauf, dass niemand Gefahren ausgesetzt ist. Beim Eindecken des Daches hatten wir ein Schutznetz gespannt." In punkto Zwangsarbeit vermutet er die falsche Auslegung der Hausordnung: "Der Passus, dass die Bewohner zur Mitarbeit verpflichtet sind, bezieht sich auf die Ausarbeitung der Ziele des Hilfeplans. Ansonsten fehlt nämlich die Grundlage für den Aufenthalt bei uns." Jeder erhält Taschengeld und Arbeitsprämie

Jeder Bewohner erhalte ein monatliches Taschengeld von 89,70 Euro. Die Arbeitsprämie von 50 Cent bis zwei Euro könne sich nach Ausbeutung anhören, habe aber einen Grund. Hoff: "Wenn ein Bewohner mehr als 172 Euro verdient, muss er sich an den Heimkosten beteiligen. Wir haben das so geregelt: Was erarbeitet wird, steht auch zur Verfügung." Auf dem Vellerhof, der seit 1927 existiert, halten sich bis zu 80 Obdachlose in mehreren Einrichtungen auf. Krankenhäuser, Sozialämter und Gefängnisse schicken Menschen dorthin. Im Bereich der "Gefährdetenhilfe" leben Menschen ohne Wohnsitz, die Suchtprobleme haben oder überschuldet sind. Im Bereich "Altenpflege und Wohnheim" finden weitere 77 Bedürftige Platz. Der Aufenthalt finanziert sich über Pflegesätze. Dafür muss ein Hilfeplan erarbeitet werden, der 18 Monate gilt. Der verärgerte Bewohner sagt: "Da die Kostenträger die anderthalb Jahre zahlen, wird die Zeit auch komplett ausgenutzt. Die Versprechen, dass die Bewohner früher eine eigene Wohnung vermittelt bekommen, werden nicht eingehalten." Heimleiter Hoff schüttelt über derartige Unterstellungen nur den Kopf. Er sagt: "Das ist einfach zu widerlegen. Bei uns liegt die durchschnittliche Verweildauer unter einem Jahr. Von den 120 Aufnahmen im Laufe des vergangenen Jahres sind noch 67 da. Die anderen wurden in Arbeit oder in eine Wohnung vermittelt." Auf dem Areal zwischen Ahrhütte und Blankenheim wird eine Landwirtschaft, eine Schlosserei, Schreinerei und Wäscherei betrieben. Seit Mai werden ein neues Altenpflegewohnheim, eine Biogas- und Photovoltaikanlage sowie ein Boxenlaufstall gebaut. Der Bau eines neuen Arbeitstherapie-Gebäudes ist abgeschlossen. 12,5 Millionen Euro werden investiert. Auch für die Vorwürfe, dass ein rüder Umgangston herrsche ("stell dich nicht so an, kriegst ja Essen und Schlafplatz dafür" oder "denken bei der Arbeit nicht erwünscht") haben die Verantwortlichen Erklärungen parat. Geschäftsführer König: "Ich glaube dem Bewohner, dass mal ein rauer Ton herrscht, aber Obdachlose haben grundsätzlich ein Problem Beziehungen aufzubauen. Da sind Konflikte programmiert." Außerdem sei der Vellerhof eine "nasse" Einrichtung, was bedeute, dass Alkohol erlaubt sei.

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