Naturerlebnis mit Kompromissen

GEROLSTEIN/DENSBORN. Ende einer beinahe endlosen Geschichte - und Anfang zugleich: Der Bau des 15 Kilometer langen Kylltal-Radwegs zwischen Gerolstein und Densborn ist nach 20-jähriger Planung fast abgeschlossen, am kommenden Montag ist offizielle Eröffnung. Der TV hat die Strecke schon einmal vorab - besonders auf Familientauglichkeit - getestet.

Als Radfahrer kennt man die Strecke im zumeist idyllischen Tal der Kyll entlang an Burgen, durch verträumte Dörfer und inmitten herrlicher Natur - auch wenn man nicht aus der Region stammt. Dafür hat der vor fünf Jahren ins Leben gerufene und seither jährlich veranstaltete autofreie Erlebnistag "Kylltal aktiv" gesorgt, der bis zu 20 000 Radfahrer angelockt hat. Doch dabei haben Radler und Skater auch freie Bahn. Im Alltag war das Radeln zwischen Gerolstein und Densborn bislang - trotz der landschaftlichen Schönheit - kein Vergnügen. Dafür sorgten die vielen Raser, die bewiesen, dass sie nicht nur viel unter der Haube, sondern auch wenig an Hirn haben. Das ist heute noch so. Die L 24 ist eine Rennstrecke. Zu spüren ist das auch jetzt noch, verläuft der Radweg doch auf dem 15 Kilometer langen Teilstück über weite Strecken entlang der Straße - ein Kompromiss zugunsten der Natur und einer rascheren (!) Realisierung des Radwegs. Angesichts des 20-jährigen Planungs-Hickhacks kaum zu glauben. Einer Gefahr fühlt man sich - so nah an den Autos - dennoch nicht ausgesetzt, dafür sorgt außerhalb der Dörfer die lückenlose Absperrung zur Straße. In den Ortsdurchfahrten von Birresborn und Mürlenbach, wo sich die Radfahrer in den regulären Verkehr einfädeln müssen, sollten die geltenden Tempolimits als Schutz ausreichen. Die ein oder andere Polizeikontrolle nach der Radweg-Eröffnung und während der touristischen Hochzeiten könnte zudem auf Auto- und LKW-Fahrer sensibilisierend wirken. Auf landwirtschaftlichen Verkehr einstellen sollten sich die Radfahrer auf der Strecke zwischen Birresborn und Mürlenbach, denn die ist als Wirtschaftsweg ausgebaut. Leider findet man sie wegen fehlender Schilder nur schwer - der einzige Mangel in dieser Hinsicht. Dafür wird der Radler - hat er die richtige Abfahrt (die neue Brücke zur Kläranlage) genommen - reichlich entlohnt. Es ist eine der schönsten Abschnitte: Fernab der L 24 kehrt Ruhe ein, Kühe beobachten gleichgültig die Vorbeiziehenden, das Tal öffnet sich, das Naturerlebnis wird größer. Jetzt tief durchatmen und alles aufsaugen: die Natur, die Weite, die Ruhe (falls kein Zug oder Traktor vorbeifährt) die Luft, die wärmenden Sonnenstrahlen und den erfrischenden Geruch des Flusses. Erholung wird einem aber auch an anderer Stelle zuteil. Kaum hat man Gerolstein ver- und auch Lissingen rechts liegen gelassen, wird's zunehmend stiller. Vogelzwitschern und der Gesang der Grillen obsiegen, das Plätschern der Kyll, die bei Kilometer Drei erneut überquert wird, tut ein Übriges zum Wohlbefinden. Und auch dort, wo der Radweg ganz nah an der Straße, aber immerhin zwei Meter unterhalb der Fahrbahn, am Fuße der Böschung, verläuft, gewinnt das Naturerlebnis rasch Oberhand: Die trennenden Hecken tun einen guten Dienst. So auch kurz vor Densborn - ehemals einer der schönsten Flecken im Kylltal. Dort schirmen die Bäume zumindest teilweise den Blick auf die klobigen Industriehallen ab. Jetzt nur noch wenige Meter und das Etappenziel Densborn ist erreicht - bei gemütlicher Fahrt in rund einer Stunde. Gleich am Ortseingang bietet das zu Jahresbeginn eröffnete Kiosk von Ines und Rudolf Schneider allerlei Erfrischungen an. Von hier aus ist sowohl die Weiterfahrt bis nach Trier-Ehrang in 55 Kilometern Entfernung möglich. Dabei muss man sich jedoch streckenweise mit Autoverkehr arrangieren, da der Radweg noch Lücken aufweist. Wer zurück nach Gerolstein fährt, wird nun etwas mehr Zeit und Kraft aufbringen müssen, da es zwar nur leicht, aber stetig bergauf geht. Eben flussaufwärts. Eine Möglichkeit ist - vor allem für Familien mit Kleinkindern - die Rückfahrt per Bahn. Die lästigen Shuttle-Fahrten mit Privat-PKW für den Radtransport, die so manchem den Familienausflug von vornherein vergällen, fallen weg. Wem die 30-Kilometer-Tour für Hin- und Rückweg zu anspruchslos ist, wie Carla Velt und ihrem Mann aus der Nähe von Amsterdam ("Wir sind extra hier her gekommen, um Berge zu fahren."), der sollte an einer beliebigen Stelle nach rechts oder links abbiegen. Und schon bekommt er seine Steigungen. Abstecher zu den Eishöhlen bei Birresborn oder auf die Bertradaburg in Mürlenbach, die ausgeschildert sind, lohnen sich auf jeden Fall.Schöne Rastplätze sind Mangelware

Ein Muss bei jeder Radtour ist die Rast. Schöne installierte Rastplätze sind zwar - mit Ausnahme des Fleckens am Mürlenbacher Weiher in Richtung Densborn - bislang leider noch Mangelware, doch entlang der Strecke haben sich vereinzelt schon Gastronomen auf den erhofften Radler-Ansturm eingestellt. Zumindest wird das auf dem ein oder anderen Hinweisschild so verkündet. Zwar sind die Erwartungen - der Eifeler Mentalität entsprechend - noch gedämpft, insgeheim wird durch den Radweg dennoch ein wenig Belebung und Aufschwung für das Kylltal erhofft. Kritische Töne - so von einer Anwohnerin, an deren Haus der Weg unmittelbar vorbeiführt - sind zwar vereinzelt auch zu vernehmen. Doch derzeit herrscht ganz klar ein Gefühl vor: Die Freude, dass der Radweg endlich fertig ist.Fazit: Es ist - fast zu schön, um wahr zu sein - gut, dass der Radweg von Gerolstein bis Densborn endlich gebaut ist. Noch besser wäre es, wenn die 115 Kilometer lange Gesamtstrecke zwischen Hallschlag und Trier (Mosel) keine Lücken mehr aufweisen würde. Der Weg ist besonders flussabwärts ideal für Familienausflüge, ermöglicht - trotz langer Streckenführung entlang der Straße - ein schönes Naturerlebnis. Erstrebenswert sind Nachbesserungen bei den Rastmöglichkeiten und mehr gastronomische Angebote speziell für Radler. Infos zum Kylltal-Radweg und zu Übernachtungsmöglichkeiten im Gerolsteiner Land gibts bei der Touristinfo Gerolstein (Telefon 06591/13180, Internet: www.gerolstein.de), die Beschreibung des gesamten Radwegs von Hallschlag bis Trier ist im Internet unter " www.eifel-radtouren.de";.

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