Neubeginn um 8 Uhr

MÜRLENBACH. 2. Februar 2004: Auf diesen Tag hat Georg Becker gewartet. Der 41-jährige Maschinenschlosser beginnt heute einen neuen Job. Er war nach der Schließung des Birresborner Phönix Sprudels arbeitslos geworden. Ebenso wie ein Schwager und drei Vettern.

Das überraschende Ende des Birresborner Mineralwasserbetriebs vor knapp drei Monaten hatte die Familie Becker hart getroffen. Fünf Mitglieder, meist Hauptversorger junger Familien, wurden arbeitslos. Alle wohnen in Mürlenbach. Heute Morgen war in drei Häusern im Dorf nicht alles so wie sonst. Georg Becker sowie sein Schwager Johannes Weber und ein Vetter, Anton Weber, packten ihre Taschen und gingen aus dem Haus, um bei neuen Arbeitgebern ihre Stellen anzutreten. Becker fand auf Grund der Berichterstattung im TV eine Stelle bei den "Grafischen Maschinen Vulkan Technik" in Wiesbaum. Am ersten Arbeitstag beginnt er erst um 8 Uhr. Der Maschinenschlosser erklärt voller Vorfreude: "Dann läuft schon alles auf Hochtouren, und dann kriege ich alles gezeigt." Morgen beginnt seine Fünf-Tage-Woche in der Gleitzeit von 7 bis 7.30 Uhr. Schwager fährt für eine Kölner Spedition

Für seinen 33-jährigen Schwager ist heute nicht nur der erste Arbeitstag bei einer Kölner Spedition, sondern auch der erste Tag bei dem zweiten Arbeitgeber seines Lebens. Johannes Weber hatte beim Phönix Sprudel seine Ausbildung gemacht und war insgesamt 17 Jahre dort beschäftigt. Der junge Familienvater hatte bei der Jobsuche keine großen Illusionen. Der Laster-Fahrer sagt: "Ohne Beziehungen kriegt man keinen Job. Bekannte haben mir geholfen." Völlig anders lief es bei Anton Weber. Er bewarb sich bei etlichen Firmen und kam letztlich bei der Nürburgquelle in Dreis unter. Auch für ihn ist heute der erste Arbeitstag - nach zehn Jahren beim Phönix Sprudel. "Ich werde erst mal in der Produktion anfangen, und dann wird geschaut, wie es weitergeht", erklärt er. Sein Bruder Ralf Weber hat schon vor einem Monat einen neuen Job angefangen. Der 36-jährige Laster-Fahrer arbeitet bei der Molkerei Hochwald in Hillesheim. Die Molkerei habe ihren Bedarf an Arbeitskräften auf Grund der Berichterstattung über die abrupte Schließung an die Geschäftsführung des Phönix Sprudels gemeldet. Über diesen Weg sei er an die neue Stelle gekommen. Fuhr der zweifache Familienvater früher Getränke zu Großhändlern und Krankenhäusern, so ist er seit einem Monat mit dem Milchsammelwagen durch die Dörfer unterwegs. Die Arbeitszeiten haben sich gravierend geändert. Meist von ein Uhr nachts bis 14 Uhr ist der 36-Jährige unterwegs. Auch an Wochenenden. "Für die Familie ist das alles eine ziemliche Umstellung. Meistens bin ich jetzt vor den Kindern im Bett", erklärt Ralf Weber. Er gibt sich optimistisch: "Andere Fahrer und deren Familien schaffen das ja auch, und außerdem habe ich laut Einsatzplan auch immer wieder freie Tage, eben nur nicht mehr immer am Wochenende." Von Vorteil sei, täglich bei der Familie sein zu können - anders als bei einem Job bei einer Spedition, "wo man oft die ganze Woche weg ist". Benno Molitor ist der einzige aus der Verwandtschaft von Georg Becker, der noch keinen neuen Arbeitsvertrag in der Tasche hat. Der 31-Jährige gibt sich wortkarg: "Es laufen noch etliche Bewerbungen und voraussichtlich kriege ich eine Stelle im Kreis Daun." Noch sind nicht alle 25 ehemaligen Phönix Sprudel Mitarbeiter neu beschäftigt. Georg Weber meint: "Für den einen oder anderen, der jetzt noch keine Job hat, wird es ganz schön schwierig werden." Vetter Ralf Weber fügt hinzu: "Und für die, die noch am Rudern sind, ist die Abfindung auch kein Trost."

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