Nichts genaues weiß man nicht

DAUN. Was wäre, wenn wie jüngst prognostiziert die Bevölkerung im Kreis Daun bis zum Jahr 2050 um maximal 20 Prozent abnimmt. Der TV hat sich umgehört - in der Politik, im Vereins- und Gesundheitswesen und bei Umweltschützern.

Eine Million weniger Rheinland-Pfälzer, dafür 50 Prozent mehr ältere Menschen, das sind die groben Eckdaten zur Bevölkerungsentwicklung in Rheinland-Pfalz bis 2050. Diese Modellrechnung hat das statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz vorgestellt (der TV berichtete). Für den Kreis Daun wurde errechnet, dass die Bevölkerung maximal um 20 Prozent schrumpft. Statt heute knapp 65 000 würden demnach zwischen Mückeln und Hallschlag nur noch rund 52 000 Einwohner leben. Die möglichen Auswirkungen sind vielfältig: Siedlungsstrukturen ändern sich, der Arbeitsmarkt und das Gesundheitswesen steht vor neuen Herausforderungen, die Haushalte werden Verschiebungen in den Prioritäten erleben. Kowall: Dorfleben vielfach gefährdet

Vor allem wegen der sinkenden Zahl von Kindergartenkindern (im Kreis Daun wurde ein Minus von unter 35 Prozent errechnet), fällt schnell das Stichwort von SCHLIESSENDEN KINDERGÄRTEN UND SCHULEN . Gehe er nach den nackten Zahlen müsse er natürlich sagen: "Ja, Kindergärten und Schulen werden geschlossen. Aber das ist mir zu einfach", sagt Dauns Landrat Heinz Onnertz. Die Entwicklung hänge aber von vielen Faktoren ab. "Angenommen ich bekomme ein großen Arbeitgeber in den Kreis, der viele Arbeitsplätze schafft, dann kann und muss ich sogar die Kindergartenplatz-Zahl positiv beeinflussen", gibt er ein Beispiel. Generell gelte es, die Infrastruktur für Familien zu verbessern: eine attraktive Familienpolitik als Katalysator für die Geburtenrate. Dass diese KONKURRENZ UM EINWOHNER, UNTERNEHMEN UND ERWERBSTÄTIGE angesichts eines Bevölkerungsrückgangs zunehmen wird, glaubt Onnertz nicht. "Das gehört schon jetzt zum beruflichen Selbstverständnis eines jeden Landrats." Nichts desto trotz dürfte bei Eintreten der Prognosen manch kleines Dorf aussterben, glaubt Markus Kowall, Beauftragter für Dorferneuerung im Kreis Daun. "Durch Neubaugebiete entstehen Vorstädte ohne eine Stadt", sagt Kowall. "Ein gemeinschaftliches Dorfleben in vielen Gemeinden ist erheblich gefährdet." Deshalb: Wer in Sachen Dorferneuerung nichts mache, bekomme Probleme, meint Kowall. Ähnlich argumentiert Matthias Pauly, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Gerolstein: "In Gemeinden mit guter Infrastruktur wird der Bevölkerungsrückgang vermutlich geringer ausfallen, vereinzelt sind Zuwächse möglich." Die Stadt Gerolstein und die Gemeinden im Kylltal hätten aufgrund der Bahnverbindungen in den Kölner und den Trierer Raum eine bessere Ausgangssituation, bei den übrigen Gemeinden dürfte nach seiner Ansicht die Nähe oder Ferne zum nächstgelegenen Autobahnanschluss von wesentlichem Einfluss sein. Skepsis gegenüber den Prognosen

Für Norbert Leinung, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Daun, sollten hingegen gerade Großprojekte auf den Prüfstand gestellt werden. "Das, was heute vorhanden ist, müsste eigentlich für die nächsten Jahrzehnte ausreichen. Sowohl an Straßen als auch an Gewerbegebieten." Positive Auswirkungen auf die UMWELT sieht Norbert Leinung, Vorsitzender der BUND-Kreisgruppe Daun nicht, auch weil er den Rückgang der Einwohnerzahl für eine Mär hält. "Die Altersstruktur dürfte sich wahrscheinlich verändern, die Gesamtbevölkerungszahl weniger. Und damit dürfte auch die Umweltbelastung annähernd gleich hoch bleiben wie heute." Auch Alfred Pitzen, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Hillesheim, schenkt den negativen Bevölkerungsprognosen nicht soviel Vertrauen. So sei zum Beispiel in seiner VG die Bevölkerungszahl von 7881 im Jahr 1989 auf 9162 im Jahr 2002 gestiegen. Macht gut 16 Prozent, obwohl für die 90er Jahre schon ein Rückgang vorhergesagt worden sei. Ob nun mehr oder weniger Einwohner, aufgrund der steigenden Zahl älterer Menschen, erwartet Franz-Josef Jax, Geschäftsführer des Dauner Krankenhauses, eine Zunahme von Krankheitshäufigkeiten und -intensität, auf die sich der GESUNDHEITSBEREICH einstellen müsse. Würde die Bevölkerungszahl sinken, habe dies auf der anderen Seite weniger Menschen zur Folge, die krank werden. "Ob sich beide Effekte die Waage halten, ist abzuwarten", sagt Jax. Auf jeden Fall wird es eine Neuorientierung im Leistungsangebot geben. "Wenn die Geburtenzahlen zurückgehen, gerät der Bereich Kinderheilkunde oder Geburtenhilfe in den Hintergrund, dafür drängten Behandlungen von Krankheitsbildern bei älteren Menschen nach vorne. Vereine müssen Angebote anpassen

Ebenfalls schwer voraussagen lassen sich mögliche FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN DER KOMMUNEN . "Natürlich entlastet es den Kreis, wenn ich Gymnasien schließen muss, eine Berufsbildende Schule nicht erweitern brauche oder weniger Schulkinder zu befördern habe. Aber das wären Entlastungen, die ich nicht wünsche", sagt Onnertz. Demgegenüber sei außerdem mit geringeren Steuereinnahmen zu rechnen. In den VEREINEN erwartet Horst Reißenweber, Vorsitzender des Sportkreises Daun, eine Anpassung des Angebots. Für Sportvereine würden etwa die Gebiete Senioren- und Gesundheitsport an Bedeutung gewinnen, wenn die Bevölkerung immer älter wird. Außerdem werde der Trend zu Vereinsfusionen zunehmen. Mancher Sport- oder Tennisplatz werde brachliegen, die Konkurrenz der Vereine um Mitglieder zunehmen. Auch Ursula Kampke, Vorsitzende des Sängerkreises Daun glaubt an neue Herausforderungen: Jugendliche müssten in noch älter werdende Chöre integriert werden, überhaupt müssten Anstrengungen, vor allem Jugendliche frühzeitig an den Chor zu binden, weiter intensiviert werden. Zum Thema gibt es heute auf Einladung der SPD-Kreistagsfraktion, 18 Uhr , eine Diskussion mit dem Innen-Staatssekretär Karl-Peter Bruch im Forum Daun.

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