Odyssee für Flüchtling: Meisburg, Mailand, Trier

Daun/Meisburg · Der Flüchtlingspate Ralf Wagner-Nowak zeigt am Beispiel des aus Meisburg abgeschobenen Eritreers Kibrom auf, was die Asylpolitik der Bundesregierung für den Betroffenen bedeuten kann.

Daun/Meisburg Im Dezember hatte Ralf Wagner-Nowak auf die besorgte Bitte von Rita Schmaus vom Dauner "Café Asyl" den 23-jährigen Kibrom in Meisburg aufgesucht. Dort lebte der junge Mann aus Eritrea (siehe Extra) in dem zur Flüchtlingsunterkunft des Landkreises Vulkaneifel umfunktionierten ehemaligen Gasthaus zu dem Zeitpunkt seit vier Monaten. "Er war noch immer völlig traumatisiert von seiner mehrjährigen Flucht", erinnert sich Wagner-Nowak an die erste Begegnung. Kibrom habe einen depressiven Eindruck gemacht und ihm das Schreiben gezeigt, in dem ihm seine Abschiebung mitgeteilt worden sei. Kibrom hätte Widerspruch einlegen können, was er aber versäumt habe. "So mussten wir zwar mit seiner Abschiebung rechnen, allerdings nicht vor März", räumt der Flüchtlingspate des Caritasverbands Westeifel und Flüchtlingsbeauftragte des Vereins "Forum Eine Welt", der beruflich als selbstständiger Spediteur tätig ist, im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund ein.
Als Kibrom aber am 16. Januar frühmorgens in Meisburg auf dem Weg zur Bushaltestelle ist, um nach Gerolstein zum Sprachkurs zu fahren, wird er von der Polizei in Gewahrsam genommen, zum Flughafen Düsseldorf gebracht und zusammen mit anderen Flüchtlingen ins norditalienische Mailand abgeschoben - begründet in einem Ereignis während seiner Flucht (siehe Hintergrund). Die italienischen Behörden kontrollieren seine Papiere und schicken ihn wieder zurück, zwei Tage später reist Kibrom wieder in Deutschland ein. In Karlsruhe stellt er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Asyl-Folgeantrag, wird dort von einem Richter befragt und in die Asylaufnahmeeinrichtung nach Trier geschickt, von wo aus - wahrscheinlich aus Versehen - er wieder in den Zug nach Karlsruhe gesetzt wird. Dort vernimmt ihn die Polizei. Schließlich tritt die Bahnhofsmission in Vorlage und kauft ihm eine Bahnfahrkarte zurück nach Trier. Dort ist er jetzt. "Am besten für Kibrom wäre es, wenn er wieder nach Meisburg käme", meint Ralf Wagner-Nowak. Dort habe er sich nach Jahren erstmals etwas in Sicherheit gefühlt.

KIBROM üBER DIE JAHRE SEINER FLUCHT


Extra

Nach dem Tod seines Vaters im Krieg gegen Äthiopien hatte die Mutter den 18-jährigen Kibrom und seinen älteren Bruder 2011 nach Europa geschickt, da den beiden Söhnen in Eritrea die Zwangsrekrutierung drohte. Die Flucht verlief über Äthiopien, den Sudan und Ägypten nach Israel, wo Kibroms Bruder heute noch lebt. Kibrom wurde aus Israel ausgewiesen und setzte seine Flucht über Uganda, Ruanda, den Südsudan und Libyen fort. Anfang Mai 2016 gelangte er mit dem Boot nach Italien, wo er nach eigenen Angaben bei der Abnahme von Fingerabdrücken bedroht und geschlagen wurde. Am 17. Mai 2016 stellte er in Gießen einen Asylantrag und kam über Diez, Trier und Steineberg nach Meisburg. Dass die deutschen Behörden Kibrom nun nach Italien auswiesen, steht im Zusammenhang mit der so genannten Drittstaatenregelung (auch Dublin-II-Verordnung), wonach derjenige EU-Staat für ein Asylverfahren zuständig ist, in den der Flüchtling als erstes eingereist ist. In Kibroms Fall also Italien. (bb)POLITISCHE SITUATION IN ERITREA


Extra

Laut internationalen Beobachtern gilt das politische System in Eritrea im Nordosten Afrikas als repressiv und diktatorisch und nur dem Namen nach als Demokratie. Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen wie willkürliche Tötungen, Verhaftungen und Folter sind an der Tagesordnung. Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit sind nicht gewährleistet. Eritrea ist das Land mit der geringsten Pressefreiheit. Für Männer ab 18 Jahren gilt die zeitlich unbefristete Militärpflicht. (bb)

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