"Probiert es bloß nicht aus - auch nicht aus Neugier!"

GEROLSTEIN. Lernort Krankenhaus: Erstmals besuchten - im Rahmen eines landesweiten Projekts über Süchte - Schüler die Psychiatrie in Gerolstein. Dort, wo jährlich 250 Suchtkranke zur Entgiftung behandelt werden, sprachen die Teenager auch mit einem der Patienten.

Ganz genau beobachten die 60 Achtklässler der Regionalen Schule Bleialf den heroinabhängigen Uwe Schmidt (Name von der Redaktion geändert) . Der 34-Jährige, der freiwillig zur Entgiftung in die Klinik gekommen ist, beantwortet geduldig die vielen Fragen. Ein Schüler will wissen, wann er mit dem Drogenkonsum angefangen hat. "Mit 17 Jahren habe ich den ersten Joint geraucht, aber erst seit drei Jahren ist es für mich richtig hart geworden. Das hat mit etlichen Schicksalsschlägen zu tun", berichtet Schmidt. Der 14-jährige Ralph Neuerburg aus Brandscheid meint kopfschüttelnd: "Was die so alles nehmen, einen richtigen Mix aus harten Drogen, Nikotin und Alkohol". Ein anderer Achtklässler fragt nach den Kosten. Schmidt sagt: "Hier in der Eifel kostet ein halbes Gramm Heroin 25 Euro. Es gibt einige, die brauchen bis zu fünf Gramm am Tag - also 250 Euro." Nach seiner Meinung hat sich "der Eifeler Drogenmarkt in den vergangenen sechs Jahren gravierend verändert". Vor allem bei harten Drogen wie Heroin und Kokain. Er meint: "Bei den Dealern gibt es echte Dreckschweine, die den Kids absichtlich was Hartes unterjubeln". Schüler Stephan Jänen und seine Freunde erzählen: "Auf dem Hahnplatz in Prüm liegen schon mal Spritzen rum, und den Kiffern sieht man das auch an."Kontrolle über die Sucht? Ein schmerzlicher Irrtum

Die Schülerinnen Ramona Wilwers aus Herscheid und Andrea Eichten aus Halenfeld interessiert das soziale Umfeld des Drogenabhängigen. Schmidt berichtet: "Auf der Arbeit hat keiner was davon gemerkt. Von denen weiß auch keiner, dass ich hier bin." Seine Eltern seien sehr verständnisvoll mit seinen Suchtproblemen umgegangen. Er appelliert an die Achtklässler: "Probiert es bloß nicht aus - auch nicht aus Neugierde." Auch er habe geglaubt, den Konsum "im Griff zu haben". "Ein Irrtum, wie ich schmerzlich erfahren musste." Nach der Entgiftung, dem "warmen Entzug" mit der Einnahme von Ersatzmitteln, will Schmidt umziehen, um nicht "im gewohnten Umfeld rückfällig zu werden". Er rät, "Vertrauen zu schaffen, damit die Kinder, wenn sie was ausprobiert haben, ohne Angst drüber reden können". Dr. Stefan Thielscher, Chef der Psychiatrischen Klinik, macht deutlich, dass es keine "Suchtpersönlichkeit" gibt. So würden beispielsweise 80 Prozent der Erwachsenen Alkohol trinken, aber nur drei Prozent würden alkoholkrank. Der Arzt erklärt: "Weder für Drogenabhängige noch für Alkoholiker ist nach der Sucht ein kontrollierter Umgang möglich. Da gilt nur noch: entweder abstinent oder süchtig." Für ihn ist zudem wichtig, "das Bedürfnis, das hinter den Süchten steht, zu benennen". Thielscher: "In den Diskussionen über illegale Drogen werden die legalen Drogen wie Nikotin oder Alkohol oft unterschätzt". Biologielehrer Wolfgang Bonefas hatte die Fahrt organisiert. Er will nun mit den drei Klassen an einem landesweiten Projekt über Süchte teilnehmen. Bonefas: "Wir werden eine Ausstellung, ein Theaterstück und ein Video ausarbeiten".

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