Schöne und erschütternde Berichte

WIESBAUM. Seit vier Jahren wird in Wiesbaum auf das dreitägige Fest zur 1200-Jahr-Feier des Orts am kommenden Wochenende hingearbeitet. Das Festkomitee hat dabei Außergewöhnliches auf die Beine gestellt: eine 330-seitige Chronik, eine große Bilderausstellung, Aufführungen und einen historischer Markt.

"Vor einigen Tagen hat Renate Rodermann aus Südafrika angerufen und eine Chronik bestellt", freut sich Chronist Werner Zens. Die gebürtige Wiesbaumerin habe in Südafrika mit einem Frisörsalon Karriere gemacht. Über die Internetseite der Gemeinde hat sich auch Waldemar Palliardi, der jetzt in Griechenland wohnt, gemeldet. Der Festausschuss hofft auf den Besuch vieler Ehemaligen zum dreitägigen Jubiläum. Ortsbürgermeister Jakob Blum liegt am Herzen, "dass allen durch die Chronik und das Fest unsere Geschichte ins Bewusstsein gerufen wird". Viele Begebenheiten sind so manchem sicherlich nicht bekannt. Zens: "Durch einen Glücksfall sind wir an Aufzeichnungen von Peter Engels, der als Lehrer im Sauerland lebte, gekommen".Pastor wurde als Hexer verbrannt

Der Onkel von Maria Engels (bekannt als ehemalige Postbetreiberin) hatte seine Jugendjahre um 1900 aufgeschrieben. Unter dem Kapitel "Erinnerungen" ist dieses "schöne Lebenszeugnis" (Zens) nachzulesen. Die sehr musikalische Familie Engels sei mit Quetschbögel und Geige von Kirmes zu Kirmes gezogen. Erschüttert hat den 53-jährigen Chronisten beim Lesen der Schulchronik die hohe Sterblichkeitsrate der Kinder. Aber auch die Auswanderungen nach Amerika reduzierten die Dorfbevölkerung. Zwischen 1856 und 1906 sanken die Schülerzahlen um 20 Prozent. Für jede alteingesessene Familie hat Zens eine Tabelle über die ausgewanderten Mitglieder erstellt und in der Chronik veröffentlicht. Vor 1200 Jahren lebten in Wiesbaum etwa 70 Menschen. Heute sind es 630. Viele Jahrzehnte blieb die Zahl der Einwohner allerdings bei rund 400. Erst durch die Ausweisung des Neubaugebiets wurde eine 50-prozentige Steigerung erzielt. "Das kam durch die gute Idee des Ortsgemeinderats mit dem Projekt ,Junge Familien‘. Wegen der günstigen Bedingungen blieben 16 Familien, die sonst weg gewesen wären", freut sich Blum, der seit 30 Jahren Ortschef ist. Dem Kaufmann ist die wirtschaftliche Entwicklung des Dorfes wichtig. So sei in den Sitzungsniederschriften ab 1886 deutlich erkennbar, wie sehr der Ort von Armut geprägt gewesen sei.Perspektiven für junge Leute bieten

Erst Anfang der 60er Jahre änderte sich die ausschließlich landwirtschaftliche Einkommensstruktur, nachdem Dorfbewohner bei Post, Bahn oder Mannesmann-Demag zu arbeiten begannen. Seit Mitte der 90er Jahre wurden im Industriepark und Gründerzentrum mehr als 400 ortsnahe Arbeitsplätze geschaffen. Blum: "Unser Ziel ist es, den Jugendlichen vor Ort Perspektiven zu bieten." In der Dorfgeschichte finden sich auch erschütternde Geschichten. So wurde dem ehemaligen Pastor Hennes der Prozess gemacht. Er wurde 1630 als Hexer verbrannt. "Mit vielen Bildern über die damaligen Foltermethoden ist die Geschichte auf 34 Seiten in der Chronik festgehalten", verrät Zens. Sein Kollege Hubert Pitzen schrieb über einen Giftmord, der tatsächlich in Wiesbaum passierte, eine Kriminalgeschichte. Uwe Klug kümmerte sich um die Zeichnungen, die vor allem im Sonderheft "Wisber Streiche", das Roswitha Zens erarbeitet hat, zu finden sind. Ortschef Blum ist begeistert von der 330-seitigen Chronik und der 36-seitigen Broschüre. "Dokumente von bleibendem Wert", meint Blum. Der 53-jährige Zens verspricht: "Wenn ich in Rente bin, gibt es einen Folgeband über die Geschichte der Hausnamen."PROGRAMM

Samstag, 4. September: 15 Uhr Eröffnung Bilderausstellung in der alten Kirche, historischer Markt mit 36 Ständen Sonntag, 5. September: 9 Uhr Hochamt, 10.30 Uhr historischer Markt, Ausstellung alter landwirtschaftlicher Geräte, Bilderausstellung

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