Sechs Jahre für Schuss auf Polizei - Gericht verurteilt Schrotthändler aus der Vulkaneifel - Bewusst SEK-Einsatz provoziert

Borler/Trier · Wegen versuchten Totschlags hat das Landgericht Trier einen 43-Jährigen aus dem Kreis Vulkaneifel zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der Mann hatte nach Ansicht des Gerichts absichtlich den Einsatz eines Spezialeinsatzkommandos provoziert - in der Hoffnung, dabei getötet zu werden. Dann schoss er auf zwei Beamte.

Das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei als Selbstmordwaffe? Unter der Rubrik "ungewöhnliche Fälle" kann die Schwurgerichtskammer die Tat eines 43 Jahre alten Mannes verbuchen, der in der Nacht zum 2. April dieses Jahres rund 40 Polizeibeamte - darunter das SEK aus Mainz - sowie den gesamten kleinen Ort Borler (Verbandsgemeinde Kelberg) in Atem gehalten hatte. Schon am Vortag posaunte der Schrotthändler und ehemalige Fremdenlegionär in dem 70-Einwohner-Dorf herum, dass er einen Amoklauf plane und er dazu den Einsatz des SEK wünsche. Er habe das Leben satt und wolle bei dem Einsatz erschossen werden.

Er hatte die Werbetrommel für seinen Plan nicht umsonst gerührt: Am Abend des 1. April wurde das Haus seiner Mutter, in dem auch er mit seiner Lebensgefährtin wohnte, vom SEK und weiteren nachrückenden Kräften umstellt. Im Haus gegenüber, beim Ortsbürgermeister, richtete sich der Führungsstab ein. Über mehrere Stunden versuchten besonders geschulte Beamte vergebens, Kontakt mit dem Mann aufzunehmen. Zum ersten und im Prinzip einzigen Zwischenfall kam es gegen 22.10 Uhr: Vom Fenster aus gab der Mann einen Schuss in Richtung zweier Beamter ab, die etwa 30 Meter entfernt waren. Das Geschoss aus einem Wehrmachtskarabiner K.98 schlug in den Boden ein, die Männer gingen in Deckung. Doch es war dieser gefährliche Schuss in die Dunkelheit, der dem Angeklagten letztlich den Vorwurf des versuchten Totschlags in zwei Fällen einbrachte.

Um 5 Uhr stürmten die SEK-Leute das Haus. Die Mutter des Mannes und seine Freundin fanden sie äußerlich unverletzt, aber unter Schockeinwirkung. Der 43-Jährige selbst lag in einer Blutlache röchelnd am Boden. Er hatte sich mit einem Trommelrevolver in den Mund geschossen und lebensgefährlich verletzt. Tagelang rang er in der Klinik der Wittlicher Vollzugsanstalt mit dem Tod. Noch heute leidet er unter den Folgen. Im Obergeschoss fand die Polizei ein illegales Waffenlager: vier Gewehre, zwei Trommelrevolver und jede Menge passender Munition.

Angeklagter gesteht

Vor der Trierer Schwurgerichtskammer räumt der Angeklagte den gesamten Tatablauf ein. Seine Aussagen decken sich mit den Angaben der zahlreichen Polizeizeugen.

Aber: War es die Tat eines Geistesgestörten? Ist er schuldunfähig? Nein, sagt der psychiatrische Sachverständige Dr. Ingo Baltes. Er hatte bei dem gelernten Industriekaufmann keine Hinweise auf eine psychische Erkrankung festgestellt, auch kein Alkohol- oder Drogenproblem. Baltes: "Da ist nur eine ausgeprägte Persönlichkeitsstörung, die sich in Narzissmus und Eigenbrötelei ausdrückt, aber noch kein Krankheitsbild zeichnet." Auch die Tat habe er geplant und überlegt ausgeführt.

Staatsanwältin Stefanie Kaluba beantragt wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen und wegen illegalen Waffenbesitzes sechs Jahre Haft. Der Angeklagte habe die Polizisten zwar nicht töten wollen, aber ihren möglichen Tod billigend in Kauf genommen (bedingter Vorsatz). Verteidigerin Martha Schwiering sieht einen minder schweren Fall - wegen der seelischen Tieflage ihres Mandanten zur Tatzeit und der eher geringen Gefährdung der beiden Beamten. Sie bittet um ein milderes Urteil, doch die Entscheidung der Kammer entspricht dem Antrag der Anklage.

Dabei in die Waagschale kommt auch das Vorleben des Angeklagten, der wegen schwerer Delikte schon Jahre seines Lebens in Gefängnissen verbracht hat. Sein bisher dickstes Ding war ein Banküberfall in Aachen, der allerdings scheiterte.

So tritt der aus Adenau stammende Angeklagte seine nächste Haftstrafe an, und die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz gibt ihm noch eine Warnung mit auf den Weg: "Wenn nach Ihrer Haft nochmals eine Sache in dieser Dimension passiert, wird jedes Gericht über eine unbefristete Sicherungsverwahrung nachdenken müssen."

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