"So eine Gasse? Noch nie gehört"

HILLESHEIM.(fs) Ortskundige und vor allem die alteingesessenen Hillesheimer haben für die Neutorstraße eine andere Bezeichnung. Im traditionellen Karnevalslied heißt es, der Rosenmontagzug geht "Vam Butz bes an de Piselsjass". Butz war eine Gastwirtschaft unweit des Bahnhofes, wo man sich traf um durch den Ort zu ziehen und endete in eben dieser Gasse.

Im 13. Jahrhundert bekam "Hildenisheym" eine mauerumwehrte Befestigung, die man durch ein Stadttor betrat. Das Emporkommen des kurtrierischen Marktortes machte den Besitz eines weiteren Tores erforderlich. Die zwölf Meter hohe Mauer mit ihren unregelmäßig gesetzten Bruchsteinen gab bei Überfällen Schutz. Standen Ausbesserungsarbeiten an, weil "ahn ettlichen Stellen verfallen, ahn ettlichen auch sehr bauwfellig und manches über den Hauffen gefallen", dann musste, laut kurfürstlichem Erlass von 1538 aus dem Erlös von zwei Fudern Bannwein-zapf (Steuer) die Stadt " zu der Nutzen Mauern und Türme reparieren." Ochsenkarren und Pferdefuhrwerke hatten in den winkeligen engen Gassen Schwierigkeiten beim Fahren und Wenden. Daher beschlossen Schultheiß und Ratsherren eine weitere Öffnung in die Mauer zu brechen. Eine genaue Jahreszahl dafür liegt nicht vor. So wurde Hillesheim zur Zwei-Tor-Stadt. Ein Erlass sah vor, dass fremde Fuhrwerke vor dem Neutor abgestellt werden mussten, was Knechte wie Herren zum Schwätzchen mit anderen dort Verweilenden zwangsläufig verleitete. Am 1. Dezember 1565 gab Erzbischof Johann VI. von der Leyen "der Stat Hilleßhem Pollecey und Ordnungh", um in und vor der Stadtmauer Gesetzmäßigkeit zu wahren. In den "besiegelden brieffen" von 1348-1419, die Pastor Clais von Muntzeburg und der Burgmann Johann von Eille der Stadt abschriftlich übergaben, ist von dem neuen Tor noch nichts vermerkt. Nachvollziehbar ist, dass Feldarbeit und der Viehaustrieb von Ziegen und Rindern sich problemloser durch das obere Tor gestaltete. Das Neutor an der Grabenstraße/Ecke Burgstraße überdauerte die Jahrhunderte, derweil teilweise die Stadtmauer verfiel. Erst mit der Sanierung und der Verleihung "Europäische Beispielstadt" erfuhr die historische Stadtmauer wieder mehr Beachtung und wurde zum Tourismusmagnet. Josef Meier (92) erinnert sich, dass in seiner Jugendzeit in der Piselsjasse um die fünfzig Kinder wohnten und die Jungen sich besonders zum Raufen stark fühlten. "Wir schlugen uns wie die Kesselflicker am meisten mit den Buchkatern." Die Buchkatern wohnten in Buch, wie die Straßenbezeichnung heute noch heißt. Zu der Gasse gibt es noch eine andere Geschichte: Vor Jahren kam unerwartet Besuch nach Hillesheim. Nur der alte, schwerhörige Onkel saß allein zu Hause. Auf die Frage, wo die anderen denn alle seien, antwortete er: "Die sind bei der Tant in der Piselsjass." Nicht ortskundig, fragten sie dreimal nach der besagten Gasse. Die Zugezogenen oder Unwissenden fühlten sich kräftig auf den Arm genommen und sagten alle: "So eine Gasse? Noch nie gehört."

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