Spiegel des eigenen Denkens

DAUN. (bb) Dem Phänomen "Denglisch", dem gesprochenen deutsch-englischen Sprachmischmasch, widmete sich ein Seminar der Volkshochschule (VHS) Daun unter Leitung von Reinhold Beuthner.

Das ticket für die business-Verbindung in der city night line löst der Kunde beim service point der Bahn AG, als Zugabe erhält er vom train chief einen welcome drink. Wer im postage point der ehemaligen Bundespost ein Päckchen aufgeben will, wird gefragt, ob es über global mail small, large oder medium verschickt werden soll."Vom feeling her ein gutes Gefühl"

Der Bestattungsunternehmer heißt jetzt offiziell funeral master, die jährliche Messe eternity und das neueste, durchgestylte Sargmodell peace box. Und ein bekannter Fußballer sagte jüngst im Interview: "Vom feeling her habe ich ein gutes Gefühl." "Das alles ist kein Witz, sondern die aktuelle Sprachsituation", sagte Reinhard Beuthner in dem VHS-Seminar, bei dem es für den nur kleinen Kreis der Teilnehmer viel zu lernen und viel zu lachen gab. Im Mittelpunkt stand die Flut von Anglizismen, die die deutsche Sprache im Namen der Globalisierung in immer höher werdenden Wellen unter sich begräbt. "Es geht mir nicht um eine reine deutsche Sprache, und ich bin nicht gegen Begriffe wie Baby, Pullover, Hobby und fair, die in unserer Sprache Wurzeln geschlagen haben", betonte der Referent. Gerade im Deutschen habe die Aufnahme fremdsprachiger Begriffe Tradition und mache deren einzigartige Ausdruckskraft aus. Doch was bei der Welle des Lateinischen und Französischen im Rahmen einer natürlichen Entwicklung abgelaufen sei, arte bei der Anglizismus-Welle zu einer traurigen Selbstzerstörung aus. "Im Ausland schüttelt man über Seminare wie dieses den Kopf, für unseren Sprachmischmasch werden wir verspottet, man wirft uns Mangel an Stolz, Würde und Patriotismus vor", sagte Beuthner. Als Wissenschaftssprache sei Deutsch - von den meisten unbemerkt - innerhalb weniger Jahre ohnehin schon bedeutungslos geworden. "Sprache ist Heimat und Identität, ist Spiegel des eigenen Denkens", sagte der Referent. Viele Menschen in Deutschland fühlten sich ausgegrenzt "durch diesen amerikanischen Sirup", der über der deutschen Sprache ausgegossen werde: vor allem Ältere, Ausländer und diejenigen, die keine hinreichenden Englischkenntnisse besitzen, um die ganz oder teilweise in Englisch gegebenen Informationen zu verstehen. Als Strategien schlug Beuthner vor, freundlich nachzufragen ("Können Sie mir das auch auf Deutsch sagen?") oder hartnäckig aufzutreten und für jeden englischsprachigen Begriff eine deutsche Erklärung zu verlangen.Antworten mit frei erfundenen Anglizismen

Beuthner: "Das ist besonders unterhaltsam im Computerladen, im Reisebüro oder beim Telefonat mit Telekom-Mitarbeitern." Er riet zu aggressivem Humor, wenn von tickets ("Haben Sie auch Eintrittskarten?") oder events ("Sie haben mich falsch verstanden, ich möchte zum Konzert!") die Rede sei. Auch die Entgegnung mit frei erfundenen, grotesken Anglizismen sei mitunter reizvoll - etwa wenn im Supermarkt auf die Frage nach der pay-back-card die Rückfrage gestellt werde, ob die customer-card mit discount-chip gemeint sei. Reinhold Beuthner ist Mitglied im Verein Deutsche Sprache (VDS), und das Seminar fand im Rahmen einer Kampagne des VDS mit 30 Volkshochschulen in Rheinland-Pfalz statt. Kontakt: Verein Deutsche Sprache (VDS), Postfach 104128, 44041 Dortmund, Telefon 0231/7948520, Internet: www.vds-ev.de

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