Wenn die Seele ins Taumeln gerät

DAUN. (bb) Anspruchsvolles Thema, fachkundige Referentin, gebannte Zuhörer: Ingrid Richter sprach auf Einladung des Zweigvereins des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB) über das Trauma als Schock und Wunde der Seele.

Für die in Daun lebende und bei der Lebensberatungsstelle des Bistums Trier in Cochem tätige Diplompsychologin und psychologische Therapeutin sind es Beispiele aus ihrem ganz normalen beruflichen Alltag: Eine Familie kommt zur Beratung, Frau und Kinder klagen, dass der Mann und Vater sich immer mehr zurückziehe; diesen wiederum plagen Schlaflosigkeit und Albträume, zwischen den Eheleuten herrscht Funkstille. Oder die junge, glücklich verheiratete Frau, die seit fünf Monaten Mutter eines gesunden Kindes ist und sich nun nach Panikattacken an die Lebensberatung wendet. Schon das erste Gespräch bringt in beiden Fällen traumatische Erlebnisse als Ursachen zu Tage. Der Familienvater war fünf Monate zuvor in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem eine Frau ums Leben kam. Er hatte zwar selbst keine Schuld an dem Unfall, aber das Erlebte geht ihm ständig durch den Kopf: Er ist traumatisiert und braucht Hilfe zur Bewältigung. Das zweite Beispiel: Die junge Mutter hatte als Achtjährige den Vater verloren, und ihre Mutter stand damals wegen höchster persönlicher Betroffenheit für die Tochter emotional nicht zur Verfügung. Jetzt wird sie durch die eigene Mutterrolle von dem Verlust des Vaters zutiefst erschüttert. Sie hat den Schock von damals nicht verarbeitet und leidet an einer posttraumatischen Bela-stungsstörung. Was ein Trauma, was eine posttraumatische Belastungsstörung ist, was sich bei seelischen Verletzungen und extremen Belastungen im Gehirn abspielt, wie unterschiedlich Menschen darauf reagieren, welche Behandlungsformen es gibt: Ingrid Richter ging in ihrem gut strukturierten Vortrag auf diese Fragen ein, erläuterte, dass ein Trauma "ein zutiefst erschütterndes, alles in Frage stellendes Ereignis" ist, nannte Krieg, Katastrophen und kriminelle Handlungen, Verluste und Vernachlässigungen, Krankheiten und Unfälle. "Dies alles hinterlässt tiefe Spuren im Gedächtnis der Betroffenen", sagte sie und bezeichnete als normal, dass die Gefühle, Gedanken und Reaktionen in den ersten zwei bis drei Monaten davon extrem belastet seien. "Wenn Sie selbst betroffen sind: Sprechen Sie darüber! Wenn es Ihnen nahe stehende Menschen betrifft: Hören Sie zu!", riet die Referentin. Ein Trauma sei verarbeitet, wenn es den Betroffenen nicht mehr überflute. Gelinge die Verarbeitung in der ersten Zeit nicht, entwickle sich eine posttraumatische Belastungsstörung, zu deren Symptomen Albträume, Panikattacken, Depressionen oder soziale Isolation zählten. Dass nicht jedes Ereignis bei jedem Menschen zu den gleichen Reaktionen führe, sei von vielen Faktoren abhängig - etwa vom Alter, der Stressfestigkeit oder der religiösen Grundorientierung. "Aber", sagte Ingrid Richter schließlich, "aus jeder schlimmen Erfahrung kann auch Positives entstehen." So schloss sie mit einer Erzählung, an deren Ende es heißt: "Deine Last hat mich stark gemacht."

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