Wenn ein Toiletten-Taucher der Nacht die Stille raubt

TRIER/BITBURG/WITTLICH. Stille Nacht, arbeitsreiche Nacht: In vielen Jobs muss auch am Heiligen Abend rund um die Uhr Dienst geschoben werden. Im Krankenhaus natürlich und auf der Feuerwache, aber auch bei Schlüsseldiensten und an Autobahnraststätten. Wer ran muss, macht es sich so gemütlich wie möglich – oder erwartet einen stressigen Abend voller lustiger, allzu oft aber auch trauriger Begebenheiten.

Wohl dem, der einen Hobbykoch in der Schicht hat. Über Kartoffelsalat mit Bockwürstchen oder Gulaschsuppe sei man bei der Trierer Berufsfeuerwehr längst hinaus, erzählt Wachabteilungsleiter Karl Heinz Palzer. "Bei uns gibt‘s die tollsten Sachen - das ist wie im Dorint-Hotel!" Rehrücken werde da gemeinsam zubereitet oder Wildschwein. "Die Mannschaft sitzt an einer weißen Tafel mit Kerzen." Und die jeweils neuesten Kollegen sorgen für ein kleines Programm aus Vorträgen und Gedichten. Vorausgesetzt natürlich, es geht kein Notruf ein. Wie stehen die Chancen? "Rein statistisch haben wir einen Einsatz pro Tag", sagt Palzer. "Wir sind an Heiligabend aber auch schon drei-, viermal ausgerückt."Benno Schmitz ist sicher, dass er an Heiligabend los muss. "In den letzten Jahren gab es immer Einsätze", sagt der Inhaber der Wasserliescher Firma "Multiservice", die Schlüssel- und Kanalreinigungs-Dienste anbietet. "Da stehen Leute mit ihren Paketen vor der Tür und haben den Schlüssel verloren, oder die Geschenke sind im Keller eingesperrt und das Türschloss streikt." Schmitz musste auch schon ran, weil jemand die Soße des Weihnachtsbratens in den Ausguss gekippt hatte und das erhärtende Fett umgehend das Rohr blockierte. Oder weil Kinder in der Toilette ausprobiert hatten, ob der neue Spielzeugtaucher auch wirklich tauchen kann. Er konnte, und zwar ziemlich tief. Die Familie musste im Vorgarten ihre Geschäfte verrichten, bis Schmitz eintraf. Turbulent wird der Heilige Abend auch für Brigitte Kuhn. Sie ist stellvertretende Leiterin des Lebenshilfe-Wohnheims in Gerolstein und hat am 24. Dezember Nachtdienst. "Zuerst werden die behinderten Menschen schick gemacht, dann decken wir den Tisch schön und essen zusammen", erzählt sie. "Anschließend gibt‘s dann die Bescherung." Ihre Schützlinge freuten sich auch über Kleinigkeiten sehr. "Das macht den Zauber von Weihnachten aus", sagt sie. Traurig, an diesem Abend nicht Zuhause zu sein, ist sie nicht: Das Wohnheim sei für sie wie eine Familie. Und ihr Ehemann komme mit zur Feier.

Auch einigen Kräften an der Autobahn-Tank- und Raststätte Hochwald Ost mache es nichts aus, an Heiligabend zu arbeiten, erzählt die Pächterin. "Junge Leute sind manchmal sogar froh, wenn sie nicht mit ihren Familien feiern müssen." Als Gäste erwartet sie in der Nacht zum Sonntag vor allem Fernfahrer, die es nicht bis nach Hause geschafft haben und ihre Standzeiten einhalten müssen.

Einen ganz anderen Bezug zur Arbeit am Heiligabend hat Bernard Bollig. Er ist Pastor der Bitburger Pfarrei St. Peter. 16 Uhr Kinderkrippenfeier, 18 Uhr Christmette in Bitburg-Erdorf, 22 Uhr Mette in St. Peter - da bleibt geradeso Zeit, zwischendurch mit den Eltern, die zu Besuch kommen, "eine Kleinigkeit" zu essen. Für Bollig ist das kein Stress: "Es macht mir Freude, den Menschen zu sagen, dass Gott Mensch geworden ist, damit die Menschen menschlicher werden. Und dass er gerade in die Nacht, die Not, hinein geboren wurde."

Versöhnung mit Hindernissen

Die frohe Botschaft kommt allerdings nicht überall an. Gerade an Heiligabend werde er immer wieder gerufen, um Wohnungen von Menschen zu öffnen, die sich umgebracht haben, erzählt SchlüsseldienstChef Schmitz.

Meistens jedoch nehmen die Einsätze ein gutes Ende - so wie bei einem Fall in der Eifel, den Schmitz niemals vergessen wird. Ein Elternpaar wollte an Heiligabend den Sohn besuchen, mit dem es Tage zuvor Streit gegeben hatte. Niemand öffnete die erleuchtete Wohnung, die besorgten Eltern riefen riefen Schmitz. Der brach nacheinander Wohnungs, Dielen- und Badezimmertür auf - und fand den jungen Mann zitternd und zum Ausstieg aufs Dach bereit im Fenster. Er hatte über Kopfhörer Musik gehört und das Klingeln nicht wahrgenommen. Als er später merkte, dass sich jemand an seiner Wohnungstür zu schaffen machte, verschanzte er sich aus Angst vor Einbrechern im Bad.

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