Wie weiß wattiert

DAUN/GEROLSTEIN/PRÜM/BITBURG. Schaurig-schön: Manch eine Hecke am Wegesrand ist inzwischen völlig eingesponnen. Unter dem seidigen Gewebe tummeln sich Tausende von Raupen. Keine Gefahr für den Forst, sagen Experten, aber eine für die Obsternte.

Mit einer Mischung aus Faszination und Ekel betrachten Passanten derzeit die "wie von Watte überzogenen Hecken" und das Gewusel im seidigen Gewebe. Vor allem über Schlehen-, Weiß- und Schwarzdornhecken sind zig Tausende Raupen der Gespinstmotte hergefallen. "Es gibt etwa 20 Arten und die Schlehen-Gespinstmotte ist eigentlich die Zwetschgen- oder Traubenkirsch-Gespinstmotte", erklärt Klaus Cölln, Zoologe am Zoologischen Institut der Uni Köln, der seit etlichen Jahren einen Zweitwohnsitz an der Oberen Kyll hat. Von einer Plage will der Wissenschaftler im Zusammenhang mit dem auffällig starken Auftreten der Gespinstmotten allerdings nicht reden. Der Spezialist für Hautflügler, zu denen beispielsweise auch Wespen gehören, sagt: "Das ist nicht besorgniserregend. Es handelt sich eben um einen Massenschmetterling, der sich manchmal einen ganzen Sträucher-Komplex als Wirtspflanze vornimmt." Obwohl den Eifelwäldern eine Insektenplage durch Borkenkäfer droht, gibt auch Martin Manheller, Leiter des Forstamts Hillesheim, in punkto Gespinstmotten Entwarnung: "Für den Forst ist das Aufkommen unbedeutend, auch wenn fast alle Schwarzdornhecken von den Tieren blank gemacht wurden." Allerdings wüsste er nicht, wie sich ein Befall über Jahre hinweg auswirken würde. Seit drei Jahren beobachte er einen immer stärkeren Gespinstmotten-Befall.Null Ernte bei befallenen Obstbäumen

Cölln beruhigt: "Das ist keine Gefahr. Die Natur sorgt für ein Gleichgewicht zwischen Pflanzen und ihren Fressern." Die Untere Landespflegebehörde der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm schließt sich an: "Jährliche Schwankungen bei der Intensität des Schädlingsbefalls sind nicht ungewöhnlich, sondern durchaus natürlich." Die Raupen spinnen sich zum Schutz vor Nässe und ihren Feinden wie Vögeln ein. "Zudem schaffen sie sich in ihren Gespinsten ein wärmeres Mikroklima", erklärt Zoologe Cölln. Unter den schützenden Schleiern fressen die Motten den befallenen Baum oder Strauch dann völlig kahl. Nur die Rinden können sie nicht knacken. Während sich einige Raupen anschließend gut genährt verpuppen, bessern andere entstandene Schäden am Schutzschleier ständig aus. Diese so genannten Wächterraupen ermöglichen ihren Artgenossen das Überleben, nach ihrem Einsatz sterben sie ab. Anfang bis Mitte Juli schlüpfen schließlich die weiß gefärbten und schwarz gepunkteten Falter. Die befallenen Pflanzen treiben noch im gleichen Jahr erneut aus (Johannistrieb). Die unterschiedlichen Motten-Arten suchen sich gezielt ihre Wirtspflanze aus - weil sie nur die Inhaltsstoffe bestimmter Pflanzen genießen können", erklärt der Zoologe. Stehen aber die befallenen Weißdornhecken - wie etwa am Koberg am Ortsrand von Berndorf - unmittelbar neben neu angepflanzten Streuobstwiesen, droht den Obstbäumen Gefahr. Grund: Die Schlehen-Gespinstmotte mag auch Zwetschgen- und Traubenkirsch-Bäume. Eine Motten-Invasion auf Obstbäume komme deshalb schon mal vor. "Und dann tendiert in diesem Jahr die Ernte gegen Null", berichtet Cölln. Sein Tipp an die Obstanbauer: Da der Befall mit lokalen Nestern anfängt, kann man größeren Schaden vermeiden, in dem man den befallenen Ast entfernt. Chemische Keulen seien "absolut nicht notwendig" - auch bei stark befallenen Heckenstreifen nicht. Nach dem Schlüpfen der Falter bleiben als Zeugnis die leeren Gespinste. Cölln beschreibt den natürlichen Kreislauf: "Das ist nichts anderes als ein besonderes Eiweiß. Die Gespinste werden dann von den Vögeln für den Nestbau abgepflückt und was dann noch übrig bleibt, entsorgen die Bakterien."

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