Wohnen "mitten am Rand" "Denkmalpflege darf kein Selbstzweck sein"

Daun · Die Pfarrgemeinde St. Nikolaus hat beschlossen, sich von der Thomas-Morus-Kirche zu trennen (der Trierische Volksfreund berichtete), und zwei junge Dauner Architekten haben auf Eigeninitiative ein Konzept für eine Nutzung des Gotteshauses und der Freiflächen entwickelt. Doch der Denkmalschutz blockiert möglicherweise die Umwandlung.

Daun. "Uns als Architekten gefällt die Thomas-Morus-Kirche sehr gut", sagen Julia Gieseking (40) und Johannes Pflüger (35). Die beiden Architekten stammen aus Daun, arbeiten hier in eigenen Büros, und sie betreiben gemeinsam die "Projektentwicklung BauKultur".
Als die Pfarrgemeinde im November 2013 entscheidet, die Kirche wegen eklatanter baulicher Mängel und zurückgehender Besucherzahlen aufzugeben und sich um eine andere Nutzung zu bemühen, wenden sich Julia Gieseking und Johannes Pflüger an Ludwig Hoffmann als zuständigen Pfarrer und Matthias Brauns als stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrats.
Sie bieten die Entwicklung von Nutzungsmöglichkeiten an - auf Eigeninitiative. Und schauen zunächst, was andere mit aufgegebenen Kirchen gemacht haben. Sie schließen Gemeindezentrum, Raum für Kunst, Konzerthalle, Buchhandlung, Kletterhalle als "eher unwahrscheinlich" für Daun aus. Bester und in Daun benötigter Ansatz und begünstigt durch Lage, Topografie und vorhandene Infrastruktur seien gemischte Wohnformen, betont das Duo im Gespräch mit dem TV.
Respekt vor der Substanz


Mit Respekt vor der Substanz der "wohl komponierten Kubatur" und dem Anspruch, dass der markante Bau vom Ende der 1960er Jahre weiterhin zu erkennen bleibe, entwarfen die beiden Architekten eine multifunktionale Nutzung für die Halle (den jetzigen bestuhlten Bereich, der abgerissen werden soll) der Kirche sowie An- und Neubauten in moderner Gestaltung mit 16 Wohnungen und drei Wohngemeinschaften für acht Personen.
Der Bedarf sei da, es gebe einen Investor sowie Interessenten fürs Wohnen "mitten am Rand", wie Julia Gieseking die 4770 Quadratmeter große Parzelle im Bereich der Berliner/Prümer Straße auf den Punkt bringt. "Wir möchten mit feinem Stift die bestehende Kirche in eine zukunftsorientierte Nutzung transportieren und einbinden, ihren Inhalt wandeln, ihren Wert gleichwohl im Neuen deutlich erkennbar zeigen", beschreibt Johannes Pflüger das Konzept.
"Eine perfekte Diskussionsgrundlage", meint Verwaltungsratsvertreter Brauns. "Das wäre ganz im Sinne der Kirchengemeinde. Wir werden darum streiten und dafür kämpfen, dass der Denkmalschutz nicht zum K.o.-Kriterium für den Verkauf und die angemessene Umnutzung wird", erklärt er. Daun. Der Stadtrat Daun hat sich auf Initiative der CDU-Fraktion mit der möglichen Aufnahme der Thomas-Morus-Kirche in die Denkmalschutzliste befasst und eine Resolution beschlossen. Darin bezweifelt der Rat, dass es sich bei dem Gebäude um ein schützenswertes Denkmal handelt. Er fordert, die städtebauliche Entwicklung wegen einer möglichen Unterschutzstellung nicht zu behindern und auch nicht zu verhindern.
Einige Punkte aus der Resolution: Im Demografie-Projekt "WEGE - Wandel erfolgreich gestalten" der Verbandsgemeinde Daun gehören "Leben im Alter" und "Kinder und Jugendliche" zu den Schwerpunktthemen. Durch die Schaffung eines innerstädtischen Wohnbereichs besonderer Art käme man den Interessen und Anforderungen dieser Personengruppen an die Baugebietsstruktur entgegen, nämlich kurze, überschaubare Wege von den Wohnungen zu den Infrastruktureinrichtungen des privaten und öffentlichen Bereichs.
Pläne für eine städtebauliche Entwicklung sind in Vorbereitung. Konkret wurde bereits auf Grund des Interesses eines Investors geplant, den Kubus der Kirche nach teilweisem Abriss in die Pläne für den Bau altersgerechten Wohnraums einzubeziehen. Nach Bekanntgabe der Bestrebungen, die Kirche unter Denkmalschutz zu stellen, liegen diese Pläne derzeit auf Eis. Der Entwickler und Investor hat bereits ähnliche Projekte gebaut und wäre auch bestrebt, sein Interesse für Daun weiter zu entwickeln. Für eine Nutzung des Kirchengebäudes durch öffentliche oder private Träger ohne Eingriff in die Bausubstanz wird keine Chance gesehen. Größere Räume für kulturelle, gesellige und sportliche Veranstaltungen sind in der Stadt ausreichend vorhanden.
Im WEGE-Prozess ist für die Stadt Daun auch das Ziel ausgegeben worden, bis 2030 bei der Erzeugung von Energie für Strom und Wärme autark zu sein. Die Kirche und das Grundstück eignten sich besonderers, von dort aus ein Nahwärmenetz zu betreiben.
Wenn die Denkmalpflege die Ideen blockieren sollte, sei eine nicht abzusehende negative Entwicklung in diesem Bereich der Stadt zu erwarten. Bei der bereits erfolgten Aufgabe der Kirche ohne eine Folgenutzung würde der Bau dem Verfall preisgegeben. Bereits jetzt sind Teile der Außenanlagen aus Verkehrssicherungsgründen durch "Flatterband" abgetrennt. Bei einer Entwicklung zu einer Ruine wird die Verkehrssicherungspflicht es verlangen, das Gebäude durch Zäune abzuschotten. Das könne und dürfe nicht die Zukunft eines städtischen Raumes sein, in dem sich in benachbarten Tagesstätten und in deren Außenanlagen Kinder aufhalten. Mit einem solchen Szenario einhergehen werde der Werteverfall auch der öffentlichen und privaten Immobilien des Umfeldes. Denkmalpflege kann und darf kein Selbstzweck sein. Sie muss sich einer Güterabwägung konkurrierender Interessen stellen. sts

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort