Alleine schafft man es nicht

Daun · Die Kliniken Daun beteiligen sich am 27. September am bundesweiten Aktionstag gegen Spielsucht. Betroffene erzählen ihre Geschichte.

Daun Dass ihre Sucht in ihrer Kindheit und Jugend begann, dass sie später in Schulden, familiäre und berufliche Probleme und Depressionen rutschten, dass sie heute froh sind, sich schließlich Hilfe gesucht zu haben: Das verbindet die beiden Männer, die zurzeit zur Therapie in der Klinik am Dauner Rosenberg (siehe Hintergrund) sind und nun im TV-Gespräch als Betroffene berichten. Wir nennen sie Oliver D. und Daniel K. - Namen, die frei erfunden sind. Ihre Geschichten sind wahr. Und ähneln wohl in mancher Hinsicht den rund 215 000 krankhaft Glücksspielsüchtigen in Deutschland.
Daniel K. ist 36 Jahre alt und stammt aus Köln. Als 16-Jähriger "schnupperte" er erstmals nach der Schule in einer Spielhalle. Er ging immer wieder hin, große Probleme gab es deshalb nicht. Als der inzwischen 24-jährige gelernte Industriereiniger sich aber nach einem Umzug einsam fühlte, wurde er Stammgast in Spielhallen. Denn hier hatte er Gesellschaft. "Erst spielte ich nur, bis das Geld alle war", erzählt er.
Doch dann vernachlässigte er seine finanziellen Verpflichtungen, zahlte weder Miete noch Strom. Eine Mahnung nach der anderen landete im Briefkasten, immer wieder stand der Gerichtsvollzieher vor der Tür, seine Schulden summierten sich auf 36 000 Euro. Daniel K.s Verlobung platzte, er zog zurück zur Familie.
Das "Spieler-Coming-Out" hatte er schließlich bei seiner Mutter. "Sie hat es wohl geahnt, wollte es aber nicht wahrhaben", meint Daniel K. heute. Sie habe ihn unterstützt und sein Geld eingeteilt.
Er wurde rückfällig. Als er wegen Depressionen zum Arzt ging, gab der ihm den Rat, sich Hilfe wegen der Sucht zu holen. Darüber schüttelt Daniel K. den Kopf: Wie habe das gehen sollen, er sei doch völlig antriebsarm und am Boden zerstört gewesen, räumt er ein. Mehrere Kliniken hätten ihn mit dem Hinweis von mehr als einem Jahr Wartezeit abgewimmelt.
Dass es Suchtberatungsstellen und Fachambulanzen gebe, habe ihm niemand gesagt, bedauert er. Schließlich vermittelte ihm die Rentenkasse einen Platz in der Abteilung Psychosomatik an der Median-Klinik Daun.
Hier absolviert er seit sechs Wochen Einzel- und Gruppentherapie. "Ich habe keinen Suchtdruck, aber ich kämpfe mit meinen Depressionen", erklärt er. Er hoffe, dass er nicht rückfällig werde und nach Abschluss der Therapie "beruflich und familiär einiges ändern" könne. Spielfrei ist Daniel K. seit 14 Monaten.
Oliver D. ist 31 Jahre alt und kommt aus Koblenz. Erst in der Therapie sei ihm bewusst geworden, dass seine "Karriere" als Glücksspielsüchtiger im Alter von zwölf Jahren begonnen habe, erzählt er. Da habe ihm sein Vater bei einer Silvesterfeier in einer Kneipe etwas Kleingeld in die Hand gedrückt und ihn an den Spielautomaten geschickt. Zwischen 300 und 400 Mark habe er für seinen Vater damals abgeräumt, erinnert er sich. Seit er 18 war, spielte er Poker ohne Geldeinsätze, mit 24 leckte er Blut beim Pokern um Geld. "Das hat sich finanziell richtig gelohnt", sagt er mit Blick auf Gewinn von bis zu 800 Prozent.
Der gelernte Einzelhandelskaufmann arbeitete inzwischen als Automobilkaufmann und freier Handelsvertreter in weiteren Branchen. Die Arbeit habe sein Leben aufgefressen, das Glücksspiel sei sein Ventil für alle beruflichen und familiären Probleme gewesen, erläutert der zweifache Vater seinen weiteren Abstieg. Und er sagt: "Leider lief das Glücksspiel eine Zeitlang sehr gut."
Als Oliver D. vor einem Dreivierteljahr nach Wochen in der Psychiatrie an die Kliniken nach Daun kam, war sein Leben im Keller und sein Schuldenstand bei 100 000 Euro.
"Hier läuft es gut", meint er. Inzwischen lebt Oliver D. in einer betreuten Wohngruppe und absolviert zur beruflichen Umorientierung ein Praktikum. Er ist seit knapp einem Jahr spielfrei. "Am liebsten würde ich ganz in der Eifel bleiben", sagt er.
Was Oliver D. außer dem eingangs Erwähnten noch mit Daniel K. verbindet, sind die Appelle an Betroffene: "Holt euch auf jeden Fall Hilfe, denn ihr schafft es nicht allein" und "Nur mit therapeutischer Begleitung lernt ihr, mit der Sucht und dem Stress umzugehen und die Verantwortung für euer Leben zurückzugewinnen."Extra: AKTIONSTAG GEGEN GLÜCKSSPIELSUCHT


(bb) Um auf das Suchtpotential von Glücksspielen aufmerksam zu machen, findet jährlich Ende September der bundesweite Aktionstag gegen Glücksspielsucht statt. In Kooperation mit der Fachstelle Prävention der Glücksspielsucht Rheinland-Pfalz führen die Median-Kliniken Daun erstmals am 27. September eine öffentliche Veranstaltung durch. Sie beginnt um 19 Uhr im Kinopalast Vulkaneifel mit einer von dem Diplom-Sozialarbeiter Dieter Bingel-Schmitz (Median-Kliniken Daun) und Thomas Patzelt (Selbsthilfe-Landesverband "spielfrei 24" Trier) moderierten Gesprächsrunde mit Betroffenen und Therapeuten. Danach wird der Film "Treppe aufwärts" gezeigt. Die Teilnahme ist kostenlos. Kontakt und Info: Dieter Bingel-Schmitz, Telefon: 06592/2011240, E-Mail: dieter.bingel-schmitz@median-kliniken.de ; Andrea Ehses, Telefon: 06592/2011181, E-Mail: andrea.ehses@median-kliniken.de ; Pia Reichard, Telefon: 06592/2011181, E-Mail: pia.reichard@median-kliniken.de ; Dagmar Schweigert, Telefon: 06592/2011180, E-Mail: dagmar.schweigert@median-kliniken.deExtra: MEDIAN-KLINIK DAUN


(bb) Die Median-Klinik Am Rosenberg Daun verfügt als "Verhaltensmedizinisches Zentrum für Seelische Gesundheit" über eine Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen sowie eine Psychosomatische Abteilung mit insgesamt 150 Behandlungsplätzen. Weitere Standorte im Landkreis Vulkaneifel sind die Thommener Höhe bei Darscheid und die Altburg bei Schalkenmehren. An diesen drei Standorten werden pro Jahr etwa 200 Patienten mit Glücksspielsucht behandelt. Somit gehören die Median-Kliniken Daun in Deutschland zu den größten Kliniken mit diesem Behandlungsangebot.Info: Weitere Anlaufstellen

Die Glücksspiel Selbsthilfe Interessengemeinschaft unterhält eine große Datenbank an Kliniken, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen für Spielsüchtige in Deutschland.

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