Alles ist möglich, nur keine Bevormundung

Bahnreaktivierung, Radweg oder nun doch wieder die Draisine: Welche der drei Lösungen für die Bahnstrecke Gerolstein-Prüm hat am ehesten die Chance auf Realisierung? Der TV hat sich beim Stadtbürgermeister und den Fraktionen im Gerolsteiner Stadtrat umgehört.

 Gras und Unkraut statt Züge: Die Fraktionen des Gerolsteiner Stadtrates nehmen Stellung zur Zukunft der Bahnstrecke Gerolstein-Prüm. TV-Foto: Archiv/Mario Hübner

Gras und Unkraut statt Züge: Die Fraktionen des Gerolsteiner Stadtrates nehmen Stellung zur Zukunft der Bahnstrecke Gerolstein-Prüm. TV-Foto: Archiv/Mario Hübner

Gerolstein. Nach dem Vorstoß des Verbandsgemeinderats Gerolstein, der die kommunalen Kosten für eine Reaktivierung der Bahnstrecke übernehmen will, falls sich die Stadt dazu nicht in der Lage sieht, und dem anschließenden Kompetenzstreit (der TV berichtete) haben sich die Wogen wieder geglättet. Bei der denkwürdigen VG-Rats-Sitzung Ende Juni hatte Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz (CDU) die „Einmischung in städtische Angelegenheiten“ scharf verurteilt und angekündigt, dass man sich während der Sommerpause in Ruhe Gedanken machen und danach entscheiden wolle. Am 20. September kommt der in dieser Angelegenheit zuständige Stadtrat erstmals wieder zusammen. Ob dann aber auch bereits über die Zukunft der Strecke entschieden wird, ist eher fraglich.


Auf TV-Anfrage sagte der Stadtbürgermeister, dass „ohne Zeitdruck eine optimale, zukunftsträchtige und mehrheitsfähige Lösung“ gefunden werden soll. Koste es Zeit, wie es wolle. Laut Schwartz wird es in Kürze ein Gespräch mit der Stadt- und Verbandsgemeinde Prüm geben, „und danach sehen wir weiter“. Schließlich verläuft die Strecke größtenteils (15 Kilometer) auf Gebiet der Verbandsgemeinde Prüm. Die restlichen 7,8 Kilometer liegen auf Gerolsteiner Gebiet – genauer: Stadtgebiet.


Dementsprechend sollen auch die Kosten für die Instandsetzung unter den beiden kommunalen Gebietskörperschaften aufgeteilt werden. Nach einer Kalkulation des Unternehmens Vulkaneifelbahn (VEB), das sich für die Reaktivierung der Bahnstrecke stark macht und diese künftig auch betreiben will, wären das für die Verbandsgemeinde Prüm 98000 Euro und die Stadt Gerolstein 52000 Euro. Bei Gesamtinvestitionskosten von 400000 Euro, von denen die VEB ausgeht, sollen 200000 Euro über Landeszuschüsse finanziert werden, mit 50000 Euro will sich die potenzielle Betreiberfirma beteiligen.


Meinungen der Fraktionen des Gerolsteiner Stadtrats:

Monika Neumann, Vorsitzende der CDU-Mehrheitsfraktion im Gerolsteiner Stadtrat sagte auf TV-Anfrage, dass vor einer Entscheidung zunächst die Gespräche mit Prüm abgewartet würden. Dennoch meint sie klipp und klar: „Die Stadt muss selbstbewusst genug sein, in dieser Frage selbst zu entscheiden, schließlich obliegt ihr die Entscheidungshoheit.“ Das „Angebot“ der VG, so Neumann diplomatisch, habe die Fraktion „wohlwollend zur Kenntnis genommen“, schließlich freue man sich grundsätzlich über jeden Zuschuss.

Nicht ganz so sanfte Töne schlägt die WG Möller an. Nach Ansicht von Fraktionssprecher Hans-Joachim Stief ist der Vorstoß des Verbandsgemeinderats „der plumpe Versuch einer Bevormundung des Stadtbürgermeisters und des Stadtrats“. Auch versteht die WG Möller die neuerliche Diskussion nicht, denn „es liegt seit zwei Jahren eine eindeutige Entscheidung des Stadtrates vor“. Stief zitiert aus der entsprechenden Sitzungsniederschrift: „Letztendlich geht es darum, diese Fläche zur Herstellung des Radweges Gerolstein-Prüm zu erwerben.“


Für die WG Möller, die eindeutig für die Radweglösung ist, wäre dieser eine „echte Bereicherung des touristischen Angebots“. Erstens würden so der Kylltalradweg an den in Prüm beginnenden Radweg nach St. Vith in Belgien und an die Radwege entlang der Flussläufe Nims, Prüm und Sauer zur Mosel angebunden, zweitens könnte so der „Ardennenradweg“ von Adenau über Gerolstein nach Prüm realisiert werden, und drittens würde die Strecke Familien sowie Kindern und Jugendlichen aus den Stadtteilen Lissingen, Müllenborn und Oos „endlich die Chance bieten, sicher und zügig mit dem Fahrrad die Kernstadt zu erreichen – zum Beispiel zum Besuch der Sportstätten, des Schwimmbads, der Schulen und des Hauses der Jugend.

Noch nicht festgelegt hat sich die SPD-Fraktion, die nach Worten ihres Vorsitzenden Herbert Lames erst einmal die Gespräche mit Prüm abwarten will, denn wohl erst dann „werden die Weichen gestellt“. „Wir sind offen für alles“, sagte Lames. An eine Entscheidung bereits in der kommenden Stadtratssitzung glaubt er nicht, sie solle „aber hoffentlich noch in diesem Jahr“ gefällt werden. Letztlich hänge vieles davon ab, für welches Vorhaben es welche Zuschüsse gebe. Auf den VG-Vorstoß reagierte aber auch er allergisch: „Die Stadt zu bevormunden. Das kann ja wohl nicht sein.“ Zudem erinnerte Lames daran, dass es der Stadt beim Kauf des Geländes neben der – wie auch immer gearteten – Nutzung der Strecke auch darum ging, den „Gefahrenpunkt am Abzweig in Richtung Müllenborn“ zu entschärfen sowie eine zweite Einfahrt ins Lissinger Neubaugebiet zu schaffen.

Für UWG-Sprecher Dieter Meerfeld hat der Radweg erste Priorität, „damit endlich mal ein Anschluss zwischen Gerolstein und Prüm besteht“. Parallel dazu sollte aber die Bahnstrecke realisiert werden. Kurz und knapp seine weiteren Äußerungen: Die Realisierung solle „so schnell wie möglich“ vonstatten gehen, und vom VG-Vorstoß hält er „nichts, einfach gar nichts“.

Meinung

Ergebnis ist völlig offen

In Sachen Bahnstrecke Gerolstein-Prüm gibt es derzeit nur in einem Punkt eine einhellige Meinung: Die Stadt entscheidet und sonst niemand - lautet die Reaktion auf den Vorstoß des Verbandsgemeinderats Gerolstein. Punkt.

Ob aber die Bahnreaktivierung, der Radweg oder nun doch wieder die Draisinen-Lösung zum Tragen kommt, ist hingegen unklar. War zunächst vom Stadtrat der Radweg als Lösung angedacht (weil ohne Gleise auch leichter die infrastrukturellen Probleme am Abzweig nach Müllenborn und ins Baugebiet Lissingen hätten angepackt werden können), gibt es nun dank des vorliegenden Vulkaneifelbahn-Konzepts auch wieder eine echte Chance für den Bahnbetrieb. Die Draisinen-Idee hingegen war wegen zuletzt mehr Problemen denn Chancen in der Schublade verschwunden. Aber auch sie kann und sollte nun wieder hervorgekramt und diskutiert werden. Denn letztlich wird die Lösung realisiert werden, der erstens zugetraut wird, die meisten Gäste ins Gerolsteiner und Prümer Land zu locken, für die zweitens dementsprechend die meisten Zuschüsse fließen und die drittens finanzierbar bleibt. Ob es daher zu einer Kombi-Lösung kommt, die ideal wäre, ist eher fraglich. Prüfen sollte man auch sie trotzdem.

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