Auf Kommando wach bleiben

Seit dem 11. April gelten nach einer EU-Vorschrift für Bus- und LKW-Fahrer neue Ruhezeiten. Der TV hat sich bei Speditionen im Kreis umgehört, wie sie das neue Gesetz bewerten, und was es für sie bedeutet.

 LKW-Parkplätze wie hier der Rastplatz Eifel werden in Zukunft noch voller werden, wenn mehr Brummis und Fahrer unterwegs sind. TV-Foto: Helmut Gassen

LKW-Parkplätze wie hier der Rastplatz Eifel werden in Zukunft noch voller werden, wenn mehr Brummis und Fahrer unterwegs sind. TV-Foto: Helmut Gassen

Daun/Gerolstein/Walsdorf/ Dockweiler. Die Bibel sagt es schon lange: Am siebten Tage sollst du ruhen. Das hat sich jetzt auch die EU zu Herzen genommen und zur Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr die Lenk- und Ruhezeiten für Bus- und LKW Fahrer drastisch geändert. In der Speditions- und Busbranche herrscht jedoch ein so großer Termindruck, dass Überschreitungen der Fahrzeiten schon normal sind. Zwölf Tage hintereinander durften LKW- und Busfahrer bisher hinter dem Steuer sitzen. Doch es gab in der Branche viele schwarze Schafe, deren Fahrer sogar diese Grenzen noch überschritten - auf Druck ihrer Auftraggeber. Jetzt schiebt die EU mit ihrem neuen Gesetz dieser Praxis einen Riegel vor. Dabei hat sie die Sicherheit im Straßenverkehr im Blick. Die wöchentliche Arbeitszeit wird von bisher 74 Stunden auf maximal 56 Stunden begrenzt. Nach sechs Tagen ist ein Ruhetag vorgesehen. Außerdem müssen sie nun innerhalb von 24 Stunden eine Ruhepause von neun statt bisher acht Stunden einlegen, was Ermüdungserscheinungen verhindern soll. In der Speditionsbranche, die in einem knallharten Wettbewerb steht, kommt das neue Gesetz nicht überall gut an, weil es natürlich die Kosten nach oben treibt. "Dieses neue Gesetz ist total bescheuert, weil die Bedürfnisse des Menschen missachtet werden und der Fahrer nun auf Kommando wach bleiben und fahren muss. Bis jetzt hatte er etwas mehr Freiraum, weil er flexibler war bei der Einhaltung seiner Ruhezeiten. Die Fahrer stehen nach meiner Meinung jetzt noch mehr unter Druck", sagt Speditionschef Hans Ludwig. Fahrer und Spediteure in die Pflicht genommen

Die mittelständisch geprägte Spedition in Dockweiler hat 38 LKW sowie 43 Fahrer und ist zu 90 Prozent innerhalb des Bundesgebietes unterwegs. Was Ludwig zusätzlich aufregt, ist die Tatsache, dass die Auftraggeber nicht gleichzeitig in die Verantwortung genommen werden. "Fahrer und Spediteure werden in die Pflicht genommen, aber wenn die Verlader oder die Lebensmittelhändler nicht mitabladen, wird ein Engpass entstehen bei den Fahrzeugen. Genau in dieser Zeit, wo dann irgendwann mal abgeladen ist, hat der Fahrer im ungünstigsten Fall Feierabend." Das neue Gesetz hat natürlich Auswirkungen auf Preise und Personalbestand. Ludwig erklärt: "Wir werden zehn Fahrer einstellen müssen, aber unsere Kosten werden auch um zehn Prozent steigen. Wir sind jetzt in Verhandlungen mit unseren Kunden, um diese Mehrkosten aufzuschlagen. Anders geht es nicht, weil die Kapitaldecke bei den Speditionen ohnehin dünn ist. Können wir das nicht durchsetzen, wird es uns in absehbarer Zeit nicht mehr geben." Auch Marcel Scheit, Speditionsleiter der Spedition Gräfen Logistik GmbH im Industrie- und Gewerbepark Nerdlen- Kradenbach, ist nicht unbedingt froh über die neue Regelung. "Das neue Gesetz hat zur Folge, dass wir mehr Fahrpersonal benötigen, weil wir für weite Strecken die Fahrzeuge mit zwei Mann besetzen müssen. Wir führen momentan eine Kontrolle durch, wie viele Langstrecken-Touren wir haben. Wir werden aber auf jeden Fall neue Fahrer einstellen müssen." Momentan hat die Spedition rund 50 Fahrzeuge in ihrem Fuhrpark und beschäftigt 70 Fahrer. Kostenmäßig wird das neue EU-Gesetz auch bei der Spedition Gräfen Folgen haben. Scheit: "Wir müssen die Preise erhöhen und die Kosten weitergeben. Denn der zweite Mann kostet Geld, und auch die Fahrzeuge werden länger unterwegs sein müssen." Preiserhöhungen macht der Kunde nicht mit

Mit 18 LKW und 21 Fahrern agiert die Spedition Uwe Ballmann von Walsdorf aus. "Das Gesetz wäre in Ordnung, wenn es für alle gelten würde. So ist es aber schlecht", sagt Uwe Ballmann und spricht damit das Problem zwischen digitaler und normaler Zeiterfassung an. Bei der normalen Zeiterfassung hat der Fahrer mehr "Spielraum", und das wird ausgenutzt. Etwa 30 Prozent aller Tachos in den LKW werden digital erfasst, aber der große Rest hat noch das alte System. Für Uwe Ballmann bedeutet das neue Gesetz rund 10 000 Euro mehr Kosten für drei bis vier neue Fahrer. Zusätzlich will er zwei neue LKW kaufen, "damit ich die Fixkosten hereinbekomme". Im Moment, so Ballmann, seien die Margen im Speditionsgewerbe sowieso gering. "Preiserhöhungen wegen der Mehrkosten durch das neue Gesetz bekomme ich bei den Kunden nicht durch. Die wollen eher noch den Preis drücken." Beim Gerolsteiner Brunnen werden die LKW bereits seit Jahren im Zwei-Schicht-Betrieb mit jeweils zwei Fahrern eingesetzt. "Die Touren sind so gestaltet, dass der LKW innerhalb einer Schicht in Gerolstein zurück ist und vom nächsten Fahrer übernommen wird. Touren, die über die Entfernung einer Schichtphase hinausgehen, werden generell an Dienstleister vergeben", erklärt Pressesprecher Stefan Göbel. Mehr Fahrer will das Unternehmen auch nicht einstellen. "Gefragt sind vielmehr die Speditionsbetriebe, die sich mit intelligenten Konzepten wie Begegnungsverkehr, Bahntransport oder Mehrschichtbetrieb den Herausforderungen stellen müssen", so Göbel. Auch das Gerolsteiner Unternehmen geht durch das neue Gesetz von einem Anstieg der Logistik-Kosten aus. Preiserhöhungen ihrer Produkte seien deswegen aber nicht geplant.

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