Das etwas andere Altenheim: In Pelm packen die Senioren bei der Hausarbeit mit an

Pelm · Im Alter in die WG, selbst wenn die Gesundheit nicht mehr so richtig mitspielt? In der Maternus Hausgemeinschaft St. Christophorus in Pelm wohnen Senioren zusammen. Von den alltäglichen Arbeiten erledigen sie, was sie können und wollen, den Rest übernehmen Pflege- und Hauswirtschaftskräfte. Ein Besuch in der Küche.

 Veronika Meyer schält Kartoffeln für das gemeinsame Mittagessen in der Maternus Hausgemeinschaft St. Christophorus in Pelm. TV-Foto: Christina Libeaux

Veronika Meyer schält Kartoffeln für das gemeinsame Mittagessen in der Maternus Hausgemeinschaft St. Christophorus in Pelm. TV-Foto: Christina Libeaux

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Pelm. Von außen sieht das Haus unscheinbar aus. Zweistöckig, Flachdach, weiß gestrichen. Die extrabreite Eingangstür öffnet sich automatisch. Innen sind die schmalen Flure gelb gestrichen. Und doch will die Maternus Hausgemeinschaft St. Christophorus kein gewöhnliches Pflegeheim sein. Seit 2009 leben die Bewohner hier in einer Hausgemeinschaft, können sich je nach ihren Fähigkeiten und Wünschen in den Alltag einbringen.
Thorsten Hein sitzt in der großen, offenen Küche an einem Tisch. Mit 50 Jahren gehört er zu den jüngsten Bewohnern. Ihm wurde der linke Unterschenkel amputiert. Seit einem dreiviertel Jahr lebt er in der Hausgemeinschaft.
Es ist halb elf. Vor Hein liegt auf einem großen Brett ein Kopf Salat. Eine Frau neben ihm kaut noch am Frühstücksbrot. Danach sammelt er das Grün in einer großen Schüssel und gibt es an Renate Lames weiter, die hier für und mit den Bewohnern kocht.
"Anfangs war es hier schon eine Umstellung für mich wegen des Altersunterschieds", erinnert sich Hein. "Aber inzwischen habe ich mich gut eingewöhnt, oder?" Er blickt zu Lames hoch, die lachend nickt. "Ich versuche auch, mich ein bisschen um die Älteren hier zu kümmern."
Einen Tisch weiter sitzen Maria Thome und Veronika Meyer. Zwischen ihnen steht ein großer Eimer Kartoffeln auf dem Tisch. Wie alt sie genau sind, wissen sie nicht mehr so ganz genau, aber ihr Geburtsjahr, das haben sie noch im Kopf. 1928 beziehungsweise 1923.
Das mit dem Alter ist nicht mehr ganz so einfach. Das mit den Kartoffeln klappt aber wie eh und je. Knolle um Knolle schälen die beiden Frauen, vierteln sie und legen sie in einen zweiten, mit Wasser gefüllten Eimer. "Hand in Hand arbeiten ist am besten, hat schon meine Mutter gesagt", erzählt Thome. "Ich bin wie zuhause hier", freut sie sich.
Fast jeden Tag schneide sie Kartoffeln. Es gefalle ihr, "ein bisschen zu arbeiten". Niemand muss hier mehr machen, als er kann oder will. Auch darauf hat Lames ein Auge. Die fertig geschälten Kartoffeln bringt sie in den Kühlraum. Sie wird sie erst morgen brauchen, wenn es Kartoffel-Zucchini-Suppe gibt. Für heute köchelt auf dem Herd schon die Bolognesesoße. Auch die Salatsoße ist fertig, wartet auf den von Hein geschnittenen Salat.
Gegen elf Uhr hat sich die Küche geleert. Die meisten Bewohner sind auf ihren Zimmern oder im Garten.
Eine Etage höher hingegen, auf der Demenzstation, sitzen die meisten Bewohner noch in der Küche. Das warme Wetter macht ihnen deutlich mehr zu schaffen. Beim Essen kochen wollte und konnte heute keiner helfen. Aber das macht nichts - dafür gibt es die Hauswirtschaftskräfte. Um zwölf Uhr steht das Essen auf dem Tisch und jeder kann zugreifen. Egal, ob er mitgeholfen hat oder nicht.Meinung

Aufgaben machen glücklich
Es ist ein schwerer Schritt, sich im Alter eingestehen zu müssen, dass alleine leben nicht länger möglich ist. Das Konzept in der Pelmer Maternus Hausgemeinschaft St. Christophorus macht diesen Übergang in die Pflege einfacher. Durch das Helfen bei einfachen Hausarbeiten gelingt den Bewohnern der Spagat zwischen Überforderung und dem Gefühl der Nutzlosigkeit. Gerade bei den Frauen sind diese Tätigkeiten in Fleisch und Blut übergegangen, sodass selbst demente Personen hier noch mithelfen können. Wer eine Aufgabe hat - und sei es "nur" das Kartoffeln schälen - ist glücklicher und bleibt länger fit. c.libeaux@volksfreund.deExtra

In der Maternus Hausgemeinschaft St. Christophorus in Pelm leben bis zu 50 Senioren in einer Art Wohngemeinschaft. Sie haben eigene Zimmer, können ihre Zeit aber auch in der gemeinsamen Wohnküche verbringen. Pflegekräfte und Hauswirtschaftskräfte kümmern sich um das Wohlergehen. Dennoch werden die Bewohner ermuntert, im Alltag mitzuhelfen, wenn sie dies können: Wäsche falten oder in der Küche helfen zum Beispiel. Zudem gibt es Freizeitangebote wie Gymnastik, Basteln, gemeinsames Singen oder Ausflüge. cliExtra

Hauswirtschafterin Renate Lames legt Wert darauf, dass in der Hausgemeinschaft immer frisch gekocht wird. "Das hier ist nicht wie in der Großküche!" Zuletzt war das Essen in Alten- und Pflegeheimen wieder in die Kritik geraten, nachdem Medien die Facebook-Beiträge eines Altenheimbewohners aufgriffen, der dort jeden Tag auf Fotos sein Essen zeigte. Die Mahlzeiten sahen meist unappetitlich aus, weil sie püriert wurden, obwohl der Mann keine Schluckbeschwerden hatte. Die Salatbeilagen waren so klein, dass der Mann die Blätter zählte. cli

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