Der Fixstern heißt Bildung

HILLESHEIM/UERSFELD/TANSANIA. Gerade erst aus Tansania zurückgekehrt, wo er sich um Aids-Waisen kümmert, verbringt der Eifeler Anton Lang (64) das Weihnachtsfest zu Hause. In Gedanken ist er aber bei seinen afrikanischen Schützlingen.

Der Traum, zum Weihnachtsfest einen Fußball zu bekommen, erfüllt sich für Joseph aus Moshe in Tansania nicht. Als Aids- Waise lebt er mit seiner Schwester Neema bei einer Tante, die mit zu den Ärmsten der Armen zählt. Die Eltern der Kinder gehörten zur mittleren Generation, die der Immunschwäche zum Opfer fielen. So knüllt Joseph weiterhin gebrauchte Plastiktüten zusammen, bindet sie mit einem Strick zu einem runden Etwas und spielt damit, wie tausend andere, Fußball. Der vergessene Erdteil beginnt sich zu regen. Dazu gehört auch die Begeisterung für die Fußball Weltmeisterschaft 2010 auf ihrem Kontinent. Geschenke werden bei Musik und Tanz verteilt

Die Freude auf das nahende Weihnachtsfest mit geschmücktem Baum und Gottesdienst in der überfüllten Kirche findet auch in Moshe statt. Durch die frühe Missionierung deutscher Katholiken und Lutheraner sind die Unterschiede bei kirchlichen Feiertagen gering, und "Stille Nacht, Heilige Nacht" erklingt dort ebenso inbrünstig wie in Deutschland. Familienangehörige aus aller Welt kehren heim, und die bescheidenen Geschenke, in Glanzpapier eingepackt, werden mit Musik und Tanz verteilt. "Als junger Mensch hatte ich einen Traum und wollte nach Afrika, doch nach dem Studium gründete ich zunächst einmal eine Familie, da blieb kein Raum mehr für meinen Traum, der dennoch weiter in mir schlummerte", berichtet der pensionierte Grundschullehrer und Vater dreier Töchter, Anton Lang (64) aus Uersfeld. Zu Beginn der Adventszeit kam er mit frischen Eindrücken aus Tansania zurück in die Eifel und beeindruckte unter anderem an der Hillesheimer Hauptschule mit seinen Berichten. Dort unterrichtete seine Tochter Eva, die den Kontakt hergestellt hatte. Noch immer weisen die Schwielen an seinen Händen auf die Arbeit beim Kirchenbau in Moshe hin. Für eine Woche Schwerstarbeit von 40 Stunden ohne jegliche maschinelle Hilfe gibt es acht Euro Lohn. "Die reichen gerade einmal für einen Sack Zement", sagt Lang. Die Stadt am Fuße des Kilimandscharo, was in der Landessprache Suhaheli "Berg der Dämonen" heißt, war bereits viermal das Reiseziel von Anton Lang; erstmals im Herbst 2004. Nun steht er wenige Tage nach seiner Heimkehr in der Hillesheimer Hauptschule, erzählt zwei interessierten Klassen seine Erlebnisse und weist auf die 1,1 Millionen Aidswaisen hin, um die sich keiner kümmert. Alle Schüler der Hauptschule beteiligten sich im Herbst bei einem Lauftreff zu Gunsten der Aidswaisen und erzielten über 1500 Euro. Der gesellschaftliche Umbruch zeigt sich nach dem Ausbluten der mittleren Generation nicht nur in den Städten, auch bei dem Hirtenvolk der Massai. Obwohl mehrheitlich Moslems im Lande leben, bemühen sich vermehrt christliche Organisationen um die entwurzelten Jugendlichen. "Sie wollen lesen, schreiben, Englisch lernen, ihr Fixstern heißt Bildung", erläutert der Pensionär die Maximen des neuen Tansanias. Um Aidswaisen den Zugang in die Berufswelt zu erleichtern, gründete er unlängst mit vier afrikanischen Partnern (einem Schulleiter, einem Lehrer, einer Krankenschwester und einem Finanzbeamten) die "Neue Hoffnung für die Armen", eine so genannte NGO (Nicht-Regierungsorganisation). "Wir unterstützen derzeit 110 Aids-Waisen vor allem im teuren schulischen Bereich, stellen qualifizierte Lehrer ein und kümmern uns um eine ausreichende Ernährung und die medizinische Versorgung. Die häuslichen Verhältnisse sind oft erbärmlich. So sind wir beim Kauf von Moskitonetzen, Schlafgelegenheiten und Kleidung behilflich", erzählt Lang. Wenn das Land doch reich an Bodenschätzen sei, warum sind die Leute dann so arm, wollte Maria Eirich aus der Klasse 8 a wissen. Lang berichtete, dass ausländische Firmen das Land und die Bevölkerung seit Beginn der Kolonialzeit ausbeuteten. Vor allem ein fairer Handel mit ihren hochwertigen Erzeugnissen wie Kaffee, Tee und Gewürzen müsste zugestanden werden. "Nicht Almosen, sondern Bildung und gezielte Aufbauarbeit sind wichtig", sagte Lang und fügte hinzu: "Bei meinen Aufenthalten miete ich mich stets in afrikanischen Hotels ein, die sauber sind, schmackhafte Gerichte anbieten und nur den sechsten Teil eines europäisch geführten Hotels kosten." Seine Mitarbeit von fünfzehn Jahren bei "Eine-Welt-Läden" in der Eifel halfen ihm, sein Afrika- Projekt zu verwirklichen. Seine Frau Doris unterstützt ihn, berät ihn und hält auch mit Kritik nicht zurück, wenn Lang mal wieder seine halbjährlichen Reisen (auf eigene Kosten) plant. "Ich bin nicht der Einzige, der hilft, und der die Worte von Bundespräsident Horst Köhler vernommen hat: Afrika brennt, und wir schauen zu." Mit Köhler verbindet ihn die Herkunft aus Oberschlesien, die Flucht und das Ausgegrenztsein in Barackenlagern, woran er ihn bei der Ankunft in Afrika stets erinnert wird. Er betont, dass er im Leben viel Glück hatte, und davon möchte er etwas zurückgeben. Wichtig sei ihm zu zeigen, wie der afrikanische Mensch seinen Alltag gestaltet und meistert, und welche Kraft und Hoffnung in den Kindern ist. Diese Hoffnung gilt es, nicht zu zerstören, sondern zu nähren. Mehr über das Aids-Waisen Projekt in Tansania erfährt man auf der Internetseite www.lang-uersfeld@web.de

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