Des Kaisers Eifeler Spielkameraden

KERPEN. Der Freizeitverein Kerpen besitzt unzählige Schätze, teilweise von internationaler Bedeutung. Vorsitzender Erwin Wirtz würde gerne im ehemaligen Burghotel ein Museum mit vier Fachabteilungen eröffnen. Dafür braucht er allerdings die Unterstützung der Behörden, die um die Besonderheiten wissen, aber kein Geld übrig haben.

Der Kern des Burghotels stammt aus dem Jahr 1820. Hinter den historischen Mauern, die dem Freizeitverein gehören, liegen in der Kerpener Ortsmitte unzählige Unikate im Verborgenen. Auf den ersten Blick wirken die Räume vollgestopft und ohne System. Bücher, Steine, Fossilien, Möbel - das reinste Wirrwarr für den ungeübten Betrachter. Doch Erwin Wirtz bringt bei einer Entdeckungstour viele Raritäten ans Licht. Im Tanzsaal zeigt er stolz das komplette Arbeitszimmer des Eifelmalers Fritz von Wille. Am Sims des Farbenschrankes ist das Kürzel "FvW4" eingeschnitzt. Daneben stehen Feld- und Atelierstaffelei. Wirtz erklärt: "Die Sachen hat er 1911 bei seinem Umzug von Reifferscheid nach Kerpen mitgebracht." Im Raum nebenan liegen Steinelemente der Burg, die nach Wirtz' Schilderung ehemals zu den Kapitellbögen gehörten, die aus dem heutigen Burghof einen riesigen Rittersaal machten. Er nimmt einen würfelförmigen Stein mit "Schnecken-Muster" in die Hand und erklärt: "Das stammt vom Komposit-Kapitell und zeigt korinthische (griechische) sowie ionische (türkische) Herkunft. Der Beweis dafür findet sich auch in der Krypta von Maria Laach von 1120." Auch für den weißen Anstrich der Bögen aus Sandstein, die aus dem Kylltal stammen, hat Wirtz eine Erklärung: "Damit sollten sie wie Marmor aussehen und weithin leuchten." Zur Entdeckungstour gehört auch die riesige Fossiliensammlung, die momentan teilweise als Sonderausstellung bereits zugänglich ist. Verborgen bleibt der Öffentlichkeit aber noch die große Alfred-Andersch-Sammlung und das gigantische Antiquariat mit 40 000 Bänden. Der 68-Jährige holt einen Pappkarton hervor. Darin liegt einer von 670 Bänden des Adelsarchivs derer von Gemmingen von 1760. Daraus ist zu erfahren, dass Johannes Sleidanus (von Schleiden) um 1430 als Hofmeister quasi der Aufpasser der jungen Grafen in Kerpen war. Andere Schriften beweisen, dass die Bedeutung der Kerpener Grafen bis nach Frankreich reichte. Flörchingen in Lothringen gehörte von 1515 bis 1857 zur Kerpener Grafenschaft. Als Spielkameraden von König Franz I., der später Kaiser werden wollte, tummelten sich die jungen Eifeler Adeligen im Elsass herum. Wirtz, studierter Archäologe und lange Jahre in der Wissenschaft tätig, träumt davon, Geschichtsunterricht zu geben. Er kennt unzählige Anekdoten aus den historischen Schriften, die im Original in Kerpen lagern. Dazu gehört auch die Nationalzeitung Berlin. Wirtz greift im Jahrgang 1849 zur Ausgabe vom 16. Mai und liest eine "Fahndungsanzeige" vor, in der Richard Wagner als Revolutionär in Dresden gesucht wurde. Wirtz, völlig gefangen in den Sammlungen des Vereins, sagt: "Ein Museum mit vier Fachabteilung wäre sagenhaft. Dafür bräuchten wir aber Behörden, die das mit uns zusammen ausarbeiten würden." Ortsbürgermeister Rudolf Raetz erklärt: "Die Ansichten über die Pläne zur Realisierung gehen weit zwischen Gemeinde und dem Verein mit Befürworter Wirtz auseinander. Außerdem befürchtet die Gemeinde, dass der Verein nicht über ausreichende Finanzmittel verfügt, die Immobilie in Schuss zu halten." Fernab der Finanzen sieht Raetz sehr wohl die Bedeutung der Sammlungen: "Die Gemeinde kann nur davon profitieren, wenn sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden."Der Wert ist bekannt, doch Geld gibt es nicht

Ähnliches ist aus dem Hillesheimer Rathaus zu hören. Bürgermeisterin Heike Bohn: "Wir versuchen Herrn Wirtz zu helfen und haben schon öfters mit der Kreisverwaltung gesprochen." Diane Lorig, Pressesprecherin der Kreisverwaltung, erklärt: "Die Fülle und Qualität der wertvollen Sammlungen sind uns bekannt, aber eine finanzielle Unterstützung ist wegen des defizitären Haushaltes nicht möglich." Wissenschaftliche Begleitung oder organisatorische Hilfen seien bisher nicht von Wirtz angefragt worden. Die Gemeinde Kerpen bangt deweil, dass langfristig die Sammlungen für die Region verloren gehen könnten. Raetz befürwortet einen runden Tisch mit allen Beteiligten. Die Gemeinde sei für Gespräche offen.

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