"Die zwei Gesichter der Liebe"

NOHN. Die Geschichte von ihrer geplanten Zwangsverheiratung als 15-Jährige und den darauffolgenden schlimmen Ereignissen hat sich in der Eifel und auf dem Balkan zugetragen und ist 1998 als Buch erschienen. Heute lebt Schukrana McFadyen mit ihrer Familie in Nohn (VG Hillesheim). Im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund blickt sie auf die Ereignisse rund um die Buchveröffentlichung zurück und spricht über neue Schreibpläne.

Schukrana McFadyen ist eine attraktive, elegant gekleidete Frau von 36 Jahren. Sie arbeitet als Bürokauffrau in einer Metallwarenfabrik im sechs Kilometer entfernten Gelenberg. Das Haus in einer Seitenstraße von Nohn ist gemütlich und geschmackvoll eingerichtet. Hier lebt sie - seit dem Umzug von Kall/Kreis Euskirchen vor gut zwei Jahren - mit Ehemann Ian und der 19-jährigen Tochter Resmije, die Mina genannt wird und den Beruf der Friseurin lernt, und dem 13-jährigen Sohn Adrian, der sich gerade zum Treffen mit Freunden verabschiedet. Schukrana McFadyen kann wunderbar lachen und lebhaft erzählen. So schön wie jetzt war ihr Leben nicht immer. "Ihr seid komisch", hatten in der Schule die anderen Kinder zu ihr und ihren fünf Geschwistern gesagt. Der Hintergrund: Schukranas Vater kam als Gastarbeiter mit seiner Familie aus dem "tiefsten Balkan" (wo Jugoslawien an Albanien grenzt) nach Deutschland und ließ auch hier die seit Jahrhunderten kaum veränderten Sitten als Maß aller Dinge gelten. Dazu gehörte auch, dass Schukrana im Alter von 15 Jahren mit einem muslimischen Mann aus dem Kosovo verheiratet werden sollte. Verzweifelt lässt sich das Mädchen während eines Jugoslawien-Aufenthalts mit Brahim ein, der verspricht, sie vor der Zwangsheirat zu bewahren. Die beiden heiraten und bekommen eine Tochter. Aber auch Brahim ist von den Traditionen des Balkans geprägt und macht Schukrana das Leben zur Hölle. Er misshandelt und vergewaltigt sie. Als Brahim und seine Familie sie von ihrer Tochter trennen wollen, setzt Schukrana auf abenteuerliche Weise die Scheidung durch und gründet in der Eifel unter auch nicht gerade einfachen Bedingungen eine neue Familie mit dem Schotten Ian McFadyen. Wie ein Kinderspiel klingt dagegen, wie es zu der Buchveröffentlichung über Schukranas schlimmste Jahre kam. Ian McFadyen erfüllte Schukrana zu ihrem 21. Geburtstag einen sehnlichen Wunsch: Er schenkte ihr eine elektrische Schreibmaschine. "Ich wollte tippen. Was lag da näher, als über mein eigenes Leben zu schreiben?", fragt sie und erinnert sich, dass sie regelrecht in ihre Erlebnisse eingesunken sei und beim Schreiben die Welt um sich herum vergessen habe. "Selbst die schmerzhaftesten Dinge aufzuschreiben, tat mir gut," sagt sie. In den folgenden fünf Jahren füllte sie gut 200 Din-A-4-Seiten und legte sie ("für immer, dachte ich") in eine Schublade. Doch ein Zeitungsredakteur erfuhr davon, las das Manuskript in einer Nacht und setzte eine Zusammenfassung in die Zeitung. Ein Verleger meldete sich und bot ihr einen Vertrag an: Erstauflage mit 30 000 Stück. "Weil ich keine Ahnung von solchen Verträgen hatte, rief ich Ralf Kramp an," erzählt Schukrana McFadyen. "Ich kannte ihn nicht, ich wusste nur, dass er schreibt und im Nachbarort wohnt." Er habe ohne Umschweife zum Unterschreiben geraten; dafür sei sie ihm heute noch dankbar. Das Buch erschien 1998, wurde viel beachtet und viel gekauft. Inzwischen liegt es auch in Dänisch und Bulgarisch vor; in Deutschland ist die dritte Auflage auf dem Markt. Es gab Pläne für einen Fernsehfilm, und wieder liegt etwas in Schukrana McFadyens Schublade: das Drehbuch für einen Kinofilm. "Ich denke zurzeit mehr als je zuvor darüber nach, eine Art Fortsetzung zu schreiben", erklärt sie. "Damit möchte ich mich auf die Seite aller unterdrückten Frauen stellen. Heute weiß ich, dass es nicht nur wichtig ist, aus einer solchen Situation herauszukommen, sondern auch darauf ankommt, wie man sein Leben weiterführt." Das Buch "Die zwei Gesichter der Liebe - Zwangsheirat mit 15: Eine junge Frau zwischen den Traditionen des Balkans und des Westens" ist bei Bastei Lübbe (Bergisch-Gladbach) in der Reihe "Erfahrungen" erschienen, hat 316 Seiten und kostet 7,90 Euro.

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