Drahtesel oder "Ferkeltaxis"

Radweg oder doch Bahnverkehr auf der stillgelegten Bahnstrecke Gerolstein-Prüm? Über diese Frage droht sich ein Streit zwischen Verbandsgemeinde und Stadt Gerolstein sowie innerhalb der CDU zu entfachen.

 Kann das Gras weiter ungestört wuchern, oder rollen hier demnächst wieder die Züge? TV-Foto: Mario Hübner

Kann das Gras weiter ungestört wuchern, oder rollen hier demnächst wieder die Züge? TV-Foto: Mario Hübner

Gerolstein. Mit den Worten "Wir wollen ein Signal setzen" begründeten Bürgermeister Matthias Pauly (CDU) und CDU-Fraktionsvorsitzender Klaus Schildgen ihren Vorstoß in der jüngsten Sitzung des Rats der Verbandsgemeinde (VG) Gerolstein, für die Reaktivierung der Bahnstrecke Gerolstein-Prüm zu werben. Und noch mehr: Ihr Vorschlag, die veranschlagten 52 000 Euro Kosten, die bei einer Reaktivierung der Strecke auf die Stadt zukommen würden, selbst zu übernehmen ("falls sich die Stadt dazu nicht in der Lage sieht", so Pauly), wurde mit Ratsmehrheit beschlossen.Doch genau dieser vermeintliche "Geldsegen" verärgerte Stadtbürgermeister Karl-Heinz Schwartz, ebenfalls CDU. Mehrfach wies er darauf hin, dass die Entscheidung "Radweg oder Bahntrasse" allein die Stadt zu treffen habe, diese aber für eine Entscheidungsfindung noch "Zeit und viel mehr Informationen" benötige. Im Herbst werde entschieden.

"Ihr macht die Rechnung ohne den Wirt"

Er sagte - vor allem in Richtung seiner "Parteikollegen": "Anscheinend seid ihr mit eurer Entscheidung schon weiter, aber ich sage euch gleich: Ihr macht die Rechnung ohne den Wirt. Wir bleiben unabhängig und bestimmen über unser Eigentum selber."

Als Pauly, Schildgen, aber auch FWG-Sprecher Klaus-Dieter Peters weitere wohlfeile Argumente für die Bahn-Reaktivierung vorbrachten, platzte Schwartz dann endgültig der Kragen. Resolut sagte er: "Ich finde es ziemlich erschreckend, wie über unsere Köpfe hinweg entschieden werden soll. Das werden wir so nicht stehen lassen. Ein Signal kann auch verfrüht gesendet werden oder auch völlig falsch sein."

Unterstützung erhielt er von Lissingens Ortsvorsteher Rainer Schulte-Loh (SPD), der angesichts der neuen Bahn-Pläne die ebenfalls geplante zweite Anbindung an das Lissinger Baugebiet gefährdet sieht. Er sagte zu Pauly: "Ich würde mich freuen, Herr Vorsitzender, wenn Sie auch einmal ein solches Plädoyer für den Radweg halten würden."

Und während CDU-Sprecher Schildgen die Bahn als "Alleinstellungsmerkmal" bezeichnete, das "viel mehr zieht als irgendein Radweg, von denen es ohnehin genügend gibt", brachte sein SPD-Pendant Heinz Heumann das "hohe finanzielle Folgerisiko" ins Spiel. Schließlich seien die Brücken in Lissingen, Müllenborn und auch Oos "offenkundig sanierungsbedürftig".

Ab Herbst soll es wieder bis Kaisersesch gehen

Die gesamten Investitionskosten für die Reaktivierung bezifferte Pauly mit 400 000 Euro, wovon 200 000 Euro an Landesmitteln zu erwarten seien. Die restlichen 200 000 Euro sollen der Betreiber Vulkan-Eifel-Bahn (50 000 Euro) sowie entsprechend ihres Streckenbesitzes die VG Prüm (15 Kilometer/98 000 Euro) und eben die Stadt Gerolstein (7,8 Kilometer/52 000 Euro) tragen.

Darüber hinaus beschloss der VG-Rat einstimmig (bei zwei Enthaltungen), sich mit 20 000 Euro an der aktuellen Sanierung der Eifelquerbahn zu beteiligen, damit die roten Schienenbusse, die im Volksmund Ferkeltaxis heißen, ab Herbst wieder von Gerolstein bis nach Kaisersesch fahren können. Derzeit fahren sie nur bis Ulmen.

Zu Beginn der Debatte hatte Bürgermeister Pauly die Bedeutung der Bahn für Gerolstein hervorgehoben sowie auf die von der Deutschen Bahn in Aussicht gestellte Sanierung des Bahnhofs Gerolstein in den Jahren 2010 bis 2012 (der TV berichtete) verwiesen. Seine Forderung: Die Stadt solle sich durch eigenes Engagement hervortun und somit positive Entwicklungen im Bereich Bahn "forcieren". Als konkrete Beispiele nannte er den Kauf und die Sanierung des Bahnhofsgebäudes ("zu einem attraktiven Eingangstor in die Stadt") und eben die Reaktivierung der Bahnstrecke Gerolstein-Prüm.

Meinung

Unerwünschte Einmischung

Der von der CDU-Mehrheitsfraktion getragene und von CDU-Bürgermeister Pauly vorgetragene Vorstoß, die stillgelegte Bahnlinie Gerolstein-Prüm für eine Probezeit von drei Jahren zu reaktivieren, stößt bei der Stadt offenkundig auf Verärgerung. Besonders weil die VG bereits mit dem unsittlichen Angebot aufwartet, die Finanzierung zu übernehmen - falls sich die Stadt dazu nicht in der Lage sehe. Die Wut ist gut nachzuvollziehen, schließlich gehören die Gleise der Stadt, und daher hat sie auch die Entscheidungsgewalt darüber, was mit ihnen passieren soll. Pikant wird die Angelegenheit aber nicht nur wegen des Einmischens, sondern weil sich darüber auch ein innerparteilicher Streit zu entfachen droht. Denn Stadtbürgermeister Schwartz gehört bekanntermaßen auch der CDU an. Doch ihm ist offenkundig seine von den Wählern übertragene Aufgabe, zum Wohle der Stadt zu agieren, wichtiger als politische Zugehörigkeit. Und das ist gut so! Die spannende Frage in nächster Zeit wird sein: Werden das die anderen CDU-Stadtratsmitglieder für sich genau so sehen und ihre Entscheidung "Radweg oder Bahnverkehr" unbeeinflusst von innerparteilichen Begehren und der Lobby-Arbeit von Vulkaneifelbahn-Chef Petry nach freiem Gewissen fällen? m.huebner@volksfreund.de

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