Dudenverlag zieht die Reißleine

Wiesbaum/Darscheid · Jahrelang war die in Wiesbaum ansässige WKV Direktvertriebsservice GmbH für den Vertrieb von Büchern aus dem Hause Bertelsmann und Duden zuständig. Nun ist beim Amtsgericht Wittlich ein Insolvenzantrag für das Wiesbaumer Unternehmen gestellt worden. 97 Mitarbeiter sind davon betroffen.

Wiesbaum/Darscheid. "Das ganze System muss man erst einmal verstehen", sagt der Dauner Rechtsanwalt Hans-Albrecht Brauer, der nach eigenen Angaben derzeit damit beschäftigt ist, sich einen Überblick zu verschaffen. Brauer wurde kürzlich vom Amtgericht Wittlich zum vorläufigen Insolvenzverwalter der Wiesbaumer WKV Direktvertriebsservice GmbH ernannt, nachdem zuvor ein Insolvenzantrag gestellt worden war.
Rund zehn Jahre hat WKV für die Bertelsmann-Tochter InmediaOne den Vertrieb von Büchern übernommen. Nach Beendigung dieser Geschäftsbeziehung Ende 2012 war der Direktvertrieb zuletzt für das Bibliographische Institut tätig. Der Verlag mit Sitz in Berlin ist unter anderem Herausgeber des Dudens. Dann wurde Insolvenzantrag gestellt.
Nach TV-Informationen handelt es sich bei dem Antragsteller um das Bibliografische Institut.
Was genau der Grund für den Insolvenzantrag sei und um welches Ausmaß der Zahlungsunfähigkeit es dabei gehe, dazu will sich Insolvenzverwalter Brauer derzeit nicht äußern. Doch wie er erklärt, sei durch die Zusammenarbeit mit nur einem großen Lieferanten für das Unternehmen WKV ein nicht ganz unproblematisches Abhängigkeitsverhältnis entstanden. "Der Direktvertrieb hat einen Lieferanten, mit dem er nicht übereingekommen ist", sagt Brauer und fügt hinzu: "und einen sehr speziellen Kundenkreis." Speziell deshalb, weil die Kunden in der Vergangenheit auf eine Art und Weise gewonnen wurden, die datenschutzrechtlich äußerst umstritten ist.
Die zunächst von InmediaOne beauftragte WKV Direktvertriebsservice GmbH war nämlich auch für die Beschaffung von Adressen zuständig. Dafür wurden bundesweit in Schulen Gutscheine für Bücher (zum Beispiel Kinder Brockhaus) an die Schüler verteilt. Um ein Buch gratis zu bekommen, mussten Eltern den Gutschein mit Name, Adresse und Telefonnummer ausfüllen. Auf diese Weise kam inmediaOne mit Hilfe der WKV Direktvertriebsservice GmbH schließlich an die Telefonnummern, sodass nun Handelsvertreter mit weiteren Produkten aus dem Hause Bertelsmann auf die Gutscheinnutzer angesetzt wurden. Die 97 WKV-Angestellten, die laut Brauer aufgrund der Insolvenz nun von der (vorläufigen) Schließung des Unternehmens betroffen sind, waren also überwiegend Call-Center-Mitarbeiter. Wie der Rechtsanwalt erklärt, sei den Mitarbeitern der beiden Call-Center in Halle und Saarbrücken fristgerecht gekündigt worden. In der Wiesbaumer Zentrale hingegen seien die Angestellten nur freigestellt worden, sodass sie Anspruch auf Insolvenzgeld hätten. Allerdings betreffe die Freistellung derzeit auch nur die Mitarbeiter des dortigen Call-Centers, da zur buchhalterischen und technischen Abwicklung des weiteren Betriebs während der vorläufigen Insolvenz die dafür zuständigen Angestellten weiterhin benötigt würden. Mit rund 1500 Quadratmetern Betriebsfläche ist der WKV Direktvertrieb der mit Abstand größte Mieter des Gründerzentrums Higis in Wiesbaum. "Für uns kam der Insolvenzantrag völlig überraschend", sagt Higis-Geschäftsführer Stefan Mertes, dem zunächst nichts anderes übrig bleibt als abzuwarten. "Wir beobachten die Entwicklung", sagt der Higis-Chef. Und dann müsse man weitersehen.
Ob das Insolvenzverfahren tatsächlich eröffnet wird und wie es dann mit dem vor 14 Jahren gegründeten und einst erfolgreichen Unternehmen weitergehen wird, muss sich zeigen. Rechtsanwalt Brauer geht davon aus, dass eine Antwort darauf Mitte Mai zu erwarten ist.

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