Einheimische und Journalisten begeben sich in Birresborn auf Spurensuche in die Vergangenheit

Birresborn · Wie verändert sich ein Dorf im Lauf der Jahrzehnte? Dazu haben sich in Birresborn die Fotografen Hans und Sven Nieder, der Schriftsteller Christian Humberg (der den Text verfasst hat) und ein Fernsehteam so ihre Gedanken gemacht und dieses dokumentiert.

 Dreharbeiten vor den Eishöhlen bei Birresborn ...

Dreharbeiten vor den Eishöhlen bei Birresborn ...

Foto: Sven Nieder (e_gero )

Frühnebel hängt zwischen den Basaltfelsen vor den Birresborner Eishöhlen. Erste Vögel zwitschern, und auf den Farnen glänzt Reif im Schein der Morgensonne. Meine Schuhe stehen im Matsch. Es ist herrlich ruhig im Wald. "Und bitte!", ruft Uwe, der Kameramann, plötzlich - und zur Morgensonne gesellt sich auch der Schein eines Scheinwerfers.

Die Kamera läuft. Sven Nieder, Fotograf und Mastermind des emsigen Eifelbildverlags, und ich schlendern drehbuchgemäß los, über den feuchten Waldboden auf den Eingang der Höhlen zu. Bloß nicht in die Kamera gucken, denke ich noch, dann sind wir auch schon an ihr vorbei. Es ist Dienstagmorgen, und alles ist anders, denn obwohl wir die Eishöhlen seit Kindertagen in- und auswendig kennen, besuchen wir sie heute nicht nur als heimkehrende Birresborner, sondern vor allem beruflich.

Der Filmemacher Paul Weber, ursprünglich aus Wallersheim stammend, arbeitet für das SWR-Fernsehen an einem Dokumentarfilm über dörfliches Leben und dörflichen Wandel in Rheinland-Pfalz. Und er hat meinen alten Freund und Kollegen Sven und mich - den aus der Welt zurückgekommenen Fotografen, Schriftsteller und Erfinder der "Sagenhaft Eifel!"-Romane - eingeladen, zu den Schauplätzen unserer gemeinsamen Jugend zu gehen und von früher und heute zu erzählen. Von dem Gefühl Heimat, dem Leben in (und nach) der Qualitätsprovinz, von der Natur und der Nostalgie. Birresborn, betrachtet durch unsere ganz eigene Linse. Wir geben unser Bestes, und wir kommen ganz schön herum: Paul und sein Team standen dank uns schon auf dem Gipfel des Goldbergs, am Ufer der Kyll, tranken aus der frischen Lindenquelle und übten sich am Tresen des Hotel zur Krone im Eifler Platt - stets mit offenem Mikrofon, mit laufender Aufnahme.

Wir drehen. Zwei Tage darf ich die Produktion begleiten, durch die Gegenwart und in die Erinnerung. Sven und ich haben keinen blassen Schimmer, wie viele unserer Szenen es letzten Endes überhaupt in den Dokumentarfilm schaffen, der Ende Oktober ausgestrahlt werden soll und der noch viele weitere Protagonisten haben wird - aus Birresborn und von anderswo. Aber wir geben auch im fünften Versuch, nach "Zu schlechtes Licht, sorry" und "Muss noch mal, war zu dumpfer Ton", einmal mehr alles, was wir an Herzblut aufbringen können. Damit die Aufnahmen gelingen. Und vor allem: damit Pauls Kamera versteht, was Birresborn bedeutet.

Es ist ein absolut surreales, absolut wunderbares Gefühl, der Welt die eigene Heimat vorstellen zu dürfen. Paul Webers Drehplan bringt uns an Orte zurück, die wir seit Jahrzehnten kennen und vor allem in jungen Jahren für völlig normal gehalten haben. Für gegeben, mitunter vielleicht sogar für langweilig alltäglich. Erst jetzt, dank erfahrungsbedingtem Abstand und auch dank des begeistert staunenden Kamerateams im Rücken, begreifen wir wirklich, wie besonders sie sind. Und hier - umgeben von Scheinwerfern, Mikrofonen und Kameras - staunen auch wir. Die Steine da unter dem Efeu, die Grillhütte hier über dem Ort, die Brücke hinten am Bahnhof - sie alle wirken erstaunlich deutlich nach, in unseren kreativen Arbeiten, unseren Geschichten, unseren Bildern.
Weber nickt seinem Kameramann zu. Seine Szene ist im Kasten. Er will weiterziehen, der nächsten Einstellung entgegen, den Archiven des Fotostudios Nieder und den Büros des Eifelbildverlags. "Schön hier!", ruft er zufrieden in die Runde. "Und: Danke."

Ich trete zu ihm. Auf einmal habe ich wieder vier Jahrzehnte Erinnerungsgeschichten im Gepäck und den Kopf voll Heimat. "Nein", sage ich leise, und ich sehe Paul an, dass er mich versteht. "Ich danke dir." Christian Humberg
Die Dokumentation über Birresborn und zwei weitere Dörfer in Rheinland-Pfalz feiert am Sonntag, 30. Oktober 2016, um 20.15 Uhr im SWR-Fernsehen Rheinland-Pfalz Premiere. Interessierte sind eingeladen, ihn dann gemeinsam mit den "Birresborner Protagonisten" beim kostenlosen Public Viewing im Hotel zur Krone, Mürlenbacher Straße, anzuschauen.Extra

 ... und im Inneren. Fotos (2): Hans Nieder

... und im Inneren. Fotos (2): Hans Nieder

Foto: Sven Nieder (e_gero )

Der gebürtige Birresborner Christian Humberg (40) ist Schriftsteller (vor allem Fantasie-Geschichten), hat sein Büro in Mainz, verbringt aber nach wie vor viel Zeit in seinem Heimatdorf. Im vergangenen Jahr hat er bei der Frankfurter Buchmesse einen Publikumspreis gewonnen. Für Aufsehen hat auch sein Buch "Der alte Mann und das Netz" gesorgt. Darin beschreibt er, wie sein Vater Horst Humberg die Welt des Internets entdeckt. flor

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