"Es werden noch mehr Köpfe rollen"

Ärger um die Großbaustelle in der Sarresdorfer Straße: Einigen Mitarbeitern aus Anlieger-Geschäften ist wegen der vermeintlich eklatanten Umsatzeinbrüche gekündigt worden. Der ein oder andere Unternehmer droht gar mit weiteren Entlassungen, obwohl alle Geschäfte erreichbar sind. Derweil will die Baufirma künftig auch samstags arbeiten, um die Bauzeit zu verkürzen.

 Nach sechs Wochen Bauzeit stehen nicht nur Bagger auf der Straße – auch Mitarbeiter der anliegenden Geschäfte. Wegen der Großbaustelle und ausbleibender Kunden in der Sarresdorfer Straße hat es bereits Entlassungen gegeben. TV-Foto: Gabi Vogelsberg

Nach sechs Wochen Bauzeit stehen nicht nur Bagger auf der Straße – auch Mitarbeiter der anliegenden Geschäfte. Wegen der Großbaustelle und ausbleibender Kunden in der Sarresdorfer Straße hat es bereits Entlassungen gegeben. TV-Foto: Gabi Vogelsberg

Gerolstein. Seit Ende Juli knattern die Baumaschinen in der großen Einfallstraße, an der zahlreiche Geschäfte, Arztpraxen und die Berufsschule liegen. Ein Jahr soll es dauern, bis der 1100 Meter lange Straßenzug erneuert ist. Für die 15 000 Fahrzeuge, die die Sarresdorfer Straße üblicherweise pro Tag passieren, wurde teilweise eine großzügige Umleitung eingerichtet. Aus Richtung Prüm ist Einbahn-Verkehr. "Aber die wichtigste Botschaft ist, dass alle Geschäfte erreichbar sind", sagt Robert Simon vom Landesbetrieb Mobilität (LBM).Manch ein Unternehmer bangt um seine Existenz

Nach Auskunft etlicher Geschäftsleute bleiben trotzdem viele Kunden aus. In einigen Geschäften werden bis zu 50 Prozent Umsatzeinbußen beklagt. Martin Bechtel, Inhaber der großen Waschstraße "Waterworld", sagt: "Einen Mitarbeiter, den ich erst im Mai eingestellt habe, habe ich deshalb zum 31. August wieder entlassen, einem anderen zum 31. Oktober gekündigt."Bechtel, der "Waterworld" vor zwei Jahren aus defizitären Verhältnissen übernommen und mittlerweile gut aufgestellt hat, bangt um seine Existenz. Er sagt: "Seit die Umleitungsschilder aufgestellt wurden, ist hier alles tot. Es wird auch nach der Bauphase lange dauern, bis alles wieder in Gang kommt." Er ist verärgert über die Planer: "170 Arbeitstage sind ein Witz. Es ginge auch schneller, die sollen alle mal endlich richtig Gas geben!"Die Bauzeit von einem Jahr wird von allen Anliegern moniert. Heinz Röhl, Chef vom Schuhparadies, meint: "Es könnte wesentlich schneller gehen." Heinz-Josef Wirfs vom gleichnamigen Auto-Geschäft wettert: "Beim LBM sind Theoretiker am Werk. Da sind die Fehler in der Bauzeitplanung gemacht worden." Außerdem seien die Anlieger erst nach Baubeginn zum ersten Gespräch eingeladen worden.LBM-Mann Simon kontert: "170 Arbeitstage für 1100 Meter Straßenausbau sind knapp kalkuliert." Er bedauert die Entlassungen, sagt aber auch: "Wir tun alles, damit jeder Laden erreichbar ist. Es ist schade, dass die Kunden sofort woanders hinfahren, wenn sie ein Baustellenschild sehen."In einigen Betrieben, die Filialen haben, wird noch mit der Personaleinteilung "jongliert". Röhl hat sieben "Schuhparadies"-Läden in der Region. Er sagt: "Wir bauen Überstunden ab. Aber bleibt es bei 35 Prozent Umsatzrückgang, sind Entlassungen nicht ausgeschlossen."Nach seiner Beobachtung profitiert auch die Innenstadt nicht von der Großbaustelle in der Sarresdorfer Straße - zumindest nicht in seiner Filiale.Die Forderungen der Anlieger nach mehr Bauarbeitern hat Simon weitergegeben. Wolfgang Meier, Geschäftsführer der Baufirma Reichle, erklärt: "Wir behandeln diese Baustelle bevorzugt. Außerdem versuchen wir, nun auch samstags zu arbeiten." Die Baustelle sei ordentlich mit Personal besetzt, was an dem guten Arbeitsfortschritt zu erkennen sei. Das sehen die Anlieger anders. So sollen an den vergangenen zwei Samstagen lediglich die Pflaster-Kolonnen auf der Baustelle gewesen sein und die Bagger stillgestanden haben. "Waterworld"-Chef Bechtel prognostiziert: "Wenn es so weitergeht, rollen noch mehr Köpfe, und bis Bauende stehen bis zu 40 Leute auf der Straße."Im September soll eine Straßenseite asphaltiert sein. Simon rechnet ab Mitte Oktober mit dem "Seitenwechsel. Der weitere Baufortschritt hängt jedoch maßgeblich von der Witterung ab. Für die 1300 Schüler der Berufsschule hat die Baustelle kaum Nachteile. Schulleiter Heinz Brauns sagte: "Es gab kein Chaos. Die Parkschwierigkeiten waren nach dem ersten Tag beseitigt." Alles laufe erstaunlich störungsfrei. Meinung Durchhalten und draufhalten Dass die Großbaustelle Sarresdorf für keinen der Beteiligten ein Zuckerschlecken wird, dürfte jedem bewusst gewesen sein. Dass Straße und Gehwege sanierungsbedürftig waren, ist auch unstrittig. Und dass die Anlieger, Kunden, Schüler, Passanten und Verkehrsteilnehmer von der neu gestalteten Einkaufsmeile profitieren werden, ist ebenfalls klar. Dass aber die Kunden wegen der Baustelle in Scharen ausbleiben, war nicht vorhersehbar. Machen kann man kaum etwas dagegen. Daher gilt die Parole: Durchhalten! Die Kunden sollten sich durch die Baustelle nicht entmutigen lassen, ihre gewohnten Einkäufe auf Sarresdorf zu tätigen, und die Unternehmer sollten dies dadurch belohnen, dass sie ihre Leute nicht entlassen, sondern nach intelligenten Zwischenlösungen suchen - wie dies bereits vereinzelt geschieht. Und für die Baufirma gilt: Draufhalten! m.huebner@volksfreund.de

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