Für die Steine noch mal auf die Schulbank

KERPEN. Seit zehn Jahren ist Revierförster Horst Bürgel pensioniert. Von Ruhestand kann allerdings keine Rede sein, den der rüstige Rentner kümmert sich nach wie vor intensiv um alles, was in "seinem" Wald geschieht.

Die Urkunde über dem Schreibtisch sagt viel aus über den Menschen Horst Bürgel. Das Werkstattbüro, wie der pensionierte Revierförster sein ehemaliges Dienstzimmer bezeichnet, spiegelt die große Naturverbundenheit wider. "Für Verdienste um den Wald und ökologische Bemühungen in der Gemeinde Kerpen von 1960 - 1989" wurde er vom Ortsbürgermeister Rätz mit der Auszeichnung geehrt. Stets unterwegs, um Neues zu erforschen, das hält den Pensionär (75) auf Trab, wie er versichert. Dieses Jahr gelang ihm erstmalig, die Bocksriemenzunge (Himantoglossum hircinum) auf Kalkmagerrasen ausfindig zu machen. "Ein Exemplar von ungewöhnlich kräftigem Wuchs, was der anhaltenden Hitzeperiode in diesem Sommer zu verdanken ist", erzählt er und zeigt ein Foto dieser Rarität in Nahaufnahme. Den Fundort verschweigt er geflissentlich. Die bis zu 90 Zentimeter hohe und ausdauernde Orchidee wird durch Insekten bestäubt, blüht in den Monaten Mai und Juni und ist vom Aussterben bedroht. Floramäßig, so hat er in seinem langen Berufsleben erfahren müssen, gingen bereits viele Exemplare verloren. Allgemein wachsen auf Eifeler Kalkmagerböden über 40 Pflanzenarten auf einem Quadratmeter. Bei der Eröffnung des ersten Abschnittes des Geo-Pfades durch die VG Hillesheim Mitte der 80er- Jahre fragte der Naturkundler: "Und wer soll die wunderbar gestalteten Tafeln erklären? Dafür müssen Leute ausgebildet werden." Revierförster Horst Bürgel war einer der ersten, der Flora, Fauna und Steine auf dem Pfad erläutern konnte. Seit Jahrzehnten führt er bis zu zwölf Mal im Jahr Bewohner des Schullandheimes der Burg Kerpen durch Wald und Wiesen. "Nur mit den Steinen, den Fossilien und dem Vulkanismus, da musste ich noch mal die Schulbank drücken und war begeistert und zugleich überrascht, was die Eifel davon zu bieten hat." Die Funde in Feld und Flur an Steinen interessierten die Kinder und Jugendlichen am meisten, berichtet er. Wanderführer wurden auf dem neuen Geo-Pfad gebraucht. Ohne Vorbildung oder Interessenlage, betont er, war die allumfassende Materie von Geologie, Fauna, Flora, Ökologie und kulturellen Aspekten schwerlich zu bewältigen. Dazu als oberstes Gebot vor einer Wanderung die beabsichtigte Strecke abzugehen, denn in der Vegetationszeit verändert der Pflanzenzuwachs das Bild. Die ersten Begleiter des neu geschaffenen geologischen Lehr- und Wanderpfades erhielten von ihm Grundlagen, um Führungen zu leiten. Noch heute sind Sprüche von ihm bekannt, wie er scherzeshalber und doch ernsthaft unangebrachte Kleidung anprangerte. Frauen mit Ballerinaschuhen begrüßte Horst Bürgel stets mit Blick auf die Füße: "Sie sind ja exzellent gekleidet." Der 1888 gegründete Eifelverein konnte für sich in Anspruch nehmen, Vorreiter von geführten Wanderungen zu sein. "Doch die dienten vornehmlich der Gesundheit und noch mehr der Geselligkeit", berichtet der rüstige Pensionär. Mitte der 90er-Jahre wurde erstmals über die Kreisgrenze hinaus für die geologisch interessanten Gebiete Nachwuchs ausgebildet. Referenten namhafter Institute und Universitäten reisten aus ganz Deutschland an, um die kleine Schar in Theorie und Praxis zu schulen. Um schon im Kindesalter Neugier auf die Welt, in der sie leben, zu wecken, erklärte sich Horst Bürgel kürzlich bereit, in Kindergärten für die Vorschulkinder Jahreszeitenwanderungen durchzuführen. "Die sind ja so begeisterungsfähig, ich sehe das an unseren Enkelsöhnen, und kommen mit Fragen, die mir zeigen, auf dem richtigen Weg zu sein", weiß er lebhaft zu berichten. Zu zählen sind die Wanderungen, die er leitete, nicht mehr. Ein ständig wachsendes Denkmal, das "Horst Bürgel-Distrikt", zeigt, wie umweltbewusstes Handeln zum Erfolg führt.

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