"Gerolstein ist in vielerlei Hinsicht besonders"

Gerolstein · Der mit drei Millionen Euro veranschlagte Umbau der Kyll in Gerolstein, der vom Land mit 90 Prozent bezuschusst wird, sorgt seit zweieinhalb Jahren für Diskussionen und Streit in den städtischen Gremien. Erst ging es um Kostenüberschreitung, nun um Vertragsangelegenheiten. In der heutigen Stadtratssitzung ist das Projekt, das kurz vor dem Baustart steht, erneut Thema.

 An der Kyll in Gerolstein, wo bereits gerodet wurde, soll unter anderem ein Wasserspielplatz entstehen. Nach Ostern ist Baustart. TV-Fotos: Mario Hübner (2)

An der Kyll in Gerolstein, wo bereits gerodet wurde, soll unter anderem ein Wasserspielplatz entstehen. Nach Ostern ist Baustart. TV-Fotos: Mario Hübner (2)

Foto: Mario Hübner (mh) ("TV-Upload H?bner"

Gerolstein. Das Planungsbüro Reihsner aus Wittlich, das viel Erfahrung im Wasserbau hat, ist von der Stadt Gerolstein schon früh beauftragt worden, den Kyll- umbau zu planen. Erst später und auf Nachfrage stellte sich heraus, dass das Büro einen Generalauftrag hat, der auch die Durchführung und Bauleitung vorsieht. Grünen-Stadtrat Tim Steen kritisiert dies, da dies nicht durch Ratsbeschlüsse gedeckt sei. Stadt- und Verwaltungsspitze weisen die Kritik zurück (siehe Zweittext). Im TV-Interview bezieht Geschäftsführer Udo Reihsner Stellung zum Projekt und den Diskussionen.

Ordnen Sie das Gerolstein Projekt Stadt im Fluss ein: Ist es Standard oder besonders hochwertig?
Reihsner: Gerolstein ist ein hochwertiges Projekt: wegen der Länge von drei Kilometern, wegen der vielfältigen Nutzungsansprüche und wegen des Volumens von drei Millionen Euro.

Um das Projekt wurde und wird viel diskutiert - ist das bei ähnlichen Vorhaben genauso?
Reihsner: Nein, auch da ist Gerolstein besonders. Also, quasi in vielerlei Hinsicht. Wir haben derzeit ein ähnliches Projekt in Wittlich an der Lieser. Da haben wir diese Diskussionen nicht.

Herrscht bei Ihnen noch Freude oder mehr Frust über das Projekt?
Reihsner: Ich habe immer noch Spaß an dem Projekt - nicht durchgehend, aber wenn wir wieder einmal einen kleinen Schritt vorankommen, wie jetzt bei der Auswahl der Steine, dann freut mich das. Es ist halt mein Kind. Höchste Zeit, dass wir jetzt anfangen, damit die Leute sehen, dass da etwas passiert, das zur Verschönerung beiträgt.

Es wurde vor allem über die Kostenüberschreitung bereits beim ersten Bauabschnitt diskutiert. Das ist ja wohl nachvollziehbar.
Reihsner: Zu den Kosten ist Folgendes zu sagen: Um an Fördermittel zu kommen, mussten wir die besagten drei Millionen Euro für das Gesamtprojekt dem Ministerium nennen, bevor es eine Planung gab.

Also nur eine Hausnummer?
Reihsner: Genau. Das Ministerium hat von uns eine Aufstellung bekommen, was in Gerolstein möglich ist. Aber eben noch ohne konkrete Planung. Für den ersten Bauabschnitt haben wir dafür grob eine Million Euro angesetzt. Als dann der Ministeriumsvertreter gefragt hat, ob es dabei bleibt, habe ich ihm geantwortet: Nein, es geht um drei Millionen Euro - für drei Bauabschnitte. Daraufhin meinte er, das sei okay. Wäre ich bei der einen Million geblieben, hätte es nur die als Förderung gegeben. Wir sprechen hier von einem Projekt, das zu 90 Prozent gefördert wird. An der Stadt bleiben nur zehn Prozent hängen. Und die Stadt bekommt dafür einen hohen Gegenwert.

Die drei Millionen Euro als Maximum stehen aber, oder?
Reihsner: Es ist ein Richtwert, von dem es Abweichungen geben kann. Wir haben jetzt den Auftrag bekommen, aufzustellen, was im zweiten und dritten Bauabschnitt auf uns zukommen kann. Da es im Bereich des Gerolsteiner Brunnens für uns wohl nur noch um Hochwasserschutz geht, da das Areal anderweitig geplant und mit anderen Mitteln gefördert wird, fallen viele gestalterische Komponenten weg.
Kritisiert wird auch - vor allem vom Grünen-Stadtratsmitglied Tim Steen - dass mit Ihnen ein Stufenvertrag bis zur Bauausführung und Bauüberwachung aller drei Abschnitte geschlossen wurde, ohne dass dies durch Stadtratsbeschlüsse gedeckt worden sei. Was sagen Sie dazu?
Reihsner: Noch unter Stadtbürgermeister Bernd May und Bauamtsleiter Klaus Jansen wurden die Weichen für das Projekt gestellt. Das war 2013. Zu diesem Zeitpunkt wurde bereits über den möglichen Gesamtumfang gesprochen.

Wurde damals gesagt: Erstmal nur bis zur Genehmigungsplanung oder ging es da schon bis zur Ausführungsplanung und vielleicht sogar um das Bahnhofsumfeld?
Reihsner: Für mich als Planer ist klar: Dass, was ich plane, will ich auch bauen. Es wurde vonseiten der Stadt gesagt: Wir beauftragen bis zur Genehmigungsplanung, und wenn die Genehmigung erteilt ist, können wir Planer weitermachen. Das steht üblicherweise so im Vertrag drin.

Gab es davor einen neuen Ratsbeschluss über die Erweiterung Ihres Auftrags?
Reihsner: Wir haben von vornherein einen Vertragsentwurf vorgelegt, in dem alle Schritte drin waren. Danach werden bei Weiterführung des Projekts die nächsten Leistungsstufen automatisch abgerufen. Ich als Planer prüfe nicht, ob unsere Verträge durch Ratsbeschlüsse legitimiert sind. Das übersteigt meine Kompetenz.

Sie haben einen Vertrag bis zur Fertigstellung des Projekts, und der ist von Stadtbürgermeister Bongartz unterzeichnet, richtig?
Reihsner: Ja.

Wie viel Honorar erhalten Sie fürs Gesamtprojekt?
Reihsner: Das habe ich noch nicht ausgerechnet. Letztlich hängt das davon ab, was wirklich realisiert wird. Für den ersten Abschnitt wissen wir es. Da sind es 170 000 Euro.

Das ist viel Geld, fürs Gesamtprojekt wird es entsprechend mehr. In der Stadt werden daher bereits Stimmen laut, man möge doch mit dem Planungsbüro nachverhandeln. Sind Sie dazu bereit?
Reihsner: Normalerweise würde dieses Projekt wegen der vielfältigen Anforderungen in die Honorarzone IV von VI eingeordnet werden. Je höher die Zone, desto teurer die Planung. Das macht 15 bis 20 Prozent mehr aus. Ich bin der Stadt bewusst entgegengekommen und habe es in Honorarzone III eingeordnet.

Wieso verzichten Sie auf Geld, das Ihnen zusteht? Muss man sich Sorgen machen?
Reihsner: Wir sind der Stadt entgegengekommen, da davon auszugehen war, dass wir nicht nur die ersten Stufen planen, sondern dass das Projekt für uns auch weitergeht. Natürlich verdienen wir auch so noch Geld damit. Wenn ich aber im Vorfeld gewusst hätte, mit welchem Ärger das Projekt verbunden ist, hätte ich vielleicht doch besser die Honorarstufe IV angestrebt. Als kleinen Ausgleich.

Haben Sie zusätzlich den Auftrag von der Stadt erhalten, auch die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes zu planen?
Reihsner: Nein, wir haben der Stadt nur den Vorschlag unterbreitet, kostenlos dafür einen Vorentwurf zu erstellen. Das steht im Vertrag drin, die Stadt ist aber nicht daran gebunden. Aus planerische Sicht macht es aber Sinn, dass Bahnhofsvorplatz und Kyllareal aus einem Guss geplant werden. Die Stadt wäre schlecht beraten, wenn sie nicht so viel des Bahnhofsvorplatzes wie möglich im Rahmen des Kyllumbaus realisieren würde. Nirgends sonst gibt es auch nur annähernd eine 90-prozentige Förderung. Und wir haben beim Ministerium bereits abgeklopft, dass dort einige Dinge einbezogen werden können - zum Beispiel den Parkplatz, weil der als Retentionsraum für die Kyll dient.

Der symbolische Spatenstich fürs Kyllprojekt war 2015, außer der Rodung ist nichts Sichtbares passiert. Wo steht das Projekt?
Reihsner: Wir stehen kurz vor dem Baubeginn. Die Entscheidung, welche Steinmaterialien verbaut werden, ist gefallen. Wir hätten auch schon angefangen, wenn wir in den vergangenen Wochen nicht die Hochwassersituation gehabt hätten. Wir beginnen im Stadtpark auf der Seite der Bahn, wo wir ja eine kleine Strandbucht mit Sitzmöglichkeiten herstellen. Dann geht es in Richtung Spielplatz, wo ein Spielbereich für Kinder mit Flachwasserzonen, Rinnen und Pumpen gebaut wird, zudem kommt das Betonbauwerk am Rathaus weg und wird durch Natursteintreppen ersetzt. Auch ein Naturwassertretbecken wird dort gebaut.

Wird der erste Bauabschnitt dieses Jahr fertiggestellt?
Reihsner: Falls wir von Wetterkapriolen verschont werden, kriegen wir das bis zum Spätsommer/Herbst hin.

Was denken Sie, werden die Gerolsteiner sagen, wenn der erste Bauabschnitt fertiggestellt ist?
Reihsner: Ich hoffe, dass sie sagen "Ein tolles Projekt". Und dass der Stadtpark wieder aktiv genutzt und im Sommer für Familien ein beliebter Aufenthaltsort wird. Und wenn sich in der Nähe noch ein Café ansiedeln würde, wäre das sehr wünschenswert.Extra

"Gerolstein ist in vielerlei Hinsicht besonders"
Foto: ARRAY(0xb28ea068)
 Auch das unansehnliche Betonbauwerk, wo sich oft Enten breitmachen, soll bald verschwinden.

Auch das unansehnliche Betonbauwerk, wo sich oft Enten breitmachen, soll bald verschwinden.

Foto: Mario Hübner (mh) ("TV-Upload H?bner"

Udo Reihsner (60) ist seit 1986 Partner im Ingenieurbüro Max&Reihsner in Wittlich. Seit 2000 ist er alleiniger Firmeninhaber und Chef von 17 Angestellten. Das Büro ist tätig im Bereich Statik, Straßenbau und Kanalisierung und im Wasserbau, wo es inzwischen rund 50 Vorhaben im Bereich der Gewässerrenaturierungspro-gramme Aktion blau und Aktion blau plus geplant hat. Fünf Mitarbeiter sind mit dem Projekt "Stadt im Fluss" in Gerolstein befasst. Udo Reihsner ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und ist Ortsvorsteher des Wittlicher Stadtteils Neuerburg. mh

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