Karriereplanung mit Leichenwagen

BERLIN/ÜXHEIM-HEYROTH. Heyroth für Rheinland-Pfalz: Kalle (Arnoldy), 35-jähriger Mitbewohner in der Künstlerkolonie von Thomas D., vertritt das Bundesland beim von Stefan Raab zum dritten Mal veranstalteten Bundesvision Song Contest (Buvisoco). Mit seinem Reggae-Song "Aber nice", seiner lockeren Art und einer bunten Band will er den Titel nach Rheinland-Pfalz holen – und so Nachfolger von "Juli" und "Seed" werden.

 "Aber nice" ist nicht nur der Titel, mit dem Kalle (35) aus Heyroth den von Stefan Raab organisierten Grand Prix der Bundesländer für Rheinland-Pfalz gewinnen will. Es wird auch das Motto seines bunten Auftritts am Freitagabend in Berlin sein. TV-Foto: Mario Hübner

"Aber nice" ist nicht nur der Titel, mit dem Kalle (35) aus Heyroth den von Stefan Raab organisierten Grand Prix der Bundesländer für Rheinland-Pfalz gewinnen will. Es wird auch das Motto seines bunten Auftritts am Freitagabend in Berlin sein. TV-Foto: Mario Hübner

Das Lied, oder zumindest der Refrain, hat Ohrwurmcharakter. Es könnte also klappen beim Grand Prix der Bundesländer. Im typischen Reggae-Stil - auf keinen Fall zu schnell, aber mit einem angenehm-durchdringenden Rhythmus - mahnt Kalle zu Gelassenheit: "Aber nice, aber nice, aber nice, aber nice!" Was, frei übersetzt, so viel heißen könnte wie: Immer locker und schön auf dem Teppich bleiben. Unterstützt wird er dabei von einem respektablen Background-Chor sowie einer mit Bläsern (unter anderem Thomas D.) besetzten Band. Ein Lied für 30 Grad im Schatten

Aber eigentlich ist das alles nur nebensächlich, denn es ist weniger der (für einen Reggae-Song immer noch eher ungewöhnliche deutsche) Text als das Gefühl des Liedes, das einen einnimmt - und für die so oftmals beschworenen "good vibrations" sorgt. Das kommt vor allem im Sommer bei 30 Grad im Schatten gut, wenn es ohnehin nicht mehr so hektisch zugeht. Doch auch im Eifel-Winter verströmt es eine angenehme Wärme. Dabei ist Kalle, ein gebürtiger Kölner, den es vor drei Jahren aufs Land gezogen hat und der sich auf die Geburt seiner ersten Tochter in den nächsten Wochen freut, alles andere als oberflächlich. Vielmehr ein interessierter Zuhörer und interessanter Gesprächspartner. Und vor allem mit einer ebenso brachialen wie entwaffnenden Offenheit ausgestattet. Da geht's rasch zur Sache. "Eigentlich bin ich gar kein Musiker, ich beherrsche zumindest kein Instrument", sagt er unumwunden und erzählt, dass er vor etwa drei Jahren begonnen habe, elektronische Musik am Computer zu machen. "Ich kann auch nicht singen", bekennt er ebenso offen - und man ist geneigt, den sympathischen 35-Jährigen in Schutz zu nehmen und zu erwidern, dass das mit dem Sangestalent im Pop-Geschäft ja ohnehin eher eine Seltenheit sei. Doch damit nicht genug. Im Verlauf des Gesprächs berichtet er, dass er und die Band die einzigen der 16 Teilnehmer seien, die nicht von einer Plattenfirma ins Rennen geschickt und demnach auch großzügig gesponsert würden. Quasi ein Wettstreit David gegen viele Goliaths. "Ich bin total blank", gibt er eine weitere Kostprobe seiner Offenheit und berichtet von "einer ziemlich stressigen Zeit" in den vergangenen zwei, drei Monaten. Denn wo andere die Werbung in eigener Sache von einem großen Konzern abgenommen bekamen, "haben wir quasi nur das Internet und unsere eigenen Connections in Musikerkreisen". CD aufnehmen und pressen lassen, Covergestaltung, Merchandising, Vertrieb, Treffen und Auftritte - alles musste selbst organisiert und finanziert werden. Da sei es schon sehr hilfreich gewesen, dass die Tofu-Firma Viana aus dem benachbarten Wiesbaum die CD in den rund 300 Bioläden in Deutschland, wo sie auch ihre Produkte vertreibt, auslegt, berichtet Kalle. Und das ist kein Zufall, schließlich ernährt sich Kalle seit sechs Jahren vegan (also komplett ohne tierische Produkte) und ist daher auch "Großkunde" bei besagter Firma und befreundet mit Inhaber Bernd Drosihn, selbst Veganer. Und der gelernte Metallbauer, der auch als Bühnenbauer arbeitet, für Spezialeffekte für Film, Fernsehen und Theater sorgt und Musikvideos für andere dreht, ist durchaus optimistisch. Dabeisein ist für ihn - Lockerheit hin oder her - "schön, aber nicht alles". "Es haben schon so viele Musiker gesagt, dass der Song nicht nur gut, sondern ein Knaller ist. Und auch dem Raab hat er gut gefallen. Sonst wären wir ja wohl kaum eingeladen worden", sagt er und hofft, mit dem Auftritt Werbung in eigener Sache machen zu können. Denn das Lied ist nur ein Titel auf der neuen Mars-Musik (so wird die Künstler-Kolonie in Heyroth genannt), die Ende dieses Jahres herausgebracht werden soll - nach zwei bereits erschienenen CDs. Und falls er wirklich gewinnt? "Umso besser. Ich freue mich jedenfalls auf den Auftritt und muss heute noch grinsen, wenn ich an den Song denke." Sagt's, packt Sachen in sein Auto (einen Leichenwagen) und macht sich auf nach Berlin.

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