Kasse gibt nach TV-Bericht nach - 92-Jährige aus der Vulkaneifel bekommt Pflegegeld

Duppach · Nachdem die Krankenkasse der 92-jährigen Gerda Luthardt aus Duppach (Landkreis Vulkaneifel) den Antrag auf Pflegestufe I nicht bewilligt hatte, legten Nachbarn Widerspruch ein. Ein neues Gutachten bescheinigt nun ihre Hilfsbedürftigkeit. Der Trierische Volksfreund hatte über den Fall berichtete. Daraufhin gab es viele Hilfsangebote für die 92-Jährige.

Seit einem Krankenhausaufenthalt im Dezember des vergangenen Jahres ist Gerda Luthardt auf den Rollator angewiesen - die Beine der 92-Jährigen wollen nicht mehr so richtig. Die Folge: Sie kann das Schlaf- und Badezimmer im oberen Stockwerk ihres Hauses nicht mehr aus eigener Kraft erreichen. Monatelang schläft sie auf einem Notbett im Wohnzimmer, die tägliche Körperpflege findet in der Küche statt. Die alte Dame beschließt einen Pflegedienst in Anspruch zu nehmen und beantragt dafür finanzielle Unterstützung bei ihrer Krankenkasse.

Nach einer ersten Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK), wird ihr Antrag abgelehnt - sie muss die Pflege aus eigener Tasche bezahlen. "Eine untragbare Situation", sagen Angelika und Peter Selenka aus Duppach, die sich seit langem gemeinsam mit dem Nachbarn Helmut Lamberty um Gerda Luthardt kümmern.

Kurz bevor die Seniorin den Pflegedienst, der rund 900 Euro im Monat kostet, wieder abbestellt, reichen sie gemeinsam einen Widerspruch bei der Krankenkasse ein und informieren den Trierischen Volksfreund . Nach dem Bericht rollt eine Welle der Hilfsbereitschaft an: "So viele Leute haben bei mir angerufen, um mich zu unterstützen", freut sich Gerda Luthardt. "Etliche haben praktische Hilfe angeboten." Es seien aber auch wertvolle Tipps dabei gewesen, wie sie sich gegen den abgelehnten Antrag wehren könne. In der Redaktion des Trierischen Volksfreunds melden sich weitere Menschen, die in einer ähnlichen Lage stecken - und Rechtsanwältin Ingeborg Grub aus Trier. Die Juristin kennt sich mit der Rechtslage bestens aus. "Frau Grub hat uns sehr geholfen", sagt Peter Selenka.

"Uns war beim ersten Gutachten nicht bewusst, dass wir um jede Minute, die zur Pflege von Frau Luthardt aufgewendet wird, kämpfen müssen." Denn die Beurteilung, ob die Pflegestufe I gegeben ist, richtet sich nach strengen zeitlichen Vorgaben. Für die Hilfe beim Aufstehen, Anziehen, bei der körperlichen Pflege und weiterem Bedarf an Grundpflegeleistungen müssen täglich mindestens 46 Minuten aufgewendet werden.

Der Widerspruch der Seniorin und ihrer Unterstützer hat Erfolg: Erneut kommt der MDK, um ein Gutachten zu erstellen. "Diesmal waren wir sprichwörtlich mit der Stoppuhr dabei", sagt Selenka. Das Ergebnis: Frau Luthardt liegt über dem Bedarf von 46 Minuten. Damit ist der Antrag auf die Pflegestufe I erfolgreich und die Krankenkasse erstattet die Hälfte der Kosten für den Pflegedienst. "Und das sogar rückwirkend", freut sich die Seniorin. Sie hat nun auch die Chance, Beihilfe für einen Treppenlift zu erhalten, damit sie ihr Schlaf- und das Badezimmer erreichen kann. "Dann habe ich endlich mein Leben zurück." Auch die Unterstützer sind glücklich: "Happy End in Duppach", sagt Peter Selenka.Meinung

Unwürdiges Prozedere
Von Mario Hübner

Eine Seniorin lässt sich nicht hängen, sondern kämpft, um solange wie möglich selbstständig zu bleiben und in ihrem Haus weiterleben zu können. Eine vorbildliche Einstellung und ein Gewinn sowohl für die alte Dame (die sich zuhause viel wohler fühlt als im Heim) und den Staat (der so sehr viel Geld spart). Doch dann geht es nicht mehr so richtig und die Dame bittet um Hilfe. Etwas Hilfe, damit sie auch weiterhin ihr Leben selbst bestreiten kann. Und bekommt diese verwehrt. Begründung: Sie ist noch zu fit! Erst nach großem öffentlichen Aufschrei wird der "Fall" nochmals verhandelt. Und diesmal wird der 92-Jährigen die offenkundige Hilfsbedürftigkeit attestiert. Und das auch nur, weil sich Freunde und Nachbarn um die Dame rührend gekümmert und sich zuvor fachmännischen Rat eingeholt haben - was ebenfalls eher die Ausnahme ist.

Hilfe erst im zweiten Anlauf und nur mit öffentlichem Druck und anwaltlicher Unterstützung? Wie viele alte Menschen können im ach so vorbildlichen Sozialstaat Deutschland darauf hoffen? Ein Prozent der Betroffenen, vielleicht zwei?

Dies darf nie und nimmer das Prozedere bei der Frage sein, ob ein alter Mensch staatliche Unterstützung bekommt oder nicht! Weder aus moralischer noch aus juristischer Sicht. Denn die Würde des Menschen ist auch im Alter unantastbar. m.huebner@volksfreund.de

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