Marilyn Monroes Gehirnvolumen

Seit ihrer Gründung vor 40 Jahren setzt sich die Lebenshilfe Kreisvereinigung Daun für behinderte Menschen und ihre Angehörigen ein. Daran erinnert der Verein im Laufe des Jubiläumsjahres mit einer Veranstaltungsreihe, in deren Rahmen der renommierte Humangenetiker Wolfram Henn vom Universitätsklinikum Homburg/Saar jetzt in den Westeifel Werken Gerolstein einen viel beachteten Vortrag über den Mythos von den "guten" Genen hielt.

 Diskussion nach dem Vortrag: Wolfram Henn (links) mit Karl-Heinz Thommes (Mitte) und Gerd Disch. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Diskussion nach dem Vortrag: Wolfram Henn (links) mit Karl-Heinz Thommes (Mitte) und Gerd Disch. TV-Foto: Brigitte Bettscheider

Gerolstein/Daun. (bb) Üblicherweise sind Studenten, Wissenschaftler und Experten aus der Medizin und der Humangenetik das Auditorium von Professor Henn. Der 46-Jährige wird viel zitiert, schreibt Aufsätze und Bücher, ist ein gefragter Interviewpartner und Referent. Heute sind seine Zuhörer rund 100 mit der Lebenshilfe und den Westeifel Werken (WEW) Verbundene - als Haupt- und Ehrenamtliche, als langjährige Wegbereiter und Wegbegleiter, als betroffene Eltern, als Freunde und Förderer. Mit ihnen unternimmt Henn einen Streifzug durch die Genetik. Er hält den Vortrag wissenschaftlich fundiert und gut verständlich gleichermaßen. Er spricht über Krankheiten, Defekte und Behinderungen. Er widerlegt diskriminierende Gedankengänge mit verblüffenden (und zuweilen humorvollen) Bemerkungen wie: "In Pakistan leben auch grünäugige, hellhäutige Menschen" und "Marilyn Monroe hatte 210 Gramm mehr Gehirnvolumen als Albert Einstein."Zum Auftakt hatte Wolfram Henn mit Fotografien von besonders großen und besonders kleinen Erwachsenen deutlich gemacht: "Unterschiede faszinieren uns." Am Ende zitierte er Richard von Weizsäcker: "Es ist normal, verschieden zu sein." Seine "harten Fakten" waren, dass der Mensch wie alle Lebewesen den Gesetzen der Evolution unterworfen ist, dass der Mensch sich durch Missachtung anderer Lebewesen schadet, dass die Würde des Menschen nicht durch besondere genetische Eigenschaften definierbar ist. "Behindert, das ist nur ein Etikett", sagte er. Und: "Ob eine Familie mit einem behinderten Kind unglücklich oder glücklich ist, liegt an der Familie, nicht an dem Kind." Henn, der die genetische Beratungsstelle der Universität des Saarlandes leitet, sprach auch über die zwiespältige Entwicklung in der Akzeptanz von behinderten Kindern. Einerseits habe sich deren Lebensqualität enorm verbessert; andererseits beobachte er die zunehmende Sorge und Unsicherheit von Eltern behinderter Kinder, die sich mit dem Hinweis auf die Fruchtwasseruntersuchung während der Schwangerschaft und - bei medizinischer Indikation - der damit verbundenen Freigabe der Abtreibung in die Enge gedrängt und diskriminierenden Bemerkungen ausgesetzt fühlten.An diesem Punkt setzte auch WEW-Geschäftsführer Ferdinand Niesen in seinem Dankeswort an seinen Freund Wolfram Henn an. Akzeptanz, Toleranz und Integration hätten sich in der Tat verbessert, sagte Niesen. "Aber wir sind noch lange nicht am Ziel." Das Schlusswort im Namen der Lebenshilfe sagte Schatzmeister Werner Rätz: "Wir danken Ihnen für den ebenso kurzweiligen wie interessanten Vortrag." Dieser Meinung waren auch Ursula Bermes-Reif und Alois Reif aus Pelm. Im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund sagte das Elternpaar von zwei Kindern, die bei der zur WEW gehörenden Europäischen Werkstätten-Cooperation (EuWeCo) beschäftigt sind: "Es war ein fundierter Vortrag, dem auch wir als Laien gut folgen konnten. Wir sind dankbar, dass wir Gelegenheit hatten, eine Kapazität wie Professor Henn hier in Gerolstein zu hören."Der Vortrag von Henn beruht auf seiner aktuellen Buchveröffentlichung mit dem Titel: "Warum Frauen nicht schwach, Schwarze nicht dumm und Behinderte nicht arm dran sind" (Herder Verlag).Die Veranstaltungsreihe "40 Jahre Lebenshilfe Kreisvereinigung Daun" wird am Sonntag, 9. September, fortgesetzt. Um 19 Uhr gibt der Musikverein Daun unter der Leitung von Christoph Neumann ein Benefizkonzert im Saal des Seniorenhauses Regina Protmann in Daun. Die Schirmherrschaft hat Landrat Heinz Onnertz.

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