Mit der Kamera auf Pirsch durch Deutschland

Tondorf · Vor seine Kamera hat Tierfilmer Andreas Kieling Gorillas, Grizzlys und Krokodile bekommen. Aber auch vor der Haustür begibt er sich auf Streifzüge durch die Natur. Gerade befindet er sich auf seiner zweiten Deutschland-Expedition.

Tondorf. Für den bekannten Tierfilmer und Abenteurer An dreas Kieling aus Hümmel (Kreis Ahrweiler) ist nach eigenen Worten die Zeit reif, "etwas über Deutschland zu machen". Im vergangenen Jahr hatte "Das grüne Band", eine im Fernsehen gezeigte Wanderung entlang der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze mit seiner vierbeinigen Freundin, der Jagdhündin Cleo, geradezu heftige und positive Zuschauerreaktionen hervorgerufen. So wird er demnächst über diese Erfahrungen ein Buch herausbringen.

Generell seien Wahrnehmung und Interesse an Deutschland wieder viel größer geworden, sagt Kieling. Das sei wohl zum einen auf wirtschaftliche Gründe, jedoch zum anderen wieder auf eine Rückbesinnung auf Dinge, die sich vor der Haustür abspielten, zurückzuführen. Obwohl Kieling seine spektakulären Tierfilme in fernen exotischen Ländern dreht, steht für ihn fest: "Naturschutz sollte sich nicht nur auf Afrika oder exotische Länder beziehen."

Mit Hündin Cleo auf Inventur in der Natur



Er verstehe seine Aufgabe als Tierfilmer auch dahingehend, das Verständnis für die Natur allgemein dem Zuschauer oder Leser näherzubringen.

Für ihn ist es daher Zeit, eine Inventur der Natur in deutschen Landen aufzunehmen. So begibt er sich seit einigen Monaten, zumeist wieder in Begleitung seiner Hündin Cleo, einem überaus begabten Fährtenhund, auf Foto- und Film-Pirsch, um festzustellen: "Wie wild ist Deutschland?" Und er hat viel entdeckt dabei: "Wir sind nicht nur ein Land der Rückkehrer für Wolf, Luchs oder sogar (Problem-)Bär", stellt er fest. "Wir sind auch ein Land der Einwanderer, eine Art deutsche Arche Noah." Dennoch - einige Tiere sind für immer gegangen, aber es ist auch eine Reihe gekommen.

Doch nicht nur bei Tieren gibt es viele Neubürger, sondern auch in der Pflanzenwelt, die bedingt durch die Klimaveränderung, eingeschleppt worden sind. Nach Kielings Erfahrung sei die Entwicklung jedoch generell sehr positiv und der Tiefpunkt mit Sicherheit überwunden. Deshalb zeigten Arten, die schon vom Aussterben bedroht waren, wieder recht passable Populationen. Als Beispiel nennt Kieling dabei die Wildkatzen-Bestände, die zurzeit am häufigsten in der Eifel vorkommen, aber auch den Schwarzstorch, den er in den Wäldern der Region entdeckt und gefilmt hat. Sogar der Seeadler ist mit rund 200 Brutpaaren in Deutschlands Wald- und Seengebieten wieder verbreitet.

Eine häufig eingeengte Sicht hinsichtlich Natur- und Tierschutz in Deutschland moniert Kieling am Beispiel des Rothirschs. Geradezu gehasst von vielen Förstern und wegen der Fraßschäden stark bejagt, zieht er sich immer mehr zurück - vorzugsweise auf Truppenübungsplätze, weil er da zumindest nachts Ruhe findet.

Auf der anderen Seite machten wir Afrikanern Vorschriften, wie sie mit ihren Elefanten umgehen sollen, die dort den Bauern in manchen Gebieten sogar existenzbedrohende Probleme bereiteten. Ein Rothirsch sei schließlich nicht existenzbedrohend, sagt Kieling.

Doch in der Eifel gebe es den König der Wälder und Wiesen glücklicherweise noch recht häufig. Dennoch - viele tolerierten einen solch großen Pflanzenfresser nicht mehr. Da die Eifel zu den abwechslungsreichsten Mittelgebirgslandschaften Deutschlands zählt, verfügt sie über einen hohen Artenreichtum. Die Mischung aus Kulturflächen, Wald, Wiesen und Tälern bietet den unterschiedlichsten Tier- und Pflanzenarten Raum. Kieling möchte in seinem Filmprojekt den Menschen die Augen öffnen für diese Besonderheiten. "Wir haben Schwarzstörche, Uhus - und interessanterweise wieder das Haselhuhn." Im Frühjahr dieses Jahres hörte er einen ihm aus Alaska bekannten Pfeifton: den Balzruf eines Haselhahns, den er im Heidekraut entdeckte. Das Tier ließ sich in seinem Liebeswerben auch nicht stören, als Kieling filmte und fotografierte. Bald näherte sich eine Henne, die den Locktönen nicht widerstehen konnte. Nicht ohne vorher noch Exkremente einzusammeln, zog sich Kieling diskret zurück.

Diese überraschende Entdeckung machte er in einem Wald zwischen Hümmel und Tondorf. Im Hinblick auf die Rückkehr des Haselhuhns, das in der Region schon als ausgestorben galt, vermutet Kieling, dass dieses jetzt durch Windwürfe der Stürme Wiebke und Kyrill eine für seine Art ideale Landschaftsform vorfindet, nämlich artenreichen Niederwald mit Heidekraut und Blaubeere, der Schutz vor Greifvögeln aus der Luft bietet. Ein weiteres besonderes Erlebnis war für Kieling die Beobachtung einer Wildkatze mit drei Jungen. Es gelang ihm, in den frühen Morgenstunden auf einer Windwurffläche deren Spiel zu filmen. "Es war ein sehr friedliches Bild", erinnert er sich.

Für sein Deutschland-Projekt gibt es für Andreas Kieling noch einiges zu tun. So wird er ab Januar nächsten Jahres den Hauptfokus auf Luchs und Steinbock richten. Es wird wohl noch ein Jahr dauern, so Kieling, bis die Inventur "Natur in Deutschland" aufgenommen ist und für die Zuschauer als Dokumentation im Fernsehen in zwei Teilen zu sehen sein wird.

So viel sei verraten: Es werden beeindruckende Tiere in atemberaubenden Nahaufnahmen, spannende und verblüffende Natur-Phänomene zu Lande, zu Wasser und aus der Luft zu sehen sein und dazu interessante Begegnungen mit Menschen, die sich dafür einsetzen, dass Deutschland auch "wild" bleibt.

DAS HASELHUHN UND DER A 1-WEITERBAU Das Haselhuhn avancierte zum Symboltier der Gegner des Weiterbaus der Autobahn 1. Die "Bürgerinitiative gegen den Weiterbau der A 1" führt bedrohte Tierarten wie das Haselhuhn, aber auch den Schwarzstorch oder die Wildkatze als Gründe gegen einen Weiterbau an. Allerdings gestaltete sich der Nachweis über die Existenz des scheuen Haselhuhns schwierig. 2004 wurde dann ein totes Haselhuhn auf der Aremberger Straße in Lommersdorf gefunden. Befürworter des Weiterbaus kolportierten, dass die Gegner das Huhn dort platziert hätten. "Das Haselhuhn ist keine Erfindung von uns", wehrte sich Jutta Zugowski, langjähriges Mitglied der Bürgerinitiative, 2007 gegen diese Vorwürfe. Ein Umweltbüro hatte laut Zugowski Losung und Federn des Tieres gefunden. Nun machte Andreas Kieling eine überraschende Entdeckung bei Tondorf. Dort filmte und fotografierte er einen Haselhahn samt Henne. Das legt die Vermutung nahe, dass die bedrohte Art tatsächlich in A 1-Nähe lebt. (ron)

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