Nicht angemessen reagiert

Wieder wird ein neuer Fall von Kindesmissbrauch öffentlich: Ein Gruppenleiter beim Jugendrotkreuz im Vulkaneifelkreis soll von Mitte 2006 bis Ende 2007 zwei damals zwölfjährige Mädchen sexuell missbraucht haben.

Vulkaneifel. (vog) Da der heute 19-jährige Angeklagte bei den angeblichen Taten noch minderjährig war, ist der Prozess vorm Jugendschöffengericht am Wittlicher Amtsgericht nicht öffentlich. Gerne gingen die Mädchen zu den Gruppenstunden des Jugendrotkreuzes. Die Eltern wähnten ihre Kinder gut aufgehoben. Jetzt ist der angebliche sexuelle Kindesmissbrauch in vielen Familien der Eifelgemeinde Gesprächsthema Nummer eins. Der Angeklagte und seine Familie mittendrin, weil sie auch in der Kirchengemeinde sehr aktiv sind. Josef Thul, Strafrichter am Amtsgericht Wittlich, kennt die Akte. Er berichtet: "Im Oktober 2008 wurde der Fall bekannt, weil Fotos, die der Angeklagte von den Mädchen gemacht hatte, im Internet auftauchten."

2007 soll der heute 19-Jährige von den damals Zwölfjährigen "partielle Nacktaufnahmen mit eindeutig sexuellem Interesse" gemacht haben. Dafür soll er den Mädchen Geld gegeben haben. Gegen weitere Zahlungen soll er versucht haben, sexuell Kontakt aufzunehmen. Später soll er laut Richter Thul eines der Mädchen "mit der Zielsetzung zur Geschlechtsbeziehung" angesprochen haben.

In einem weiteren Fall soll der Angeklagte 2006 während einer Wettkampfveranstaltung des Jugendrotkreuzes im Vulkaneifelkreis eines der Mädchen sexuell missbraucht haben. Der erfahrene Richter Thul sieht die Schwierigkeit des Prozesses in der Beurteilung zwischen pubertierendem "Experimentierverhalten" und Missbrauch. Thul: "Missbrauch liegt dann vor, wenn gezielt vorgegangen wird, wobei letztlich die Position als Gruppenleiter ausgenutzt wird."

Neben den zwei betroffenen Mädchen sind weitere Mädchen als Zeugen vorgeladen, "um das Umfeld auszuloten". Thul meint: "In diesem Fall wurde auf Hinweise lange Zeit nicht angemessen reagiert."

Der Vorsitzende des DRK-Ortsverbandes kontert: "Als sein untypisches Verhalten aufgefallen ist, haben wir sofort reagiert. Seitdem verzichten wir auf seine Mitarbeit im Jugendrotkreuz." Es folgte kein Rausschmiss. Der Angeklagte ist weiterhin in der DRK-Ortsgruppe tätig. Der Vorsitzende meint: "Wir stehen ja auch im Spannungsfeld der Vorverurteilung."

Der Pfarrer reagiert ähnlich. Er sagt: "Bei uns ist er bisher nicht aufgefallen." Der Angeklagte ist aktiver Messdiener und Jugendsprecher im Pfarreienrat.

Sein Vater gehört zur Führungsriege der Pfarrei. Er sagt: "Mein Sohn hat mit den Fotos Blödsinn gemacht, und dafür muss er gerade stehen. Alle anderen Vorwürfe streitet er ab. Ich glaube meinem Sohn."

Der 19-Jährige sei in Therapie und auf einem guten Weg. Beruflich absolviere er eine Ausbildung. Richter Thul resümiert: "Er scheint in einer geordneten Entwicklung zu sein und sich um seine möglichen schädlichen Neigungen zu kümmern."

Ob der Prozess an einem Verhandlungstag beendet werden kann, ist unklar. Laut Thul zweifelt die Verteidigung die Glaubwürdigkeit der Opfer an. Unmissverständlich sagt Thul: "Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben, weil sie von der Verhängung einer Jugendstrafe ausgeht."

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