Sie wollen die Schule mitgestalten

Gerolstein · Schwächen, Chancen und Visionen: Auf dem Landeselterntag in Gerolstein haben 230 Väter und Mütter aus ganz Rheinland-Pfalz mit Experten und Politikern über unser Schulsystem diskutiert.

Gerolstein "Bis zum Pisa-Schock dachten wir, wir hätten die besten Schulen der Welt", sagt Professor Peter Struck den Gästen des Landeselterntages zu Beginn seines Vortrages. Rund 230 Eltern lauschen am Samstagvormittag in der Aula des St.-Matthias-Gymnasiums dem Vortrag des Pädagogen. Die Elternbeiräte vieler Schulen sind aus allen Ecken des Landes nach Gerolstein gekommen, um sich einen ganzen Tag lang über das Schulsystem zu informieren und seine Schwächen und Chancen zu diskutieren. Und das ist bitter nötig, wenn man Professor Strucks Thesen glauben darf. Denn seiner Meinung nach bildet das deutsche Schulsystem im internationalen Vergleich "nur das Schlusslicht". Die Lehrpläne seien zu dick, meint Struck. "Wirklich erfolgreich sind Schulen nur, wenn sie sich über die Vorgaben hinwegsetzen und selbst schauen, wie sie ans Ziel kommen."
Im traditionellen Unterricht bleibe bei den Kindern und Jugendlichen wenig hängen, sagt der Experte. "Wir müssen den Schülern die Möglichkeit geben, durch eigenes Handeln und Tun und den daraus resultierenden Fehlern zu lernen. Benotungen sind daher eher kontraproduktiv." Der Bildungsexperte, der seine Thesen mit Studienergebnissen aus der Hirnforschung stützen kann, fordert deshalb vor allem mehr Lern- und Rollenspiele im Unterricht.
Bei den Eltern finden Strucks Forderungen Zustimmung: "Die Schulen brauchen mehr Freiraum", sagt Landeselternsprecher Thorsten Ralle aus Ludwigshafen, der als Vater von drei Kindern weiß, worüber er spricht. "Was den Eltern derzeit am meisten auf den Nägeln brennt, ist der Weg der Schulen in die digitale Welt", sagt Ralle. "Wie viel klassisches Lernen muss es noch geben? Wie weit müssen sich die Schulen für das Internet und das Lernen am Computer öffnen?"
Solche Fragen und noch viele weitere Themen zur Schule der Zukunft diskutieren die Eltern im Laufe des Tages in kleinen Arbeitsgruppen. Experte Struck erklärt zum computergestützten Lernen: "Arbeiten am Bildschirm ist für Kinder förderlich - aber es kommt auf die Dosierung an." Aus dem Publikum bekommt Struck die Frage gestellt, ob in der Schule Handys erlaubt sein sollen oder nicht? Die Antwort des Experten dazu: "Das Smartphone ist für Kinder und Jugendliche ein wichtiger Lerngegenstand, um sich Informationen zu beschaffen." Vor dem Unterricht sollten die Geräte dennoch besser eingesammelt werden, meint Struck.
Am Nachmittag bekommen die Eltern in Gerolstein schließlich noch hohen Besuch aus Mainz. Bildungsministerin Stefanie Hubig stellt sich bei einer Podiumsdiskussion den Fragen der Elternbeiräte, "wobei Frau Hubig dabei wenig Konkretes gesagt hat", wie Ralle kommentiert. Allerdings verspricht Hubig den Eltern, die Nutzung der digitalen Medien in den Schulen voranbringen zu wollen. Die Eltern drängen dazu auch auf die Festlegung konkreter Standards für die Nutzung der digitalen Medien im Unterricht. Ralle: "Damit nicht jeder machen kann, was er will." Am späten Nachmittag zieht Ralle ein Fazit: "Mit der Veranstaltung bin ich sehr zufrieden. Es gab viele interessante Gespräche zur Zukunft der Schule."
Jutta Schmitz, Schulleiterin des St.-Matthias-Gymnasiums, ist vom Publikumsandrang begeistert. "Das war eine gute Gelegenheit, unsere Schule zu präsentieren und zu zeigen, dass die Schulen im ländlichen Raum gute Arbeit leisten."
So sieht es auch Heinz-Peter Thiel, Landrat des Landkreises Vulkaneifel: "Schauen Sie sich die Schulen in den klammen Städten an. Da sehen unsere weit besser aus. Schulen gehören eindeutig zu den Stärken des ländlichen Raums." Dennoch müsse sich das Schulsystem dem Strukturwandel stellen, sagt Thiel. "Deshalb ist es wichtig, dass wir - wie heute auf dem Landeselterntag - die neuesten Erkenntnisse für das Bildungssystem diskutieren."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort