Widerstand gegen AfD-Veranstaltung in Gerolstein

Gerolstein · Nach Genehmigung einer überregionalen Wahlkampfveranstaltung der AfD in Gerolstein formiert sich breiter gesellschaftlicher Widerstand. Die Gegendemonstranten lassen sich einiges einfallen.

 Ganz kleiner Vorgeschmack auf Gerolstein: Beim Wahlkampfauftritt eines AfD-Landespolitikers in Daun diese Woche haben sich spontan einige Protestler zur Gegenkundgebung getroffen. TV-Foto: Stephan Sartoris

Ganz kleiner Vorgeschmack auf Gerolstein: Beim Wahlkampfauftritt eines AfD-Landespolitikers in Daun diese Woche haben sich spontan einige Protestler zur Gegenkundgebung getroffen. TV-Foto: Stephan Sartoris

Foto: (e_daun )

Die Kirmes ist dann zwar rum, aber am Freitag, 4. August, wird es wohl noch mal in Gerolstein rundgehen. Denn dann hat die Alternative für Deutschland (AfD) die Stadthalle Rondell für einen Wahlkampfauftritt gebucht. Unter anderem werden die stellvertretende Bundesvorsitzende Beatrix von Storch und die Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Alice Weidel, sprechen.

Dagegen formiert sich Widerstand. So will der Kreisverband der SPD nach Worten des Ortsvereinsvorsitzenden Uwe Schneider gemeinsam mit Linken und Grünen vor dem Rondell Position beziehen und hofft , "dass sich weitere Parteien und Gruppierungen dem anschließen und uns hoffentlich auch viele Gerolsteiner unterstützen". Grundsätzlich sehen es die Stadtratsfraktionen aber als unumgänglich an, der AfD die Stadthalle zur Verfügung zu stellen (siehe Extra).

Das betont auch Gerolsteins Stadtbürgermeister Friedhelm Bongartz (CDU). Er sagt: "Nach eingehender rechtlicher Prüfung bin ich mit den Fachleuten aus der Verwaltung zum Schluss gekommen: Die Stadt Gerolstein hat den Antrag der AfD zur Nutzung des Rondells zu genehmigen. Ob es uns passt oder nicht." Grundlage sei, dass die AfD eine politische Partei ist, die das Recht auf Meinungsfreiheit und politischer Darstellung besitzt, dem Landtag Rheinland-Pfalz angehört und auch zur Bundestagswahl zugelassen ist.

In der öffentlichen Diskussion und vor allem auch in den sozialen Netzwerken sieht sich Bongartz nun Anfeindungen ausgesetzt - und dem Vorwurf, er habe der AfD eigenmächtig und im Alleingang den roten Teppich ausgerollt. Das weist er entschieden von sich: "Ich habe es natürlich nicht alleine entschieden, sondern den Stadtrat vor Vertragsabschluss informiert und um eine Meinungsbildung gebeten. Alle bis auf einen standen hinter mir." Dass ihm nun ein "Sturm der Intoleranz und Unverständnis entgegenschlägt", könne er zwar in gewissem Maß nachvollziehen. "Das darf jedoch meine Neutralität zur Erfüllung meiner Amtspflicht nicht tangieren", sagt er - und gibt zu: "Ich habe mit starken Bauchschmerzen ja gesagt."

Die werden auch dadurch nicht besser, dass schon jetzt drei Gegenveranstaltungen geplant und nach seiner Auskunft auch genehmigt sind. Neben den politischen Parteien, die Flagge zeigen wollen, hat auch Martin Grüning aus Kerpen nach eigenem Bekunden eine "Gegendemonstration angemeldet". Er sagt: "Ich hoffe, möglichst viele Menschen davon überzeugen zu können, dass eine Politik, wie sie die AfD betreiben will, für niemanden in Deutschland gut ist." Er findet es zumindest bedauerlich, dass der Partei die Möglichkeit zum Wahlkampfauftritt geboten wird. Er sagt: "In den Kommunen ist es Usus, dies nach Leibeskräften zu vermeiden. Oft werden gerichtliche Streitereien in Kauf genommen, um dieser neofaschistischen Partei kein Podium zu bieten."

Auch das Forum Eine Welt, ein Verein, der sich seit Jahrzehnten um ein friedliches und gedeihvolles Miteinander der verschiedenen Kulturen in der Eifel einsetzt, mobilisiert derzeit allerlei Kräfte. So sagt die Vorsitzende Christa Karoli aus Gerolstein: "Wir machen auf jeden Fall etwas. Was genau, wird aber noch besprochen." Ihr schwebt ein großes buntes Fest mit Musik und den unterschiedlichsten Gruppen und Kulturen vor, eventuell ein großes öffentliches Stadtpicknick. Dafür suche sie derzeit Partner wie die Kirchen, die Caritas, Gewerkschaften, Parteien und soziale Gruppen und Institutionen. Sie sagt: "Wir wollen zeigen: Die Eifel ist bunt und sie bleibt bunt."

Von Stadtbürgermeister Bongartz habe sie bereits das Wort, den Brunnenplatz dafür nutzen zu dürfen. Der liegt gut 300 Meter vom Rondell entfernt. Bongartz will so verhindern, dass es zu Zusammenstößen kommt und so der Ruf der Stadt in Misskredit gerät. Er appelliert: "Ich erwarte von allen disziplinierte Umgangsformen." Auf Seiten der Gegendemonstranten gibt es dafür Zustimmung. Während Schneider (SPD) betont, "Wir werden kein Spießrutenlaufen veranstalten", sagt Karoli: "Wir sind nicht auf Konfrontation aus."

Dem Antragsteller für die Nutzung des Rondells, Mario Hompes vom AfD Kreisverband Vulkaneifel, hat der Stadtbürgermeister per Mail geschrieben: "Ich hoffe, dass Ihre Veranstaltung nicht Anlass zu unkontrollierbaren Protesten wird. (…) Wie Sie wissen, wurde unsere Zustimmung unter der Voraussetzung friedlicher Meinungsbildung und der Einhaltung legaler Verwaltungsvorschriften erteilt."

Auf ein Grußwort als Hausherr will Bongartz bei der AfD-Veranstaltung bewusst verzichten: "Ich will diese Leute und ihre Politik nicht aufwerten." Beim Forum Eine Welt hingegen "werde ich gerne ein paar Takte sagen".KommentarRunter vom Sofa!
Es wäre bequemer gewesen, wollte die AfD sonstwo ihre mindestens grenzwertigen Thesen verbreiten. Nun eben Gerolstein. Hätte man das zu verhindern suchen sollen? Eher nicht. Wegducken und hoffen funktioniert nicht bei einer Partei, die zweistellige Wahlergebnisse einfährt. Also was tun? Am besten, die Chance nutzen, um aufzuzeigen, wie gut es sich in der auch kulturell bunten Eifel lebt. Und wie engstirnig, falsch und gefährlich es ist, sich hinter (deutschen) Grenzen einnisten und die eigene Stärke demonstrieren zu wollen. Klimapolitik, exportabhängige Wirtschaft, Fachkräftemangel, Demographie, Verteidigungspolitik, friedliches Miteinander, Freizügigkeit und, und, und. Die Liste der Argumente gegen Abschottung ist riesengroß. Die der Errungenschaften der weltoffenen und toleranten Bundesrepublik Deutschland und der europäischen Einigung ist es auch. Für die gilt es einzutreten. Wer hat behauptet, dass Demokratie und bürgerschaftliches Engagement mit Bequemheit zu tun haben? Also runter vom Sofa! m.huebner@volksfreund.de

Das sagen die Stadtratsfraktionen:

Helmuth Hauth (CDU)
sagt zum Auftritt der AfD in Gerolstein: "Ich meine, unsere Demokratie ist so stark und erwachsen, dass sie das ertragen kann. Die Stadt vermietet das Rondell auch an andere Parteien.Auch haben die Gerichte eindeutig entschieden, dass man an alle demokratischen Parteien vermieten muss - ob das uns gefällt oder nicht. Wir halten es für erforderlich, dass man sich mit Argumenten mit dieser Partei auseinandersetzen muss." Zu den bereits angekündigten Gegenveranstaltungen meint er: "Demonstrationen, ob laut oder leise, schüren meist doch nur den Hass."

Uwe Schneider (SPD): "Ich habe Bauchweh bei dem Gedanken, dass sich die AfD gerade Gerolstein für eine überregionale Wahlkampfveranstaltung ausgesucht hat. Nach dem Motto "Gerolstein bekennt Farbe, aber keine Braune" werden wir auf dem Rondellvorplatz klar Position beziehen."

Heinz Weber (FWG): "Dass die AfD in Gerolstein zusammenkommt, sollten wir ohne Aufhebens über uns ergehen lassen. Diese Partei gilt als demokratisch, wird nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Also welche Handhabe haben wir, sie nicht bei uns auftreten zu lassen? Eine Verweigerung des Veranstaltungsortes Rondell böte nur eine willkommene Gelegenheit zum öffentlichen Diskurs. Diese sollten wir nicht bieten."

Tim Steen (Grünen): "Ich halte es für absolut verzichtbar, dass die AfD in Gerolstein zusammenkommt. Da aber der Staat zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet ist, muss auch die Stadt alle Parteien aus dem demokratischen Spektrum gleich behandeln."

Gudrun Will (FDP; kein Fraktionsstatus): "Da wir in einer Demokratie leben, gibt es keinen Grund, der AFD zu verbieten, in Gerolstein eine Veranstaltung durchzuführen. Die Stadt hat keine rechtliche Möglichkeit, die Veranstaltung zu unterbinden."

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