Ängste am Ort des Grauens

HINZERT-PÖLERT. (urs) Gräueltaten, spannend verpackt und am Originalschauplatz, der Gedenkstätte des SS-Sonderlagers/KZ Hinzert: Die Lesung von Marco Schank, Luxemburger Autor des Krimis "Die Kinder des Bösen", weckt Ängste, setzt aber auch Zeichen der Versöhnung.

Es geht Schlag auf Schlag bei der ersten Lesung in der Gedenkstätte des SS-Sonderlagers/KZ Hinzert. Ein grauenhafter Mord nach dem andern nimmt vor dem geistigen Auge Konturen an. Angesichts derart sadistischer Taten fragen sich selbst Hartgesottene, warum jemand auf solch menschenverachtende Weise töten kann. Die Antwort enthält Marco Schank, Autor des Kriminalromans "Die Kinder des Bösen", den rund 30 Zuhörern nicht vor. "Weil es diese Taten schon einmal gegeben hat - und zwar an diesem Ort", nimmt er Fragmente der kriminalistischen Ermittlungen seines Buchs vorweg. Zwar sei die Geschichte, die er erzählt, eine erfundene. Doch einige Personen darin habe es tatsächlich gegeben. Und vor allem sei eben auch dieser Ort, der in Luxemburg bis heute Emotionen wecke, authentisch. Für die Menschen im Saal - mit Blick auf die Fensterfront, die ein Foto des ehemaligen Lagers zeigt - sind die Passagen des Krimis umso beklemmender. Regungslos harren sie auf ihren Plätzen aus - schweigend darauf bedacht, jedes Wort des Schriftstellers zu verstehen. Denn dass dieser kein Autor wie viele ist, sondern im wirklichen Leben Bürgermeister von Heiderscheid und Mitglied der luxemburgischen Abgeordnetenkammer, verleiht seinen Worten zusätzliches Gewicht. Wie allgegenwärtig Hinzert bis heute in seinem Land ist, macht Schank mit einer kurzen Anmerkung deutlich. Als er die Lesung erwähnte, hätten beide neben ihm sitzenden Fraktionskollegen von Angehörigen gesprochen, die sie im Hinzerter Lager verloren oder die dort gelitten haben. Als Gedenkstättenleiterin Beate Welter die Zuhörer nach wenigen kurzen Passagen bittet, Fragen zu stellen, dauert es eine Weile, bis sich die Ersten gefangen haben. "Ich habe Angst, dieses Buch zu lesen", räumt eine Frau ein. Was sie da höre, seien lauter schreckliche Dinge. Daher interessiert sie: "Wie geht es ihnen? Tut das nicht schrecklich weh, wenn sie das schreiben?" Ein Zuhörer spricht gar davon, hin und her gerissen zu sein, "weil das Buch auch eine Verharmlosung" darstelle. Für den Autor treten solche Vorbehalte jedoch angesichts seines Ziels in den Hintergrund: Er habe das Buch geschrieben, "damit nicht vergessen wird, was nicht vergessen werden darf." Es sei ihm wichtig, dass seine Kinder, wie alle jüngeren Leute, die Luxemburger Geschichte besser kennen lernen. Aus diesem Grund habe er das Geschehen in eine spannende Geschichte gepackt. Bei allem Schrecklichen, was im Roman geschehe, sei dessen Inhalt dennoch "nur ein Abklatsch von dem, was damals passiert ist". Die "Die Kinder des Bösen" ist für 10 Euro derzeit nur im luxemburgischen Buchhandel erhältlich und zu beziehen über "Op der Lay" in Esch/Sauer, unter www.webplaza.pt.lu/opderlay.

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