"An Auslandseinsätzen kommt man nicht vorbei"

HERMESKEIL. Der Raketenwerfer "Mars" ist das mächtigste Waffensystem der Bundeswehr, doch für sich allein ist er blind und taub. Die Zieldaten bekommt die gepanzerte Flächenfeuerwaffe von "Ares", dem Artillerie-Raketen-Einsatzsystem. In diesem sitzt Hauptfeldwebel Costia Kuhn und übermittelt der Batterie die Befehle des Kommandeurs.

Ohne"Ares" geht gar nichts. Die mobile Datenfunkkabine übermittelt imEinsatz einer Gruppe von vier Werfern die notwendigenKoordinaten. Entsprechend hoch ist die Verantwortung des"Ares"-Spezialisten. Er nimmt die Befehle des Kommandeursentgegen und "übersetzt" diese für die Raketenwerfer im Gefecht. Einstieg als Soldat auf Zeit

Hauptfeldwebel Costia Kuh gehört zu diesen Spezialisten. Der 31-jährige Berufssoldat aus dem saarländischen Blieskastel kam 1990 zur Bundeswehr. "Ich hatte mich von Anfang an dafür entschieden, die Bundeswehr zum Beruf zu machen", erzählt Kuhn, der seit 2000 mit seiner Frau in Freisen lebt. Er begann seine Bundeswehr-Laufbahn in Idar-Oberstein und gehört jetzt zum Raketenartillerie-Lehrbataillon 52 in Hermeskeil.

Um direkt als Soldat auf Zeit einsteigen zu können, musste Costia Kuhn die dreitägige Aufnahmeprüfung in Düsseldorf hinter sich bringen. "Das ist das übliche Verfahren für alle Bewerber, die als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr anfangen wollen." Wer dagegen als Grundwehrdienstleistender beginnt und sich später zu einer beruflichen Laufbahn beim Bund entscheidet, ist neben guten Leistungen auch von der Bewertung und Befürwortung des Vorgesetzten abhängig.

Schriftliche Tests, Aufsatz und Diktat, Mathematik, eine ausführliche Tauglichkeits-Untersuchung, ein Sporttest und ein psychologisches Gespräch warteten auf Kuhn. Er nahm alle Hürden, sein erster Standort war Idar-Oberstein.

Damals war noch nicht abzusehen, dass der neue Soldat auf Zeit später zu den Augen und Ohren der mächtigsten Waffe der Bundeswehr-Artillerie wird. "Bis Mitte 1993 war ich Personal-Unteroffizier", erläutert Costia Kuhn. Mit Beginn der Feldwebel-Laufbahn wurde er Rechnungsführer. Der Wunsch, Berufssoldat zu werden, gab der Karriere des saarländischen Soldaten schlagartig eine andere Richtung.

"Um Berufssoldat werden zu können, musste ich damals vom Rechnungsführer zum Rak-Feldwebel wechseln." Rak steht bei der abkürzungsbegeisterten Bundeswehr für Rakete - Costia Kuhn kam von einem Verwaltungsposten zur Artillerie.

Von der Verwaltung zur Artillerie

"Ich habe die Ausbildung zum Feuerleitfeldwebel gemacht." Kuhn arbeitete mit "Lars", dem leichten Artillerie-Raketen-System, das seit 2000 nicht mehr eingesetzt wird. Im Juli 1999 hatte er sein Ziel erreicht. Aus dem Soldaten auf Zeit wurde ein Berufssoldat. Nach "Lars" kam Kuhn zum Bataillonsstab und wurde Feuerleitfeldwebel "Adler" - "Artillerie-Daten-Lage und Einsatz Raketenverbund". "Von dort aus kontrolliert der Kommandeur die schießende Batterie", erläutert der Datenspezialist.

Ein weiterer Wechsel brachte Costia Kuhn die Beförderung zum Hauptfeldwebel: Er kam zur 4. Batterie des Raketenartillerielehrbataillons 52 und wurde am Artillerie-Raketen-Einsatzsystem "Ares" ausgebildet. "Ares ist das Bindeglied zwischen Adler und Mars", so Kuhn. Nur ein Studium der Artillerie-Abkürzungen verleiht diesem Satz einen Sinn: Der Kommandeur übermittelt seine Befehle von "Artillerie-Daten-Lage und Einsatz Raketenverbund" aus über das "Artillerie-Raketen-Einsatzsystem" an das schießende "Mittlere Artillerie-Raketen-System". Das heißt: Costia Kuhn sitzt mittendrin und dirigiert die vier Raketenwerfer "Mars" seines Zuges nach den Befehlen des Kommandeurs.

Die "Ares"-Kabine sieht harmlos aus. Terminal, Tastatur, Funkgerät und Landkarte sind Costia Kuhns "Waffen". "Die Kabine wird von einem geländegängigen Zweitonner bewegt", erläutert der Hauptfeldwebel. "Sie ist auch mit einer externen Stromversorgung ausgerüstet." Die Kleinfunkgeräte haben eine Reichweite von bis zu 15 Kilometern, über die Sechs-Meter-Antenne kann "Ares" bis zu 30 Kilometer weit funken.

Costia Kuhn will nicht bis zum Ruhestand "Ares"-Spezialist bleiben. "Mein Ziel ist es, vom Feuerleitgeschäft zurück in den Innendienst zu wechseln", sagt er. Allerdings nicht auf irgendeine Position: Der 31-Jährige will zu einer der höchsten Positionen aufsteigen, die die Bundeswehr den Unteroffiziersrängen anbietet: Er will Spies werden. Batteriefeldwebel. Der Mann mit der goldenen Kordel über dem Feldanzug. "In vier bis fünf Jahren will ich eine Batterie als Spies zusammen mit dem Batteriechef führen."

Viermonatiger Einsatz in Sarajevo

Der Berufssoldat aus Blieskastel hatte auch einen Wechsel in den Offiziersrang erwogen, diesen Antrag jedoch zurückgezogen. "Offiziere werden oft versetzt", sagt er dazu. "Ich habe gerade in Freisen gebaut und will auch dort bleiben." Welche Fähigkeiten braucht ein "Ares"-Spezialist? Kuhn: "Organisationstalent, Planungsgefühl und die Fähigkeit, Befehle in kurzer Zeit umzusetzen."

Costia Kuhn hat bereits einen Auslandseinsatz hinter sich. 1997 war er in Sarajevo. "Vier Monate lang war ich dort. Das war für mich die Prüfung, ob ich diesen Beruf wirklich machen will." Ein Auslandseinsatz bringe hauptsächlich Probleme zu Hause.

"Die lange Trennung vom Partner ist in dieser Situation problematisch. Vor Ort in Sarajevo waren Zusammenhalt und Teamgeist echte Stützen. Doch wer Zuhause warten muss, ist oft allein mit seinen Sorgen."

Dennoch komme man an Auslandseinsätzen nicht vorbei. "Wer bei der Bundeswehr vorwärts kommen will, muss Auslandseinsätze machen." Auch wenn man in der aktuellen Situation angesichts eines drohenden Irak-Krieges Angst hat. "Diese Angst habe ich natürlich auch. Dennoch würde ich wieder gehen."

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