Berater erfasst Qualifikation von Asylbewerbern im Landkreis und bringt sie mit Betrieben zusammen

Schweich/Hermeskeil · Unter welchen Voraussetzungen können Betriebe Flüchtlinge einstellen oder ihnen ein Praktikum anbieten? Darüber klärt Beschäftigungspilot Elvis Mihu Asylbewerber und interessierte Arbeitgeber im Kreis Trier-Saarburg auf. Die Praxis zeigt: Gute Deutschkenntnisse sind enorm wichtig. Und es gilt auch einige rechtliche Hürden zu überwinden.

 Beschäftigungspilot Elvis Mihu (rechts) erklärt Ali Hosinpoor im Willkommenscafé der evangelischen Gemeinde in Hermeskeil, wie die Chancen des Iraners auf eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker stehen. TV-Foto: Christa Weber

Beschäftigungspilot Elvis Mihu (rechts) erklärt Ali Hosinpoor im Willkommenscafé der evangelischen Gemeinde in Hermeskeil, wie die Chancen des Iraners auf eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker stehen. TV-Foto: Christa Weber

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Ali Hosinpoor ist 26 Jahre alt und stammt aus dem Iran. Er will Automechaniker werden. Seit Januar lebt Hosinpoor in Kell am See in einer Unterkunft für Asylbewerber. Heute besucht er ein Willkommenscafé im evangelischen Gemeindezentrum in Hermeskeil. Dort in der Nähe hat er gerade ein Praktikum in einer Autowerkstatt beendet. "Es war gut. Ich möchte gern eine Ausbildung machen", sagt Hosinpoor zu Elvis Mihu, den er im Café getroffen hat. "Aber dafür muss mein Deutsch noch besser werden."

Das Projekt: Elvis Mihu arbeitet bei der Handwerkskammer Trier und ist seit Anfang des Jahres als Beschäftigungspilot im Kreis Trier-Saarburg unterwegs. Hosinpoor ist einer seiner Schützlinge. Von seinem Büro in Konz aus fährt Mihu zu Flüchtlingen in die Unterkünfte, um sie über den deutschen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu informieren.
Dabei fragt er ab welche Kompetenzen wie schulische Abschlüsse, berufliche Ausbildungen oder Sprachkenntnisse die Menschen mitbringen. Die ausgefüllten Fragebögen gibt er an die Agentur für Arbeit weiter, die auf dieser Basis ihre Beratung aufnimmt.
Immer wichtiger, sagt Mihu, werde auch seine "Lotsenfunktion für die Betriebe", die er mit Flüchtlingen in ihrer Nähe zusammenbringe.

Die Zielgruppe: Das Projekt ist zunächst auf ein Jahr angelegt. Gefördert wird es durch das Land Rheinland-Pfalz, den Europäischen Sozialfonds und die vier Landkreise, für die jeweils ein eigener Beschäftigungspilot zuständig ist. In Trier gibt es ein ähnliches Projekt, das vom Bürgerservice betreut wird. Mihu kümmert sich um Asylbewerber ab dem Zeitpunkt, an dem sie einer Kommune zugewiesen wurden. Werden sie anerkannt, übernimmt das Jobcenter. 200 Flüchtlinge will Mihu bis Jahresende "erfassen". Im gesamten Landkreis gab es laut Kreisverwaltung Ende Juni etwa 1500 Asylsuchende.

Sprachbarriere: Bei Ali Hosinpoor sei "alles fast ideal verlaufen", lobt der Beschäftigungspilot. Der junge Iraner habe, wenn er bald einen Integrationskurs absolviere, gute Chancen auf die angestrebte Ausbildung. Aber so "unproblematisch" laufe es nicht immer. Die größte "Barriere" seien fehlende Sprachkenntnisse. Ein gelernter Schreiner könne nicht gleich im Betrieb arbeiten, "wenn er Arbeitsanweisungen oder Vorschriften zur Gefahrenabwehr nicht versteht". Deshalb müsse man mit den potenziellen Arbeitgebern im Vorfeld "sehr genau prüfen, was sinnvoll ist und welche Anforderungen gestellt werden", sagt Mihu. Sonst ende es schnell "mit Frustration auf beiden Seiten".

Rechtliche Hürden: Das Potenzial unter den von ihm erfassten Asylbewerbern sei groß, sagt der Lotse. An Berufsausbildung sei "alles dabei - vom syrischen Arzt übers klassische Handwerk bis zum Rikschafahrer".
Die rechtlichen Vorschriften für den Zugang zum Arbeitsmarkt böten jedoch zahlreiche "Hürden" - und würden zudem immer wieder geändert. Ob ein Flüchtling in Deutschland arbeiten darf, hängt von seinem Aufenthaltstitel ab. Ein Asylbewerber hat eine Aufenthaltsgestattung, solange sein Verfahren läuft. Er darf generell in den ersten drei Monaten nicht arbeiten. Danach braucht er eine Arbeitserlaubnis durch die Ausländerbehörde. Die zentrale Bearbeitung der Anträge in Bonn kann bis zu sechs Wochen dauern. Für Betriebe, die akuten Personalbedarf haben, sei damit "schwer zu planen", sagt Mihu. Zumal in Kooperation mit der Agentur für Arbeit auch stets geprüft werde, ob nicht stattdessen ein Kandidat mit deutschem oder EU-Pass für den Job oder das Praktikum infrage komme.

Lösungsversuch: Inzwischen habe man eine unbürokratische Lösung gefunden, um den Flüchtlingen erste Kontakte in die Arbeitswelt zu ermöglichen, sagt Mihu. Das sogenannte MAG, eine Art Kurzzeitpraktikum, müsse nur von der Arbeitsagentur genehmigt werden. Dabei arbeite der Asylbewerber für wenige Wochen im Betrieb mit: "Eine gute Möglichkeit, um sich zu beschnuppern und die Eignung für das Berufsfeld zu erproben", findet Mihu. In Hermeskeil habe er drei Flüchtlinge per MAG bei einer Fensterbau-Firma untergebracht. Komme danach eine Ausbildung oder Anstellung infrage, müsse allerdings wieder "erst die Arbeitserlaubnis eingeholt werden". Diesen Prozess hoffe man aber dank des MAG "vielleicht etwas zu verkürzen".

Perspektive des Arbeitgebers: Sigrun Bergtold, Leiterin des Seniorenzentrums in Kell am See, hat einem 22-jährigen Afghanen über MAG den Einblick in ihre Einrichtung ermöglicht. "Er hat 14 Tage in der Haustechnik mitgeholfen, Rollstühle umgebaut und Versorgungsgänge gemacht", berichtet sie. Der junge Mann sei von den Bewohnern gleich akzeptiert worden und habe "viel praktisches Geschick gezeigt". Gehapert habe es an den Sprachkenntnissen. Die seien ein Muss, betont die Heimleiterin, um "in ein geordnetes Beschäftigungsverhältnis zu kommen". Wer gut Deutsch spreche, für den stünden die Aussichten wegen des Mangel an Pflegepersonal "gar nicht so schlecht", glaubt Bergtold - vorausgesetzt, auch alle rechtlichen Vorgaben für eine Arbeitserlaubnis sind erfüllt. Über das Angebot der Kurzzeitpraktika will sie den Flüchtlingen "das Gefühl geben, dass für sie hier eine Perspektive sein könnte".Extra

Horst Molitor ist Geschäftsführer bei Tectro in Saarburg. Das Unternehmen fertigt Kunststoffteile für die Automobilindustrie. Molitor wäre "gern bereit", Asylbewerbern eine Beschäftigungsmöglichkeit zu bieten - auch, "damit sie unter Menschen kommen und sich irgendwie einbringen können". Deshalb hat er sich an den Beschäftigungspiloten der Handwerkskammer, Elvis Mihu, gewandt. Mihu sucht derzeit unter den im Kreis Trier-Saarburg lebenden Asylbewerbern nach geeigneten Kandidaten für ein Kurzzeitpraktikum. Er habe bislang noch keine Erfahrungen mit dem Einsatz von Flüchtlingen im Betrieb gesammelt, sagt Molitor. Man müsse je nach ihrer Qualifikation schauen, wo man sie einsetzen könne. "Aber sie könnten mit einfachen Tätigkeiten anfangen, zum Beispiel Metalle in Spritzwerkzeuge einlegen", sagt der Tectro-Chef. Auch Markus Kowalik, Geschäftsführer der Seniorenresidenz St. Martin in Schweich, hat Kontakt zum Beschäftigungspiloten Elvis Mihu aufgenommen. Der große Vorteil des Projekts ist nach Meinung Kowaliks, dass Betriebe gleich mit geeigneten Kandidaten vor Ort zusammengebracht werden. "Dieser Link hat bislang etwas gefehlt." Der Kontakt "wachse" zwar erst. Es gebe aber bereits einen syrischen Flüchtling aus Schweich, der vielleicht für ein Praktikum im Pflegebereich infrage komme. Der Mann habe auch schon signalisiert, Interesse an einer anschließenden Ausbildung zu haben. Kowalik sieht die Integration der Flüchtlinge in den lokalen Arbeitsmarkt als "gesellschaftliche Aufgabe, der wir uns als Betriebe stellen müssen". Er mache mit ausländischen Kräften insgesamt gute Erfahrungen, sagt der Leiter des Seniorenzentrums. Voraussetzung sei allerdings "ein gewisser Grundwortschatz, dann klappt es sehr gut". Er hoffe, dass nach Abschluss der Sprachkurse noch weitere Asylbewerber "Interesse zeigen und bei uns hängenbleiben". Kontakt zu Elvis Mihu, Beschäftigungspilot bei der Handwerkskammer Trier: Schillerstraße 30, Konz, Telefon: 06501/94571-20, E-Mail: emihu@hwk-trier.de cweb

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