Besuch am Ort der Unmenschlichkeit

Hinzert-Pölert · Am Gedenkstein für 70 Kriegsgefangene, die im ehemaligen SS-Sonderlager/KZ Hinzert ermordet wurden, legte eine Delegation der Ukraine einen Kranz nieder. Das Land ist das erste, das in dieser Form an die Opfer der früheren Sowjetunion erinnert.

 Das Foto aus dem Jahr 1946 zeigt die Quarantäne-Baracke, in der die sowjetischen Kriegsgefangenen ermordet wurden. Foto: Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert

Das Foto aus dem Jahr 1946 zeigt die Quarantäne-Baracke, in der die sowjetischen Kriegsgefangenen ermordet wurden. Foto: Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert

Hinzert-Pölert. Für Kriegsgefangene gelten besondere Regeln, die auch während des Zweiten Weltkriegs Gültigkeit hatten. 70 Soldaten der damaligen Sowjetunion wurden dessen ungeachtet heimtückisch ermordet. Einem Befehl von Adolf Hitler folgend, wurden die in Baumholder Inhaftierten - auf dem Papier - aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und ins SS-Sonderlager/KZ Hinzert transportiert. Dort wurden sie noch in der gleichen Nacht vergiftet und in zwei Massengräbern im Wald verscharrt.
Erneut Tote und Verletzte


An einem Gedenkstein in der Nähe legte nun eine Delegation der Ukraine einen Kranz nieder. Generalkonsulin Alla Polyova bedankte sich, die Möglichkeit erhalten zu haben, der Ermordeten gedenken zu können. Der Zweite Weltkrieg habe, einschließlich der Zivilbevölkerung, mehr als zehn Millionen ukrainische Opfer gefordert. Und nun gebe es erneut Ermordete zu beklagen, sieht sie das Gedenken mit Blick auf den "Krieg in der Ost-Ukraine" als verpflichtend. Aktuellen Zahlen nach gebe es "9000 Tote - darunter viele Kinder, Frauen und ältere Menschen - 15 000 Verletzte und 1,5 Millionen Binnenflüchtlinge".
Dies vor Augen irritierte das wohl von einem Besucher an eine Informationstafel gehängte Sankt-Georgs-Band. Das militärische Ehrenzeichen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs steht auf Seiten der Russischen Föderation für das Gedenken - in der Ukraine aber für die jüngere Entwicklung im Donezbecken und auf der Krim. Heute erinnere es an die "ukrainischen Opfer in Donbass", sprach Polyovas Stellvertreter Konsul Sergiy. Die Ukraine ist seit 1991 unabhängig, was Russland im gleichen Jahr anerkannte.
Von den in der Nacht des 16. Oktober 1941 in Hinzert getöteten 70 Kriegsgefangenen sind bisher erst 17 mit Namen bekannt, berichtete Uwe Bader, Leiter des Gedenkstättenreferats der Landeszentrale für politische Bildung. Darunter der Mechaniker Michail Rabozewitsch, der gerade 20 Jahre alt war, als ein Einsatzkommando des Staatssicherheitsdienstes Koblenz ihn und 69 weitere Männer willkürlich aussuchte.
Grausame Täuschung


Beate Welter, Leiterin der Gedenkstätte SS-Sonderlager/KZ Hinzert, erläuterte den Ablauf der Ermordungen. Um Widerstand zu vermeiden, täuschen die Aufseher eine für einen Arbeitseinsatz erforderliche medizinische Untersuchung vor. Doch gespritzt wurde kein Medikament, sondern Zyankali. Um sicher zu gehen, die 70 Männer in nur einer Nacht töten zu können, hätten sie die Tötung zuvor mit einem realen Opfer geprobt.
Die Kranzniederlegung der ukrainischen Delegation war laut Welter die bisher erste - beider Länder - an dem Gedenkort. Er zählt zu den "Stätten der Unmenschlichkeit" (siehe Extra) bei Hinzert und ist Teil eines Informationssystems mit Tafeln und Gedenksteinen an Massengräbern und Hinrichtungsorten.Extra

 Konsul Sergiy Dragan (links) und Sergiy Shutenko, Vertreter des ukrainischen Außenministeriums in Kiew, legen mit Alla Polyova, Generalkonsulin der Ukraine, einen Kranz nieder am Gedenkstein für die 70 in Hinzert ermordeten, ukrainischen und sowjetischen Kriegsgefangenen. TV-Foto: Ursula Schmieder

Konsul Sergiy Dragan (links) und Sergiy Shutenko, Vertreter des ukrainischen Außenministeriums in Kiew, legen mit Alla Polyova, Generalkonsulin der Ukraine, einen Kranz nieder am Gedenkstein für die 70 in Hinzert ermordeten, ukrainischen und sowjetischen Kriegsgefangenen. TV-Foto: Ursula Schmieder

Foto: Ursula Schmieder (urs) ("TV-Upload Schmieder"

In der Umgebung der Gedenkstätte erinnern Gedenkorte an Menschen, die dort oder in der Nähe ermordet oder begraben wurden. Mehrsprachige Hinweistafeln oder auch Gedenksteine informieren darüber, wie über die geschichtlichen Zusammenhänge. Zuständig für die Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz ist seit 1994 die Landeszentrale für politische Bildung, die damals mit dem Aufbau eines Informationstafelsystems begann. Neben den beiden Massengräbern und dem Gedenkstein für die 70 ermordeten sowjetischen Kriegsgefangenen gibt es weitere Stätten der Unmenschlichkeit: Massengräber und Hinrichtungsorte von 20 wegen des Generalstreiks 1942 willkürlich verhafteten Luxemburgern sowie von 23 Luxemburgern, die am 25. Februar 1944 wegen politischem Widerstand erschossen wurden; Häftlingsfriedhof (1942 bis 1944) mit Gräbern mit jeweils mehreren Toten; Fundorte von Opfern des sogenannten "Nacht- und Nebel-Erlasses" von 1942/43, die Angehörige nach dem Krieg aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung exhumierten; im September 1944 ausgehobene Gruben für die verbliebenen Häftlinge, die alle ermordet und bis zum Eintreffen vorrückender alliierter Streitkräfte dort verscharrt werden sollten; ehemaliger Quarzitsteinbruch, in dem Gefangene unter unsäglichen Bedingungen Schwerstarbeit leisten mussten. (Quelle: Gedenkstätte KZ Hinzert)

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