Bevor sich keiner mehr daran erinnert

HINZERT-PÖLERT. Im Herbst soll mit dem von Bund und Land finanzierten Bau des Dokumentationszentrums auf dem Gelände der Gedenkstätte "Ehemaliges SS-Sonderlager Hinzert" begonnen werden. Ein Vorhaben, das die Bevölkerung zumindest nicht ablehnt.

 Auf dem Gelände der Gedenkstätte "Ehemaliges SS-Sonderlager Hinzert" soll ein Dokumentationszentrum mit Tagungsräumen und Dauerausstellung errichtet werden.Foto: Uwe Hentschel

Auf dem Gelände der Gedenkstätte "Ehemaliges SS-Sonderlager Hinzert" soll ein Dokumentationszentrum mit Tagungsräumen und Dauerausstellung errichtet werden.Foto: Uwe Hentschel

"Man muss sich bewusst sein, dass irgendwann die mündliche Überlieferung wegfallen wird", sagt Wolfgang Lorch, der in der gut besuchten Hinzerter Bürgerhaus vor seinem Laptop steht, während ein Beamer einen Bauplan an die Wand projiziert. Lorch ist Professor an der Technischen Universität Darmstadt und gleichzeitig leitender Architekt eines Projektes, das sein Saarbrücker Unternehmen auf dem Gelände des ehemaligen SS-Sonderlagers Hinzert plant. Im kommenden September soll dort mit dem Bau eines Dokumentations- und Begegnungshauses begonnen werden, dessen wichtigstes Ziel vor allem sein wird, die immer schwächer werdenden mündlichen Überlieferungen zu ergänzen und irgendwann komplett zu ersetzen. Von 1939 bis 1945 waren im ehemaligen Konzentrationslager Hinzert nachweisbar 13 600 Menschen inhaftiert. Unter den Gefangenen, von denen mindestens 300 dort zu Tode gekommen sind, waren Kriegsgefangene und Besatzungsgegner aus ganz Europa, darunter alleine 2000 Menschen aus Luxemburg. Am 10. Mai 1940 marschierte die deutsche Wehrmacht in Luxemburg ein. Auf den Tag genau 64 Jahre später sind Menschen aus Hinzert-Pölert im Gemeindehaus versammelt, um von angereisten Landesvertretern, Referenten, Architekten und kommunalen Politikern über den Bau des Dokumentationszentrums informiert zu werden und gegebenenfalls auch darüber zu diskutieren. "Wir haben festgestellt, dass es schwierig ist, an der jetzigen Gedenkstätte Veranstaltungen zu machen", sagt Hans-Georg Meyer, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland Pfalz. Die Anzahl der ehemaligen Häftlinge werde zwar zwangsläufig geringer, aber die Teilnehmerzahl bleibe durch Besuche von Angehörigen dennoch konstant. Deshalb sei ein Gebäude nicht nur verpflichtend, sondern auch sinnvoll. Im Innern des aus Stahl bestehenden Gebäudes soll neben Seminar- und Veranstaltungsraum auch eine Dauerausstellung ihren Platz haben. Eine Frage sorgt gleich zu Beginn der Diskussionsrunde dafür, dass der weitere Verlauf sachlich bleibt, nämlich die Frage der Kosten: 3,2 Millionen Euro soll die Gedenkstätte kosten, die jeweils zur Hälfte von Bund und Land finanziert wird. Für die Gemeinde fallen also keine Kosten an. Bedenken gegen das Projekt gibt es an diesem Abend kaum, obwohl Ortsvorsteherin Mathilde Müller mehrfach dazu ermuntert, kritische Fragen zu stellen und dieses dann letztlich selbst übernimmt. Müller habe Bedenken, dass künftige Besucher des Dokumentationszentrums das ehemalige SS-Sammellager automatisch mit dem heutigen Hinzert in Verbindung bringen würden. "Es hat doch keinen Sinn, das, was damals passiert ist, unter den Teppich zu kehren", sagt Meyer. "Keiner wird sagen: Guckt euch mal die Hinzerter an." Er habe mit anderen Gedenkstätten vor allem positive Erfahrungen gemacht. "Wenn wir das richtig machen, dann muss es bei dem, was da mit Gefangenen im Irak passiert ist, einen Aufschrei in der Bevölkerung geben", sagt Meyer hinzu. "Wenn wir das erreichen, haben wir gute Gedenkarbeit geleistet."

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