Der Mann mit der Schelle

DAMFLOS. Wenn einer mit 83 Jahren noch fidel und seit 56 Jahren verheiratet ist, drei Kinder, sieben Enkel, zwei Urenkel hat und 18 Jahre lang Gemeindediener war, dann hat er viel zu erzählen. Der eine heißt Hans Pink.

"Als ich 1960 auf dem Weg zur Arbeit mit meinem Motorrad verunglückte, dachte ich, alles sei aus", erzählt Hans Pink. Der damals 38-Jährige, der aus dem Krieg mit einer Augenverletzung heimkam, war berufsunfähig. Doch diese Diagnose riss ihn nicht herunter, sondern brachte ihn in eine "Jetzt-erst-recht-Stimmung". Fortan blieb ihm das Glück hold. Nach etlichen Belehrungsstunden über das Feld-Forst-Straf-Gesetzbuch nahm er 1962 in seinem Dorf die Stelle als Schütz (Gemeindediener) an. Beim Bürgermeister holte er die Bekanntmachungen und stellte sich an markante Stellen des Dorfes, um die Neuigkeiten bekannt zu geben. "Mindestens alle zwei, drei Tage sind wir schellen gegangen", sagt der lebensfrohe Mittachtziger verschmitzt. Das Schellen lockte einige Einwohner auf die Straße. "Der ,Innemmer' kimmt", dieser Ausruf kündigte die Ankunft des Steuereinziehers der Hermeskeiler Amtskasse im Gasthaus Schuh an. Der "Schellemann" forderte im Winter auf zu streuen und während der Sä- und Erntezeit die Tauben nicht loszulassen. Was nach Pink Unsinn war, denn die Damfloser hatten keine Tauben. Oft war der Schütz bis zu drei Mal wöchentlich jeweils drei Stunden lang unterwegs. Er musste auch Steuerzettel verteilen und das Vieh zählen. Pink schaute auch nach, ob samstags die Straßenrinnen gefegt wurden. Im Herbst erinnerte er die Dorfbewohner ans Disteln-Schneiden. 100 Mark erhielt Pink monatlich als Gemeindediener, in den letzten Jahren waren es zwei Zehner mehr. Auf seiner letzten Tour im Jahr 1980 gab er bekannt, dass ab sofort die Schelle nicht mehr durchs Dorf getragen wird. Grund: Das Amtsblatt "Rund um Hermeskeil" hielt Einzug in der Verbandsgemeinde. Mit Hans Pink ging mit der Schelle ein über 100-jähriges Dorfsymbol, das schon der Großvater seiner Frau Anna - "es Pittche" - als Schellemann zu Kaisers Zeiten nutzte, in den Ruhestand. Aber Hans Pink rastet nicht. Im vergangenen Jahr hat er 1300 Kilometer mit dem Fahrrad zurückgelegt. Dieses Jahr werden es noch mehr. Denn manchmal fährt er mit seiner Enkelin zum "Stere". Dann radelt Opa Pink mit ihr den neun Kilometer langen Waldweg, der zum Erbeskopf führt. Andere Hobbys musste er seit drei Jahren wegen nachlassender Sehkraft aufgeben. An langen Winterabenden hatte er gedrechselt, vor allem "Knäuel-Schalen", wo man Wolle verstauen konnte. Außerdem hatte er Spinnräder gefertigt. Reisen ist dafür aber ein Steckenpferd der Eheleute. Zwei-, dreimal im Jahr sind sie unterwegs. Zur Zeit wallfahren sie zum zwölften Mal nach Lourdes. In vier Jahren feiern sie Diamantene Hochzeit.

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