Die große Angst vorm bösen Wolf

Schweich/Hermeskeil · Bundesweit verursacht die Rückkehr des Wolfes kontroverse Diskussionen. Vor diesem Hintergrund hat der Kreisbauern- und Winzerverband zu einer Informationsveranstaltung mit der Stiftung Natur und Umwelt eingeladen. Dabei wurde deutlich: Auch Viehhalter in der Region Trier fürchten um ihre Existenz.

Die große Angst vorm bösen Wolf
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Schweich/Hermeskeil. Wölfe in Rheinland-Pfalz - da war doch mal was? Richtig. 2012 erschoss ein Jäger im Westerwald einen Wolf. Der Mann musste eine hohe Strafe zahlen, weil er mit der Tötung des seltenen Raubtiers gegen das Tierschutzgesetz verstieß. Der Fall machte Schlagzeilen - wie fast jeder Vorfall, in den ein Wolf seit dem ersten Nachweis in Deutschland im Jahr 2000 verwickelt war. Die Spezies ist immer für Emotionen gut, so auch am Dienstag im Hotel Leinenhof in Schweich. Dorthin hatten der Bauern- und Winzerverband Trier-Saarburg und das Landwirtschaftliche Kasino Trier geladen. Etwa 60 Landwirte, Schafhalter, Jäger und Interessierte lauschten gespannt, was Jan Hoffmann von der Stiftung Natur und Umwelt über das Wolfsmanagement des Landes (siehe Hintergrund) zu sagen hatte. Für den Experten ist klar: "Früher oder später wird der Wolf bei uns ansässig." Vielleicht durchkämmen schon Exemplare Wälder in Eifel und Hunsrück - niemand weiß es, die Tiere sind scheu und legen weite Strecken zurück.
Doch was ist, wenn sie die Scheu ablegen und Schafe, Ziegen oder Kälber reißen? Diese Angst, das zeigte die sehr emotional geführte Diskussion an den Vortrag, ist bei Viehhaltern allgegenwärtig (siehe Stimmen). Die Rückkehr des Raubtiers, das früher in Europa verbreitet war, wird ihrer Meinung nach verharmlost. Auch seien Fragen wie Entschädigungen, Versicherungsleistungen und Präventionsmaßnahmen - beispielsweise der Kauf von Elektrozäunen und Herdenschutzhunden - nicht eindeutig genug geregelt. Referent Hoffmann sagte, es gebe keinen hundertprozentigen Schutz. Wenn aber "Problemwölfe" aufträten, werde gehandelt, sprich das Tier zum Abschuss freigegeben. Erfah rungen zeigten aber, dass in Regionen, wo sich Wölfe schon stärker ausgebreitet haben, wie etwa in der Lausitz (Brandenburg), ein "vernünftiger Grundschutz" ausreiche. Hoffmann: "Ich weiß von einem Schäfer mitten in einem Wolfsgebiet, der durch einen 1,40 Meter hohen Zaun und zwei Schutzhunde seit sechs Jahren kein einziges Tier verloren hat."
Der Referent machte deutlich, dass die Rückkehr des Wolfes in Deutschland "gesamtgesellschaftlicher Konsens" ist. Das Tier ist streng geschützt, unter anderem durch das Washingtoner Artenschutzabkommen. In Deutschland gibt es laut Hoffmann 46 Rudel, 15 Paare und vier sesshafte Einzeltiere. Die größten Vorkommen gibt es in den neuen Ländern und in Niedersachsen. Jungtiere könnten weite Strecken zurücklegen, mehr als 50 Kilometer am Tag. Wölfe ernähren sich hauptsächlich von Rehen. Seit Inkrafttreten des Managementplans Anfang 2015 gab es laut Stiftung Umwelt und Naturschutz 45 Rissmeldungen und 28 Begutachtungen vor Ort. In den meisten Fällen habe sich herausgestellt, dass streunende Hunde für den Tod von Weidetieren verantwortlich waren, wie das auch schon im Februar 2016 bei gerissenen Kälbern in Igel-Liersberg (VG Trier-Land) der Fall war. Vier Mal wurde eine Entschädigung gezahlt, zwei Todesfälle konnten eindeutig durch DNA-Spuren auf Wölfe zurückgeführt werden, in weiteren zwei Fällen wurde aus Kulanz gezahlt. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Wolf sei sehr gering, mutmaßte Peter Weber vom Landwirtschaftlichen Kasino Trier. Weber: "Es sollen mehr Weiden geschaffen werden, damit mehr Kühe raus können. Aber gleichzeitig will man, dass sich Wölfe ansiedeln. Das passt nicht zusammen."Meinung

Alle brauchen Schutz
Der Wolf polarisiert. Das hat er immer schon. Als in Deuselbach 1879 der letzte Wolf im Hunsrück erlegt war, feierten die Menschen ein Volksfest. Und als nach der Wende die ersten Wölfe vom Osten Deutschlands in den Westen kamen, feierten Wild- und Naturschützer die Rückkehr der seltenen Spezies. Vom moralisch-ethischen Standpunkt betrachtet, ist der Wolf ein Gewinn. Er hat wie jedes Tier seine Daseinsberechtigung. Sein Lebensraum war mal hier, und wenn er wieder in unsere Wälder käme, dann hätte das auch Vorteile: Die Wildpopulation ginge zurück und damit auch die Verbisschäden an Bäumen. Dennoch: Die Ängste der Viehhalter sind berechtigt. Wenn der Wolf gewollt ist, dann müssen die Gesetze nicht nur ihn schützen, sondern auch diejenigen, die möglicherweise unter ihm leiden. a.follmann@volksfreund.deExtra

Wolfsmanagement in Rheinland-Pfalz: Das Land hat gemeinsam mit Tierhaltern, Jägern und Naturschützern und in Zusammenarbeit mit der Stiftung Natur und Umwelt (SNU) einen Managementplan für den Umgang mit Wölfen entwickelt. Er besteht seit Februar 2015 und soll bei Bedarf jedes Jahr unter Einbeziehung der Interessengruppen angepasst werden. Zuständigkeiten: Die Struktur- und Genehmigungsdirektion regelt Belange des Artenschutzes, die SNU tritt bei Prävention und Entschädigung auf den Plan. Die Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft (FAWF) dokumentiert Wolfshinweise, indem sie unter anderem Wildtierrissen nachgeht. Hotline: 06306-911199. alfExtra

Die große Angst vorm bösen Wolf
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Die große Angst vorm bösen Wolf
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Gudrun Koltes (Milchviehhalterin aus Bonerath): "Wer hilft mir, wenn ich morgens um fünf die Kühe von der Weide hole und es steht plötzlich ein Wolf vor mir? Was ist, wenn er die Herde durch die Zäune gejagt hat? Rheinland-Pfalz ist nicht auf den Wolf vorbereitet. Viele Versicherungen greifen nicht bei Folgeschäden." Martin Bous (Wanderschäfer aus Trier-Ehrang): "Das Problem wird verharmlost. Entschädigungen sind eine Kann-Bestimmung. Es gibt nur eine Lösung. Da, wo der Wolf noch nicht ist, darf er nicht hin. Er muss bejagbar sein." Walter Clüsserath (Vorsitzender Bauern- und Winzerverband): "Den Wolf braucht keiner, aber wir werden eine gewisse Zeit mit dem Tier leben müssen. Den Artenschutzparagrafen kann man nicht so leicht ändern." alf

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