"Die machen sich lächerlich"

HERMESKEIL. Der Verwaltungschef Michael Hülpes beruft sich auf das Prinzip der Gleichbehandlung, doch für Rolf Becker ist es ein treffendes Beispiel für den "Behörden-Irrsinn, bei dem die Allerschwächsten zur Kasse gebeten werden". Der Grund: Erstmals muss der querschnittsgelähmte Hermeskeiler Geld dafür bezahlen, dass er mit seinem Auto auf Feld- und Forstwirtschaftswegen fahren darf.

Eine sarkastische Bemerkung konnte sich Rolf Becker beim Ausfüllen seines Überweisungsscheins nicht verkneifen. "Eintritt in den Wald", gab der Hermeskeiler in der Zeile "Verwendungszweck" an, als er von seinem Konto 15 Euro abbuchen und der Verbandsgemeinde-Verwaltung gutschreiben ließ. Obwohl er gezahlt hat, was von ihm verlangt wurde, ist der Ärger des 62-Jährigen aber noch nicht verraucht. "Die Verwaltung macht sich lächerlich. Ich habe den Eindruck, dass die jedem Cent nachjagen müssen und wegen der Flaute in den öffentlichen Kassen jetzt sogar die Allerschwächsten zur Kasse bitten", echauffiert sich der Hermeskeiler. Was war geschehen? Seit 1968 ist Rolf Becker nach einem Verkehrsunfall querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Einst war Becker passionierter Sportler und noch heute hält sich der inzwischen 62-Jährige dadurch fit, dass er mit seinem Rollstuhl über die Feld- und Waldwege rund um die Hochwaldstadt fährt. Zur Vorbereitung dieser oft mehr als zehn Kilometer langen Rundfahrten ist das Auto eine wichtige Hilfe für Becker. "Ich fahre damit die Strecken vorher immer ab. Denn es könnte ja sein, dass Hindernisse im Weg liegen, die mir mit dem Rollstuhl erhebliche Schwierigkeiten bereiten würden." Damit er diese für den normalen Verkehr gesperrten Wege benutzen darf, benötigt Becker jedoch eine Ausnahmegenehmigung der Verbandsgemeinde - so sieht es die Straßenverkehrsordnung vor. Gezahlt hat er dafür bislang noch nie etwas. Wenn er sich nämlich in der Vergangenheit ein neues Auto zulegte, war ihm die Bescheinigung stets kostenlos erteilt worden. Im November 2005 teilte ihm die VG-Verwaltung jedoch mit, dass er "25,55 Euro für die Erteilung dieser Erlaubnis" zahlen muss. "Alle Ordnungsämter im Kreis haben im Jahr 2001 ihre Gebührensatzungen für Maßnahmen im Straßenverkehr novelliert und einheitlich diesen Betrag festgesetzt. Wir liegen damit am unteren Ende des Gebührenrahmens", erläutert Bürgermeister Michael Hülpes auf TV-Anfrage, warum die Behörde überhaupt tätig wurde. Becker intervenierte jedoch und legte Widerspruch gegen die Zahlungsforderung ein. Daraufhin habe man wegen der Besonderheit des Einzelfalls die Gebühren auf 15 Euro reduziert, sagt Hülpes und betont: "Diese Summe halte ich für angemessen und für den Betroffenen auch für akzeptabel." Auf die Gebühr komplett zu verzichten, sei jedoch nicht in Frage gekommen: "Auch für andere Dienstleistungen der Verwaltung müssen die Leute zahlen, egal ob sie reich oder arm sind. Es wurde also im Sinne der Gleichbehandlung vorgegangen", rechtfertigt Hülpes die Entscheidung im Rathaus. Die Frage, warum dieses Prinzip in der Vergangenheit offenkundig kein ausschlaggebendes Argument war, beantwortet der Behörden-Chef kurz und knapp: "Man kann auch schlauer werden." Rolf Becker nimmt das finanzielle Entgegenkommen der Verwaltung zwar zur Kenntnis, besänftigen kann es ihn aber nicht. Er empfindet das Vorgehen als Bürokraten-Posse und kritisiert, dass an anderer Stelle "wirkliche Verkehrsvergehen" nicht verfolgt würden. Denn: "Wenn man ausreichend kontrollieren würde, dann könnte sich die Behördenkasse auf dem Kaufland-Parkplatz eine goldene Nase verdienen. Dort werden die Behinderten-Parkplätze nämlich regelmäßig blockiert", moniert Becker.

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