Diese Kinder sind willkommen

REINSFELD. Lebensmittel, Kleidung, Spielzeug und Elektrogeräte - alles, was "Tschernobyl-Kinder" und ihre Familien zum Leben brauchen, wird gesammelt und verschickt. Schon seit zehn Jahren engagieren sich die Mitglieder des Reinsfelder Tschernobyl-Vereins für die Opfer des Atomunfalls.

1986 sollte in Tschernobyl ein Experiment im Kernkraftwerk durchgeführt werden. Doch es geschah das Unfassbare: Durch einen Bedienungsfehler explodierte ein Reaktor. Der radioaktive Inhalt wurde nach außen geschleudert. Im Umfeld von 30 Kilometern wurde das Gebiet verseucht. Noch heute sterben "Unbeteiligte" an den Folgeschäden, Krebs- und Kindersterblichkeitsraten steigen. Um diese Familien und besonders die Kinder zu unterstützen, wurde vor zehn Jahren in Reinsfeld ein Verein gegründet: "Mein Sohn brachte mich auf diese Idee", sagt Ursula Dupont, Vorsitzende des Vereins. Freunde der Familie hatten ein Kind aus Russland zu Besuch. Daran nahm sich die Reinsfelder Familie ein Vorbild. 67 Kinder aus Russland kamen vor zehn Jahren aufgrund dieser Initiative zu Gastfamilien in den Hochwald. Weil viele auch spenden wollten, wurde ein Verein gegründet. Seit dieser Zeit kommen regelmäßig Kinder zu Besuch. In diesem Jahr sind es 47 Jungen und Mädchen zwischen acht und 20 Jahren. Drei Wochen lang wohnen sie in Gastfamilien aus Reinsfeld, Hermeskeil, Kell am See, Schillingen, Herl und auch Kasel. Die recht ärmlichen Kinder werden erst einmal mit Kleidung und Essen versorgt. Damit es ihnen nicht langweilig wird, hat sich der Tschernobyl-Verein einiges ausgedacht. "Wir waren schon in der Flugausstellung in Abtei, auf der Grimburg und auf der Stadtwoche Hermeskeil", berichten die Organisatoren. Die Kinder seien überall willkommen. Werner Angsten, Bürgermeister von Kell am See, lud alle ins Freibad ein. "Der Hermeskeiler Optiker Thiel stellt jedes Jahr Brillen für die Kleinen her", freut sich die Vorsitzende. Des Weiteren seien alle Ärzte, die der Verein mit den Kindern aufsucht, hilfsbereit und engagiert. "Die Firma AUBI unterstützt uns von Anfang an, und im Saarland hat sich die Frauengitarrengruppe "Tea-Chips" gegründet, um für die Kinder zu musizieren.” Lebensmittel, Spielsachen, Kleidung und Elektrogeräte werden den Kindern mitgegeben oder zugeschickt, auch Geld für die Miete. "Ich nähe es meinem Gastkind immer in die Hose ein, damit es das Geld auch behält und man es ihm nicht bei einer Kontrolle abnimmt", verrät eine Mutter. Nicht alles jedoch geht unproblematisch über die Bühne: "Nicht alle Kinder beherrschen unsere Sprache", sagt ein Vereinsmitglied. Es komme zu Verständigungsproblemen. Eine Reinsfelder Familie, selbst kinderlos, hat sich zwei Kindern aus Russland angenommen. Diese stammen aus so ärmlichen Verhältnissen, dass sie die Benutzung der Toilette nicht gewohnt sind. Für solche Fälle ist eine Betreuerin, die mit nach Deutschland gekommen ist, zur Stelle. "Sie hat das Problem aus der Welt geschafft und es den Kindern erklärt", sagt das Mitglied. Dennoch glauben nicht alle an den Sinn der guten Sache. So äußerte ein Reinsfelder Bürger während des Jubiläumsfestes: "Diese Kinder haben so viel mit Tschernobyl zu tun, wie wir mit Ostdeutschland!" Die Mitglieder des Vereins finden solche Aussagen unbeschreiblich. "Natürlich sieht man diesen Kindern ihr Schicksal nicht an", lautet der Tenor. Doch durch solche Aussagen lassen sie sich nicht entmutigen. Sie engagieren sich weiter für Tschernobyl-Kinder.

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