Drei Stolpersteine und ein Überlebender

HERMESKEIL. Moritz, Elise und Gertrud Kahn wurden am 3. März 1943 im Vernichtungslager Auschwitz ermordet. An ihr Schicksal erinnern jetzt drei Stolpersteine vor dem früheren Wohnhaus der jüdischen Familie in der Trierer Straße.

Vor allem für einen Menschen muss es ein Tag der besonderen Emotionen gewesen sein. Denn es waren seine Eltern und seine Schwester, die jetzt in Hermeskeil ein sichtbares Zeichen der Erinnerung erhalten haben. Noch einmal kehrte der heute 84-jährige Heinz Kahn in seinen Heimatort zurück, als der Kölner Künstler Gunter Demnig auf dem Gehweg vor dem Haus Trierer Straße 55 drei Stolpersteine wider das Vergessen einsetzte. Gewidmet sind die Steine mit jeweils einer Gedenktafel aus Messing Moritz Kahn, der dort einst eine Tierarztpraxis betrieb, seiner Frau Elise und ihrer Tochter Gertrud. Bis 1939 lebte die Familie in Hermeskeil, bevor sie nach Trier zog.Eltern und Schwester wurden ermordet

Vier Jahre später traf sie ein Schicksal, das jüdische Menschen im dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte millionenfach erleiden mussten. Am 1. März 1943 wurden die Kahns ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert und gleich nach der Ankunft am 3. März 1943 in der Gaskammer ermordet. Auch Heinz Kahn saß mit seinen Eltern und seiner Schwester in dem Güterzug, der in dem Vernichtungslager anhielt. Noch auf der Laderampe wurde der damals 20-Jährige aber von seiner Familie getrennt und sah sie dort zum letzten Mal. Heinz Kahn jedoch überlebte den Holocaust. Er hielt mehr als zwei Jahre in Auschwitz und später im KZ Buchenwald durch und entkam der Todesmaschinerie der Nazis. "Ich finde es schön, dass die Stadt das gemacht hat", sagt Heinz Kahn auf die Frage des TV, was für eine Bedeutung es für ihn hat, dass jetzt in Hermeskeil an seine Familie erinnert wird. Nachdenklich fügt er jedoch hinzu: "Dass dies aber mehr als 60 Jahre gedauert hat, ist eigentlich eine Schande." Eine Erklärung versucht Bürgermeister Michael Hülpes (CDU) zu liefern. "Diese schlimme Epoche ist leider auch Teil der Geschichte von Stadt und Verbandsgemeinde Hermeskeil", sagt Hülpes insbesondere mit Hinweis auf das nahe SS-Sonderlager Hinzert. "Es hat daher viele Leute gegeben, die das Thema aus Scham zurückgedrängt haben. Diese Phase ist aber überwunden, und wir stehen dieser Aktion als Beitrag zur Gedenkarbeit äußerst positiv gegenüber", betont der Rathaus-Chef. Möglich gemacht wurde die Verlegung der drei Stolpersteine in Hermeskeil durch eine gemeinsame Initiative der AG Frieden und des Kulturvereins Kürenz, die von einem Projektseminar der Trierer Universität wissenschaftlich begleitet wird. "Die Studierenden recherchieren die lokalen Opferbiografien und bereiten damit die Arbeit von Gunter Demnig vor", informiert Dozent Thomas Schnitzler. Insgesamt sind auf diese Weise in Trier bereits 58 Stolpersteine als "dezentrale Denkmäler" (Schnitzler) verlegt worden. Außerhalb des Oberzentrums wurden in Hermeskeil jedoch zum ersten Mal auch in der Region diese Erinnerungszeichen am Wohnort einer Familie gesetzt, die Opfer des nationalsozialistischen Terror-Regimes wurde. Für Heinz Kahn leben beim Besuch in der Heimatstadt - zuletzt war er vor zehn Jahren in Hermeskeil - viele Bilder aus der Vergangenheit auf. Er erzählt Bianka König, die mit ihrem Mann Christoph und Tochter Lina heute in der Trierer Straße 55 wohnt, wie sein Elternhaus früher ausgesehen hat. Auch einige Bekannte von früher sind gekommen, mit denen er gemeinsame Erinnerungen austauscht. Kahn berichtet von den Geschehnissen in der Reichspogromnacht 1938 in deren Folge das Haus der Familie zwangsenteignet wurde, sodass die Familie nach Trier ziehen musste, und er erzählt davon, wie er 1936 das Gymnasium notgedrungen verlassen musste und der dafür in erster Linie verantwortliche Lehrer nach dem Krieg "hier, wo wir jetzt stehen, zu mir gekommen ist und von mir einen Persilschein wollte, dass er mich immer gut behandelt hätte". Schließlich nimmt er zwei alte Fotos, auf denen seine Eltern und seine Schwester abgelichtet sind, aus einem Album. Die Studentinnen Barbara Freek und Anke Rosenmüller legen sie neben die Stolpersteine und so können die Betrachter zumindest für einen kurzen, bewegenden Moment die drei ermordeten Menschen, deren Namen auf der Gedenktafel stehten, mit einem Gesicht verbinden.

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